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Kunst

Es wird magisch

„Magie – Das Schicksal zwingen“ – Eine Ausstellung in Halle verbindet Altes mit Aktuellem, ordnet ein und regt zum Selbstdenken an

Christiane Rinser-Schrut
16.08.2024

Das Schicksal zwingen, und zwar mit Magie: Diesem Thema widmet sich die Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle noch bis zum 13. Oktober.

Zuvor geht der Besucher jedoch in das zweite Obergeschoss, denn da erwartet ihn die Himmelsscheibe von Nebra. Sehr beeindruckend ist dieser Raum gestaltet, ganz dunkel, nur oben leuchten ein paar LED-Sterne. Der Weg führt um eine Wand, in der Mitte des Raums steht die Säule mit der Himmelsscheibe, die der Besucher zunächst von der Rückseite her sieht. Einmal auf die andere Seite gewechselt, und der Kalender aus dem 16. Jahrhundert vor Christi Geburt leuchtet dem Staunenden hell entgegen.

Etwa so groß wie eine Pizza ist die goldbestückte Bronzescheibe, die den Vollmond, die Plejaden, andere Sterne, eine Mondsichel etwa vier Tage nach Neumond und den Sonnenaufgang sowie -untergang anzeigt. Hinter einem Fenster am Rand des Raumes befinden sich die weiteren Stücke, die zusammen mit der Himmelsscheibe gefunden wurden.

Der Fund gelang erst 1999, und zwar von kriminellen Schatzsuchern. In Sachsen-Anhalt gilt das Schatzregal, sodass Funde ans Land hätten abgegeben werden müssen beziehungsweise gar nicht erst hätten ausgegraben werden dürfen. Die Himmelsscheibe wurde jedoch ausgegraben und nicht abgegeben, dafür unsachgemäß gereinigt – die Kratzspuren sieht man noch immer – und erst 2002 gesichert. Seit 2013 gehört sie aufgrund der Bedeutung der ältesten konkreten Himmelsdarstellung der Menschheit zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.

Der Rundgang hebt sich in diesem Stockwerk das Beste, also die Himmelsscheibe, bis zum Schluss auf, doch auch der erste Raum ist sehr imposant, wird der Besucher sogleich von einem Wisent in Angriffshaltung begrüßt. Einen Schritt weiter erblickt man ein Mammutskelett mit einer Neandertalerpuppe in Denkerpose davor. Der Nebenraum begeistern Jung und Alt, steht man doch einem riesigen, sogenannten eurasischen Altelefanten gegenüber, wie es ihn zur Altsteinzeit gegeben hat, und dessen Knochen auf einer Scheibe daneben zu sehen sind. Solche Eindrücke bleiben.

Die gesamte Ausstellung im zweiten Obergeschoss von der Altsteinzeit bis zur Frühbronzezeit ist gut aufgebaut, ihr ist einfach zu folgen, sie enthält viele Exponate in Schubladen, die dazu einladen, sich selbst als Entdecker zu fühlen.

Einige Ausstellungsstücke sind zeitweise zu Forschungszwecken entnommen. Daran ist zu erkennen, dass das Landesmuseum für Vorgeschichte zu den wichtigsten archäologischen Museen in Mitteleuropa zählt und der Forschung dient. Die Anfänge des Museums reichen bis ins Jahr 1819 zurück.

Himmelsscheibe in Keksform
Das heutige Gebäude wurde 1913 fertiggestellt und von dem Architekten Wilhelm Kreis eigens für die Präsentation vorgeschichtlicher Funde entworfen. Dabei ist das Museum der Porta Nigra, dem besten erhaltenen römischen Stadttor nördlich der Alpen, nachempfunden. Heute beherbergt es „eine der ältesten, umfangreichsten und bedeutendsten archäologischen Sammlungen in Deutschland“, die mittlerweile mehr als 16 Millionen Funde umfasst, wie man auf der Internetseite nachlesen kann. Auch der Besuch dieser Internetseite ist sehr zu empfehlen.

Etwas unheimlich wird es im ersten Obergeschoss, wenn die Installation zur Totenverbrennung lodert oder Skelettknäuel beschaut werden können. Diese Etage beginnt bei der Spätbronze/Früheisenzeit, geht weiter zur römischen Kaiserzeit, Spätantike, streift das Frühmittelalter, um über das Hochmittelalter zur Frühneuzeit zu gelangen. Ein letzter Raum widmet sich dem Thema Alchemie und rast förmlich durch die Geschichte.

Wer eine kleine Verschnaufpause benötigt, kann sich im Museumsladen bei Kaffee und ausgewähltem Kuchen stärken, und wer gar nicht genug von der Himmelsscheibe bekommt, kann sie sich hier in Keksform einverleiben.

Die Ausstellung in dem überschaubaren Raum ist sehenswert, zumal das Thema auch hochaktuell ist. Gerade in heutigen Krisenzeiten haben Magie und Aberglaube Hochkonjunktur. „Ausgehend von Babylonien, Ägypten, Griechenland und Rom werden bis in die noch heute fortbestehende Volksmagie zahlreiche Kontinuitäten magischer Praktiken nachgezeichnet“, heißt es in der Ausstellungsbeschreibung, die sehr zutreffend ist.

Zerbrochene Scherben, deren Lärm beim Zerbersten böse Geister vertreiben soll, Thot und Ma'at aus der Sammlung Lotti von Wedels sowie eine Steinsäule mit Keilschrift aus dem Codex Hammurabi sind dort ebenso zu bestaunen wie der Hexenhammer oder Voodoopüppchen. Ausführlich wird auf den vermeintlichen Bösen Blick und die entsprechenden Abwehrbräuche eingegangen. Auch in der heutigen Zeit finden sich neben Astrologie viele magische Handlungen, wie das Böllern zu Neujahr oder der Polterabend. Zu dieser Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm, das über die Internetseite des Museums abrufbar ist.

Landesmuseum für Vorgeschichte, Richard-Wagner-Straße 9, 06114 Halle an der Saale, geöffnet Dienstag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr, Sonnabend, Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr, Eintrittspreis 10 Euro, ermäßigt 8 Euro, Kinder von 6 bis 18 Jahren 3 Euro. Internet: www. landesmuseum-vorgeschichte.de


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