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Energiewende

Erst die Steckdose, dann der Teller

Für den „Klimaschutz“ privilegiert der Staat die Produktion von Solarstrom gegenüber der von Nahrungsmitteln

Dagmar Jestrzemski
11.03.2024

Freiflächen-Photovoltaikanlagen (PV FFA) wurden bis vor wenigen Jahren nur auf minderwertigen Böden angelegt, um Natur und Landwirtschaft möglichst wenig zu beeinträchtigen. Im Zuge des politisch getriebenen rasanten Ausbaus der Photovoltaik (PV) beanspruchen Investoren in den Gemeinden und Landkreisen für ihre Planungen aufgrund der geänderten Gesetzgebung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2023) auch immer mehr fruchtbares Ackerland. Was durch strenge Gesetzesvorschriften ursprünglich ausgeschlossen war, scheint jetzt politisch erwünscht zu sein. Das Drängen der Bundesregierung und der Solarbranche bewirkte desgleichen einen Trend zu Giga-Anlagen auf bis zu 180 Hektar Fläche. In raschem Tempo werden den Ökosystemen und der landwirtschaftlichen Produktion durch PV FFA immer größere Flächen entzogen. In riskanter Weise wurde eine scharfe Konkurrenz um verfügbares Agrarland mit einer Wettbewerbsverzerrung zulasten der Erzeuger von Lebensmitteln losgetreten. Pachtgebote der Solarinvestoren von mehr als 2500 Euro je Hektar pro Jahr – in Österreich sogar bis 5000 Euro – stehen Pachtpreisen für Acker- und Grünland von 200 bis 400 Euro je Hektar gegenüber.

Eldorado für Glücksritter
Um die Situation zu entschärfen, fördern Bund und Länder das Modell Agri-Photovoltaik (Agri-PV), also die Doppelnutzung von Ackerböden sowohl für Photovoltaik als auch für die landwirtschaftliche Produktion. Seit 2021 hat die Bundesregierung mehrere Millionen Euro an Fördermitteln für die Forschung zu Agri-PV bereitgestellt sowie für Subventionen bei Inanspruchnahme dieses Modells. Agri-PVA sind über das EEG 2023 auf allen Ackerflächen, Flächen mit Dauerkulturen und Grünlandflächen förderfähig. Bei Ackerland muss die Nutzung durch PV auf 15 Prozent der Fläche beschränkt sein. Landwirte können für den mit PV kombinierten Feldbau eine Förderung gemäß der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) beantragen. Jedoch entstehen bei Agri-PV etwa fünfmal höhere Anschaffungskosten für die Solarindustrieanlagen, während die Erträge der Stromerzeugung wegen der reduzierten Nutzungsfläche wesentlich geringer ausfallen. Bei einer 2022 in Betrieb genommenen Agri-PV-Versuchsanlage auf einem Hektar in Lüchow im Kreis Lüchow-Dannenberg in Niedersachsen beliefen sich die Kosten für die PV-Anlagen auf 1,4 Millionen Euro. Ein Drittel davon kam vom Bundesumweltministerium. Aufgrund der Rahmenbedingungen ist anzunehmen, dass Agri-PV eher eine Nischenlösung für einzelne landwirtschaftliche Betriebe bleiben wird.

Ein Beispiel aus Sachsen zeigt, dass die geänderten Gesetzesvorschriften Glücksritter auf den Plan rufen. Bei der Gemeinde Königshain im Landkreis Görlitz hat ein Solarprojektierer aus Schweinfurt den Plan für eine PV-Anlage über eine Fläche von insgesamt 170 Hektar Land vorgestellt, etwa 135 Fußballfeldern entsprechend. Ein Investor, der namentlich nicht genannt werden will, lockt die Gemeinde mit hohen Geldsummen. Die beanspruchten Flächen werden hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt und gehören etwa 40 Eigentümern. Von einem möglichen zweistelligen Millionenbetrag an Gewerbesteuern und jährlich 200.000 Euro aus dem Stromertrag ist die Rede, gerechnet über einen Zeitraum von 30 Jahren. Bislang gibt es jedoch noch nicht genug Photovoltaikanlagen, die länger als 20 Jahre in Betrieb sind und eine so lange Lebensdauer bestätigen. Der Investor lehnt Agri-PV ab, weil die Stromerträge dann um zwei Drittel reduziert würden, wie der Geschäftsführer des Solarprojektierers erklärte. Einwendungen gegen das Vorhaben begegnete der Unterhändler des Investors mit dem absurden Argument: „Wir haben keine Ernährungskrise, sondern eine Energienot.“

Agri-Photovoltaik ist keine Lösung
Agri-PV kann keine Lösung des Dilemmas der konkurrierenden Nutzung von fruchtbarem Ackerland sein. Derweil steht eine dringend notwendige, ergebnisoffene Forschung zu den Auswirkungen einer langjährigen Versiegelung unterschiedlicher Bodentypen durch PV FFA nicht auf der politischen Agenda, obwohl die Regierung aufgrund des Vorsorgeprinzips dazu verpflichtet ist. Infolge der Überdachung und Verschattung durch die Solarmodule zieht sich das Bodenleben insbesondere von humusarmen, austrocknenden Ackerböden tief in die Erde zurück oder stirbt ab. Eine dauerhafte Bewässerung von bewirtschafteten Flächen unter PV-Modulen hat ebenfalls gravierende Folgen: Die Böden versalzen und können ihre Fruchtbarkeit verlieren. Die Politik muss handeln: Die rasant zunehmende Fremdnutzung von Ackerland durch PV FFA stellt eine schleichende Bedrohung für Quantität und Qualität der landwirtschaftlichen Nutzfläche dar. Ohne gesunde Böden kann keine gute Nahrung produziert werden.


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Kommentare

Jaan Brandenburg am 14.03.24, 14:29 Uhr

Bei diesem Großprojekt in Sachsen bin ich mir sicher, dass Politik und Verwaltung zustimmen werden, Die sehen in erster Linie Geld, Geld, viel Geld. Fraglich ist, ob die Landwirte mitmachen werden. Aber wie ich die Bauern kenne, wird der größte Teil von ihnen auch das Angebot annehmen. Aber was ist, wenn nach 20 bis 30 Jahren die Nutzungsfähigkeit dieser Anlage verbraucht ist? Liegt dann ein riesiger Haufen nicht recyclebarer Schrott in der Landschaft? Dieser Großinvestor wird rechtzeitig Insolvenz anmelden. Die Kommunen sind nicht zuständig, da es sich um Privatflächen handelt. Also bleiben Entsorgung und Renaturierung der Flächen an Bauern hängen.

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