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Schöpfer der Quadriga des Brandenburger Tors – Vor 175 Jahren starb der preußische Hofbildhauer Johann Gottfried Schadow
Der Kunsthistoriker Lionel von Donop war ein früher Biograph des Bildhauers und Zeichners Johann Gottfried Schadow. Er charakterisiert den führenden Vertreter des deutschen Klassizismus als „kernig und humorvoll“. Und weiter: „Der Nachwelt erscheint er als originelle Charakterfigur des alten Berlin, dem er mit Leib und Seele angehörte, ein Freund der Biederkeit und des gesunden Menschenverstandes.“ Der 1764 geborene Sohn eines Schneidermeisters hatte ein langes Leben. Schadow starb am 27. Januar 1850. Sein Ehrengrab befindet sich auf Berlins Dorotheenstädtischem Friedhof.
Schadow hat Meisterwerke hinterlassen, die wohl jeder kennt. Er entwarf die auf dem Brandenburger Tor stehende Quadriga (1789–1792). Von dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Original ist nur ein aus Kupferblech getriebener Pferdekopf erhalten geblieben, der im Stadtmuseum Berlin aufbewahrt wird. Grazie und Anmut zeichnet seine Skulpturengruppe der Prinzessinnen Luise und Friederike von Preußen aus. Die Gipsfassung (1795) ist in Berlin in der Friedrichwerderschen Kirche ausgestellt.
In seinen 1849 veröffentlichen Lebenserinnerungen berichtet Schadow: „In stiller Begeisterung arbeitete der Künstler an diesem Modell; er nahm die Maße nach der Natur.“ Die nachfolgende Ausführung in Marmor (1797) ist in der Alten Nationalgalerie zu sehen. Auftraggeber von Quadriga und Prinzessinnengruppe war Preußens König Friedrich Wilhelm II. Er berief Schadow zum Leiter der Hofbildhauerwerkstatt und Direktor der Skulpturen beim Oberhofamt.
Als Hans Joachim von Zieten, der damals populäre Husarengeneral König Friedrichs II., mit einem Denkmal geehrt werden sollte, reichte Schadow zwei Skizzen ein. Friedrich Wilhelm II. entschied sich für den Entwurf als lebensnaher Feldherr. Normalerweise plustern sich Denkmalfiguren würdevoll auf. Nicht so Zieten: Schadow präsentiert ihn als pfiffigen Befehlshaber, der nachdenklich die rechte Hand ans Kinn geführt hat und mit überkreuzten Beinen lässig gegen einen Baumstumpf lehnt.
Schadow bezeichnete die Ausführung der Marmorfigur (1794) wegen der vielen Einzelheiten der Uniform als mühevoll. Sie steht zusammen mit den Marmorfiguren des Generalfeldmarschalls Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau und König Friedrichs II. im Bode-Museum. Die Skulptur Friedrichs ist eine Kopie der 1793 in Stettin enthüllten Denkmalsfigur. Das nach einem Treppensturz wiederhergestellte Original befindet sich heute im Polnischen Nationalmuseum von Stettin.
Die Darstellung des als Alter Dessauer bekannten Fürst Leopold, General Friedrichs II. in den Schlesischen Kriegen, bereitete Schadow wie auch seine anderen bildhauerischen Arbeiten äußerst gründlich vor. Er befragte die wenigen noch Lebenden, die den Feldherrn gekannt hatten. Ein General von Klück beschaffte alles, „was die ganze eigenthümliche Uniform unseres Helden betraf“, wie es in Schadows Lebenserinnerungen heißt.
In Dessau studierte der Bildhauer Porträts von Leopold. Auf einem von Antoine Pesne ausgeführten Bildnis ist der Alte Dessauer in Uniform und „nicht zugeknöpfter Weste“ dargestellt. Die offene Weste zitiert Schadow in seinem Standbild des Fürsten.
Das am Reformationstag 1821 auf dem Marktplatz von Wittenberg enthüllte Denkmal Martin Luthers ist Schadows letztes Meisterwerk. Es hat eine lange Vorgeschichte. Ende 1805 gewann er unter 22 teilnehmenden Künstlern den ersten Preis des von der Königlich Preußischen Vaterländisch-Literarischen Gesellschaft der Grafschaft Mansfeld ausgerufenen Wettbewerbs für ein Denkmal Martin Luthers. Aus dieser Zeit datieren Rötelzeichnungen der Denkmalsfigur, die heute zum Besitz der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt gehören.
Goethe ließ sich nicht vermessen
Schadow war übrigens ein virtuoser Zeichner. Rund 2200 Blätter sind erhalten. Etwa die Hälfte wird in der Berliner Akademie der Künste aufbewahrt. Unter ihnen befinden sich auch Karikaturen. Zum Beispiel auf Napoleon. Durch den hatte sich die Verwirklichung der Ehrung des Reformators verzögert: „Das Denkmal des Doktor Martin Luther wurde damals plötzlich durch den Einfall der französischen Heere gehemmt“, so Schadow.
Nach den Befreiungskriegen sorgt König Friedrich Wilhelm III. für die Wiederbelebung des Denkmalsprojekts und bestimmte Wittenberg als Aufstellungsort. Von der Vaterländischen Gesellschaft übernahm der König die bereits für das Lutherdenkmal eingegangenen Spendengelder und schenkte ihr zum Dank die von Schadow geschaffenen überlebensgroßen Bronzebüsten Luthers und Melanchthons. Die Vaterländische Gesellschaft wiederum übergab die beiden Büsten 1820 der Andreaskirche von Eisleben, in der sie noch heute stehen. Der Kopf der Lutherbüste entspricht dem des Wittenberger Denkmals.
Entscheidende Anregungen für die Gestaltung der Ganzfigur erhielt Schadow von dem in der Cranach-Werkstatt 1546 gedruckten Riesenholzschnitt mit dem Titel „Wahrhafftige Bildnis des Ehrwirdigen Herrn Doctoris Martini Lutheri“ im Alter von 63 Jahren. Und so trägt auch die drei Meter hohe Wittenberger Kolossalfigur Luthers eine faltenreiche Schaube mit kurios langen und weiten Ärmeln.
Schadow entwarf rund 350 bildhauerische Werke: Reliefs und Standbilder, vor allem aber Büsten. Sie zeigen zum Beispiel den Dichter Wieland und den Schauspieler Iffland. Im Gegensatz zu den Prinzessinnen Luise und Friederike wollte sich Goethe nicht von Schadow vermessen lassen – und wurde trotzdem von ihm in Form einer Büste verewigt.
Ein guter Kunde war der spätere König von Bayern: Ludwig I. Er bestellte für seine „Walhalla“ getaufte künftige Ruhmeshalle berühmter Deutscher 14 Büsten. Sie stellen zum Beispiel Kaiser Otto I., Kopernikus, Leibniz, Kant und Klopstock dar. Um 1828 aber beendete Schadow mangels Aufträgen sein bildhauerisches Schaffen. Bis zum Lebensende blieb er jedoch als Zeichner, Schriftsteller und Lehrer tätig. Zu seinen Schülern zählten der mit zahlreichen Büsten in der Walhalla vertretene Christian Friedrich Tieck und Christian Daniel Rauch, der ihn von der Spitze der Berliner Bildhauerschule verdrängte.