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Wie Habeck in den Graben geritten ist, und wie falsch wir das Grundgesetz verstanden haben
Sie haben es wieder getan: Die Grünen haben es zu einer eigenen Kunstform entwickelt, einen verblüffend erfolgreichen Wahlkampflauf mit einer einzigen dämlichen Idee in den Graben zu reiten. Märchenonkel Robert Habeck hatte es, artig assistiert von grünfreundlichen Medien, geschafft, sich das Ampeldesaster gleichsam vollständig von den Schultern zu streifen. Gefühlig-nebelhaft setzte er ganz auf die weiche „Ich bin der Robert“-Masche – und kam damit blendend durch.
Alles in Butter, wäre er dabei geblieben. Doch dann plaudert Habeck plötzlich von Sozialabgaben auf Kapitalerträge im Tonfall von „Och, finde eigentlich ... und hab da mal so 'ne Idee“, ohne sagen zu wollen, wen es treffen soll und wie viel das die Bürger kosten wird, wenn es durchkommt. Große Aufregung war die Folge.
Das passiert der Partei nicht zum ersten Mal. 2013 sah auch alles blendend aus für die Grünen. Da veröffentlichte Renate Künast ihren Plan, in Kantinen einen Tag zu bestimmen, an dem es nur vegetarische Mahlzeiten geben darf, der „Veggie-Day“ war geboren – und flog den grünen Wahlkämpfern links und rechts um die Ohren.
Wie heute hatten die Partei-Oberen danach alle Hände voll zu tun, den Mist wieder einzufangen. Damals hieß es, das sei ja nur als Empfehlung gedacht. Nach Habecks Attacke auf Ersparnisse und private Daseinsvorsorge schwurbeln die Grünen nun, das treffe ja nur die „ganz Reichen“. Sie weigern sich aber standhaft, zu verraten, wen sie darunter verstehen. Das eiserne Schweigen wird schon Gründe haben, denkt sich der Bürger, und das dürften keine netten sein.
Aber warum bloß machen die Grünen nicht Klarschiff und nennen die „Zahl“, die alle hören wollen, sprich: die Höhe des Freibetrags, den sie anpeilen? Ganz einfach: Weil sie diese „Zahl“ nicht nennen können, ohne alles noch schlimmer zu machen. Ist die Grenze nämlich zu hoch angesetzt, bringt das Ganze nichts. Wirklich „Reiche“ gibt es wenige. Und die wenigen haben zudem Möglichkeiten, sich der Abgabe zu entziehen, etwa durch Auswanderung oder durch ein Firmenkonstrukt. Setzt man den Freibetrag aber niedrig genug an, dass auch wirklich was reinkommt, trifft es eben doch die breite Masse der Kleinanleger. Klappe zu, Affe tot!
Immerhin bliebe die Beamtenschaft ungeschoren, bekanntlich eine Hochburg des grünen Wählerpotentials. Oder?
Mochte man zunächst meinen, doch nun mischte sich Katrin Göring-Eckardt in die verunglückte Debatte und tat, was sie am besten kann: den Schaden vergrößern. Das mit den Sozialabgaben auf Kapitalerträge sei ja nur ein Element des Projekts einer allgemeinen „Bürgerversicherung“, flötete „KGE“ ins Mikro – wie immer, ohne zu ahnen, was sie da abgelassen hat. Denn dieses Projekt sieht vor, dass alle, also auch Selbstständige und Beamte, in die gesetzliche Rente einzahlen, wodurch es mit den guten Beamtenpensionen wohl vorbei wäre. Ob grün gesinnte Staatsdiener sich auf diese Aussicht freuen?
Überhaupt, wenn wir „KGE“ nicht hätten! In ihrer ungestümen Schlichtheit erlaubt sie uns wie kaum ein zweiter einen unverstellten Blick darauf, was die Grünen wirklich umtreibt. Und auf das, was sie vollkommen kalt lässt. So ließ sie ein verblüfftes Fernsehpublikum wissen, dass das Thema Migration mit dem Alltag der Menschen in Deutschland „verdammt wenig“ zu tun habe.
