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Oliver Meiler:  „Agromafia. Wie ’Ndrangheta & Co. die italienische Lebensmittelproduktion beherrschen und was auf unsere Teller kommt“, dtv, München 2021, gebunden, 348 Seiten, 20 Euro
Oliver Meiler: „Agromafia. Wie ’Ndrangheta & Co. die italienische Lebensmittelproduktion beherrschen und was auf unsere Teller kommt“, dtv, München 2021, gebunden, 348 Seiten, 20 Euro

Mafia

Etikettenschwindel und Panscherei aus Italien

SZ-Korrespondent Oliver Meiler klärt über die Machenschaften der italienischen Mafia im Lebensmittelhandel auf, indem er ihre Manipulationen bei der Herstellung und beim Vertrieb aufdeckt

Dagmar Jestrzemski
01.01.2022

Italien steckt fest im Griff der Agromafia trotz vorbildlicher Bemühungen des italienischen Staates beim Kampf gegen Betrug und Tricksereien in der Lebensmittelmittelbranche. 

Die gut ausgebildeten Nachkommen der alten Mafia-Bosse haben es mithilfe von Komplizen geschafft, nahezu geräuschlos alle Ebenen der Lieferkette zu kontrollieren, von der Produktion über den Transport bis zum Großhandel. Darüber berichtet der „SZ“-Italien-Korrespondent Oliver Meiler spannend und eindrücklich in seinem Buch „Agromafia. Wie 'Ndrangheta & Co. die italienische Lebensmittelproduktion beherrschen und was auf unsere Teller kommt“. Sein Anliegen: Da wir Deutschen und auch die Schweizer und Österreicher das italienische Essen so sehr lieben, sollten wir wissen, dass die Mafia in irgendeiner Form immer mitverdient, wenn bei uns Büffelmozzarella und Olivenöl, Pasta, Früchte und Gemüse aus Italien auf den Tisch kommen. 

Im Hintergrund wird dabei sehr viel Geld abgeschöpft. Italien ist mit Abstand der größte Nettoexporteur von Lebensmitteln weltweit. Meiler schätzt, dass der jährliche Anteil der Mafia am Lebensmittelgeschäft 25 Milliarden Euro beträgt. Am Betrug mit gefälschten Lebensmitteln durch Etikettenschwindel und Panscherei beteiligt sind italienische Hersteller, während Landwirtschaftsfirmen eine Steuer an die kriminellen Clans entrichten. Deren Vormachtstellung im Großhandel ermögliche ihnen auch die Mitbestimmung der Preise und damit der eigenen Gewinnmarge. Zehntausende Restaurants im In- und Ausland gehören ebenfalls zu den Geschäftsbereichen der Agromafia. 

Größter Nettoexporteur weltweit 

Mit den lokalen landwirtschaftlichen Strukturen kennen sich die Paten des Cibo (italienisch für Essen) seit jeher gut aus, denn „die Mafia kam vom Land, und sie ist dorthin zurückgekehrt, wenn sie es denn jemals verlassen hat“, so Meiler. Für sein Buch war er entlang der „Seidenstraße der Agromafia“ unterwegs in den Herrschaftsgebieten der miteinander konkurrierenden Verbrecherkartelle, ausgehend vom Mezzogiorno, dem italienischen Süden. Gemeint sind die Essenslandschaften dieses schönen Landes, von Sizilien über Kalabrien, Kampanien bis nach Rom. In den 80er Jahren kamen die ersten kalabrischen Mafiosi in den Norden, in die Emilia-Romagna und nach Mailand. 

Als Beobachter vor Ort verschafft uns der Autor unmittelbare Eindrücke von den Tummelfeldern der Unterwanderung. Seine Geschichten basieren auf den Informationen mutiger Bürger, den jährlich seit 2012 in Italien veröffentlichten Mafia-Berichten, Mitteilungen der Mafiajäger und durch Gerichtsprozesse bekannten Fakten. Durch die Weltwirtschaftskrise 2007/08 wuchs den Paten unerwartet ein weiterer Geschäftsbereich zu, indem sie als Retter in der Not auftraten und kleinen und großen Unternehmen Geld liehen. 

Für Deutschland hätten die Mafiosi eine besondere Vorliebe, da die Geldwäsche hier weitgehend ungestört möglich sei, betont der Autor. Hierzulande hätten sie tausende Restaurants, Immobilien sowie Agrarland in großem Stil gekauft. Somit profitieren sie auch direkt von den EU-Agrarsubventionen. 

Das Buch löst Verwunderung darüber aus, dass die Drahtzieher der dunklen Machtverhältnisse noch immer nahtlos in saubere Geschäfte investieren können. Meiler kritisiert die deutsche Politik, da diese die Brisanz der transnationalen Kriminalität im Gegensatz zu den Ermittlern unterschätzen würde. Die Duisburger Mafia-Morde von 2007 innerhalb verfeindeter 'Ndrangheta-Familien waren ein Weckruf, jedoch habe man das Problem danach zu wenig beachtet. Der Autor schlägt vor, die Supermarktketten in die Pflicht zu nehmen. Sie könnten genau prüfen, wem sie die Ware abkaufen. Ideal wäre ein Siegel, eine Zertifizierung wie Fair Trade: garantiert mafiafrei. Die IT-Technologie der Herkunftsverfolgung steht seit Jahren zur Verfügung und könnte bei Verdachtsfällen zur Aufklärung beitragen.


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