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Balder Olden

Erst der Faschismus habe ihn „zum Revolutionär gemacht“

Der deutsche Exilant in Südamerika war maßgeblich an der Organisation seiner Schicksalsgefährten beteiligt

Martin Stolzenau
29.09.2024

Den Namen „Balder Olden“ sucht man in den meisten Nachschlagewerken vergeblich. Selbst in einigen Literaturlexika ist er nicht enthalten. Dabei erlangte der gebürtige Sachse als Journalist und vor allem als Schriftsteller, der sich mit dem deutschen Militarismus, der deutschen Kolonialpolitik und dem Nationalsozialismus bis zu seinem Tod vor 75 Jahren kritisch auseinandersetzte, einst internationale Bekanntheit. Seine Bücher, die teilweise ins Englische und Französische übersetzt sind, wurden jedoch von den Nationalsozialisten verbrannt. Damit wurde er nach seiner Flucht ins Exil in Deutschland zur unbekannten Person.

Balder Olden entstammte einer jüdischen Familie, die ursprünglich Oppenheim hieß. Seine Eltern waren Schauspieler. Sein Vater nahm 1891 den Namen Olden an und schriftstellerte nebenbei. In der Verwandtschaft gab es auch Nationalökonomen, Kaufleute und Maler. Bei allen war dennoch die Vorliebe für Kunst und Literatur sehr ausgeprägt.

Olden wurde während eines Schauspielengagements seiner Eltern am 22. März 1882 in Zwickau geboren, wo er die ersten Jahre aufwuchs. Danach besuchte er entsprechend der Theaterverträge des Vaters die Gymnasien von Regensburg, Wiesbaden, Darmstadt und Freiburg im Breisgau, wo er das Abitur ablegte und anschließend Literatur, Philosophie und Geschichte studierte. Parallel griff der literaturbegeisterte Student, der mit dem Gedanken spielte, ebenfalls Schauspieler zu werden, zur Feder. Als er wegen seiner jüdischen Herkunft beleidigt wurde, duellierte er sich mit dem Beleidiger und erlitt dabei eine schwere Gesichtsverletzung, die zur dauerhaften Lähmung einer Gesichtshälfte führte.

Olden begrub danach seine Bühnenpläne, absolvierte ein Zeitungsvolontariat und wurde Feuilletonredakteur in Hamburg. Er veröffentlichte unter dem Titel „Aus der Mannschaftsstube“ eine erste Sammlung seiner Novellen, in denen er sich kritisch mit dem deutschen Militarismus auseinandersetzte. Nach dem Wechsel zum Feuilleton der „Kölnischen Zeitung“ bereiste er die Welt und weilte bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges als „reisender Reporter“ in Deutsch-Ostafrika, wo er sofort ins Afrikakorps des Generals Paul von Lettow-Vorbeck eingezogen wurde. Olden geriet 1916 in englische Kriegsgefangenschaft und kehrte erst 1920 nach Deutschland zurück.

Er ließ sich in Berlin nieder, schrieb für verschiedene Zeitungen und verarbeitete in der Folge seine Kriegs- und Kolonialerlebnisse in eindrucksvollen Romanen, so in seinem Antikriegsroman „Kilimandscharo“. „Ich bin ich“ ist als antikoloniale sowie antinationalistische Studie angelegt, in welcher der deutsche Kolonialgründer Carl Peters als Vorläufer der Nationalsozialisten dargestellt wird.

Olden, der sich in der Weimarer Republik auch einen Namen als Literatur- und Theaterkritiker machte, war zwischendurch ein erstes Mal verheiratet und lehnte die NS-Bewegung kategorisch ab.

Nach Adolf Hitlers Machtübernahme floh er nach Prag, wo er seinen Roman „Anbruch der Finsternis“ in einem Zug niederschrieb. Darin reflektierte der Exilant seine Deutschland-Erlebnisse zwischen Dezember 1932 und Mai 1933. Er betonte in diesem Zusammenhang, dass ihn erst „der Faschismus zum Revolutionär gemacht“ habe. Das Buch führte zu seiner Ausbürgerung. Seine Schriften waren fortan in Deutschland verboten und wurden dann verbrannt. Ab 1935 lebte
Olden in Frankreich, wo er ein Teil der antinationalsozialistischen Exilliteratur war.

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde er im zweiten Kriegsjahr 1940 von den französischen Behörden interniert. Ihm gelang jedoch mit Hilfe französischer Antifaschisten die Flucht nach Marseille und dann per Schiff nach Südamerika. Sein jüngerer Bruder Rudolf hatte weniger Glück. Er kam bei der Überfahrt auf dem Atlantik um.

Olden ließ sich zunächst in Argentinien und dann in Uruquay nieder, engagierte sich in der antinationalsozialistischen Agitation sowie beim Aufbau von Exilanten-Organisationen. 1944 heiratete er in zweiter Ehe Margarete Kershaw. Doch dem 62-Jährigen blieb mit seiner wesentlich jüngeren Frau nicht mehr viel Zeit. Olden erlebte zwar noch den Zusammenbruch des Nationalsozialismus und des Faschismus und machte Pläne, aber zwei Schlaganfälle und eine Teillähmung machten ihn zum Pflegefall. So wollte er nicht leben. Deshalb setzte er mit 67 Jahren am 24. Oktober 1949 seinem Leben in Montevideo selbst ein Ende. Er hinterließ mehr als 100 Publikationen. An vielen weiteren Veröffentlichungen war er beteiligt.

Im französischen Sanary-sur-Mer ist eine Gedenktafel „den deutschen und österreichischen Schriftstellern mit ihren Angehörigen und Freunden, die auf der Flucht vor der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Sanary-sur-Mer zusammentrafen“ gewidmet. Auf Ihr findet sich auch der Name Oldens.

1977 gab die Schriftstellerin, Herausgeberin, Verlagslektorin und Journalistin Ruth Greuner, die vor allem das antinationalsozialistische Wirken bürgerlicher Autoren dokumentierte, das Werk „Balder Olden. Paradiese des Teufels. Biographisches und Autobiographisches. Schriften und Briefe aus dem Exil“ heraus. Dessen Roman „Anbruch der Finsternis“ erlebte 1981 bei Rütten & Loening eine deutsche Neuauflage. Oldens Nachlass gehört inzwischen zum Bestand des Deutschen Literaturarchivs in Marbach.


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