Wehe dem, der zweifelt
Damit hat sie uns zweierlei mitgeteilt: Mit Göring-Eckardts Alltag hat das Thema Migration tatsächlich „verdammt wenig“ zu tun. Sie lebt nicht in den Gegenden, in denen Migranten wie indigene Deutsche mit den Folgen knallhart konfrontiert sind und irgendwie damit umgehen müssen. Zudem gibt sie zur Kenntnis, dass es die Grünen und deren Gesinnungsgenossen sind, die zu bestimmen haben, was in diesem Land ein „Thema“ ist und was nicht. Sonst niemand, schon gar nicht der Pöbel da draußen.
Deshalb ist es ja so ärgerlich, wenn sich reichweitenstarke Leute wie Elon Musk in deutsche Debatten einmischen und in sozialen Medien jeder Hans und Franz drauflosreden kann, ohne dass regierungsnahe, „woke“ Kontrolleure eine sorgsame Zensur vornehmen. Wie schlimm es schon steht, hat der Vizechef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Sinan Selen, kürzlich herausgestellt. In „Politik & wir“, dem Twitch-Format des Senders rbb, warnt er eindringlich vor Desinformationskampagnen im Netz. Diese würden etwas „mit der Demokratie machen ... weil demokratische Entscheidungsprozesse oder die Nachrichtenvermittlung, wie sie stattfindet, beispielsweise im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in Zweifel gezogen werden“. Wir haben richtig gehört: Wer die Nachrichtenvermittlung der staatlichen Sendeanstalten in Zweifel zieht, der ist dermaßen gefährlich, dass sich sogar die Spitze des Inlandsgeheimdienstes mit ihm beschäftigt. Überlegen Sie es sich künftig dreimal, ob Sie im Internet Zweifel an der „Tagesschau“ zu äußern wagen.
Bei Musk kam ja noch dazu, dass er nicht mal EU-Bürger ist, weshalb, wie berichtet, sogar die Brüsseler Bürokratie eine Kompanie von 150 Mann antreten ließ, um das Gespräch mit Alice Weidel zu überwachen. Von unstatthafter „Einmischung“ war die Rede. Aber was heißt das überhaupt? Kriegt auch der Chef der norwegischen Sozialdemokraten was zwischen die Hörner, wenn er den Deutschen empfehlen sollte, am 23. Februar SPD zu wählen? Ist ja auch kein EU-Bürger.
Aber nein, so ist das natürlich nicht gemeint. Da kann uns Norbert Röttgen beruhigen. So sagte der CDU-Außenpolitiker bei Maybrit Illner: Wenn Musk für die Grünen würbe, würde er das „vielleicht sogar gut finden“, und schränkt dann doch ein bisschen ein: „Jedenfalls wäre es nicht zu beanstanden.“
Da lichtet sich endlich das Dickicht, das zwischen der Theorie des Grundgesetzes und der immer mehr abweichenden Praxis unserer Tage gewuchert ist. Wenn in Artikel 5 steht: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“, dann meinen heutige Interpreten damit: Jeder hat das Recht, „eine“ Meinung zu äußern – nämlich ihre. Und wenn wir dort lesen: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt“, dann schließt das ein, dass das Infragestellen „der Berichterstattung durch Rundfunk und Film“ auch bitte zu unterbleiben hat, sofern die öffentlich-rechtlichen Sender dahinterstecken. Wie konnten wir das alles nur so falsch verstehen?
Nun kapieren wir auch, was Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang sagen will, wenn sie Musk vorhält, er wolle die „Zerschlagung des Staates“ herbeiführen. Um das Grundgesetz auf so originelle Weise neu zu interpretieren wie oben gesehen, benötigt man nämlich einiges an staatlicher Macht, sonst muckt das Volk noch auf. Da kommt einem die Entwicklung in den USA mit ihren unvermeidlichen Auswirkungen auf Deutschland verständlicherweise sehr ungelegen.