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Dienstverpflichtung, Social-Media-Verbot oder gar Wahlrechtsentzug: Diskutanten überbieten sich in Vorschlägen, wie man die ältere Generation in die Mangel nehmen könnte
Während der Corona-Pandemie war es üblich, selbst unsinnige Maßnahme auch und gerade mit dem „Schutz der vulnerablen älteren Bevölkerung“ zu begründen. Heute hingegen scheint das Wohl der Älteren kaum noch ein Thema zu sein. Stattdessen überbieten sich vermeintliche Experten mit Vorschlägen, wie man den infolge der verfehlten Einwanderungs- und Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahrzehnte an den Rand des Kollapses geratenen Sozialstaat auf dem Rücken der Betagten sanieren könne.
Noch relativ harmlos kam die Idee einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe daher, den 861.000 Menschen mit dem Pflegegrad 1 die monatlichen Zuschüsse in Höhe von 131 Euro zu streichen, mit welchen deren Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit kompensiert werden sollen. Kritiker sahen darin eine Schnapsidee. Sie entgegneten, dass es in der Pflegeversicherung echte Reformen statt Kürzungen bei den Schwächsten brauche.
Dann machte der Vorwurf die Runde, Senioren „blockierten“ zu viel Wohnraum, den junge Familien dringend benötigten. Daraus zog Matthias Günther, Vorstand des Pestel-Instituts in Hannover, den Schluss: „Wer auf besonders vielen Quadratmetern wohnt, sollte auch mehr Steuern zahlen müssen.“ Weiter hieß es, ältere Menschen sollten Wohngemeinschaften mit Jüngeren bilden oder ihre Wohnungen oder Häuser ganz aufgeben, um sich räumlich zu verkleinern.
Noch rigider war der Aufruf des CDU-Kommunalpolitikers und Leiters des Seniorenzentrums Bethel in Bad Oeynhausen, Joachim Knollmann, die Zahl der Einzelzimmer in den Einrichtungen für Alte drastisch zu reduzieren: Es sei falsch, „aus funktionalen Pflegeheimen First-Class-Hotels machen zu wollen ... Wir müssen abspecken.“ Denn das bisherige System verursache zu hohe Kosten.
Entzug teurer Arzneien
Als finanziell unnötig aufwendig und damit verschwenderisch wird zudem die medizinische Versorgung der Rentner kritisiert. So fragte der Vorstandsvorsitzende der Sana Kliniken AG, Thomas Lemke, im September, „ob wir in jeder Lebensphase, wo die Menschen sind, und da rede ich jetzt auch 80 aufwärts sozusagen, diesen Menschen am Ende des Tages die vollumfängliche Medizin zukommen lassen“ müssten.
Konkret verwies Lemke dabei auf Implantate wie Hüft- und Kniegelenke. Trotz heftigen Widerspruchs, der unter anderem von der Deutschen Stiftung Patientenschutz kam, schlug jetzt kein Geringerer als der CDU-Gesundheitspolitiker und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Hendrik Streeck, in der Fernsehsendung „Meinungsfreiheit“ bei Welt TV in dieselbe Kerbe: „Es gibt einfach Phasen im Leben, wo man bestimmte Medikamente auch nicht mehr einfach so benutzen sollte.“ Dabei stieß Streeck sich vor allem am Einsatz teurer Arzneien.
Und auch sonst bietet das Fernsehen nun verstärkt Personen eine Bühne, deren Phantasien über den „angemessenen“ Umgang mit Älteren ziemlich robust daherkommen. Beispielsweise durfte der erst 25 Jahre alte „Content Creator“ Levi Penell in der ARD-Sendung „Hart aber Fair“ verbreiten: „Ich habe das Gefühl, dass Jugendliche häufiger in der Lage sind, zum Beispiel KI-generierte Inhalte von echten zu unterscheiden, als ältere Personen. In der Konsequenz, wenn wir der Argumentation folgen, würde ich sagen, müssen wir vielleicht auch mal über ein Social-Media-Verbot ab 60 diskutieren, oder für ältere Menschen.“ Den Vogel im Hinblick auf altenfeindliche Vorschläge schoss im Laufe dieses Jahres allerdings der Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, ab. Dabei rührt die Radikalität von dessen Wortmeldungen wohl auch daher, dass der frühere Berater des Bundeswirtschaftsministeriums anlässlich der Veröffentlichung seines neuesten Buches „Nach uns die Zukunft: Ein neuer Generationenvertrag für Freiheit, Sicherheit und Chancen“ mit aller Macht um Aufmerksamkeit buhlt.
Fratzscher fordert „Sonderabgabe“
So meinte Fratzscher im Podcast „Absolute Mehrheit“ des öffentlich-rechtlichen „Funk“-Netzwerks: „Wenn die Menschen in den ersten 18 Jahren nicht wählen dürfen, dann sollten sie in den letzten 18 Jahren ihres Lebens auch nicht wählen dürfen, sodass wir ein besseres Gleichgewicht zwischen Jung und Alt bekommen.“ Darüber hinaus machte der Präsident des mehrheitlich durch Bund und Länder finanzierten DIW die „Baby-Boomer“, also die zwischen 1955 und 1969 Geborenen, als Wurzel etlicher Übel aus. In seiner Kolumne in der „Zeit“ regte Fratzscher an, dass die Angehörigen dieser Generation „eine Sonderabgabe auf sämtliche Alterseinkommen“ in Höhe von zehn Prozent zahlen sollten, um zur „Finanzierung des demographischen Wandels“ beizutragen, den sie durch ihre geringe Kinderzahl selbst zu verantworten hätten.
Zusätzlich zum „Boomer-Soli“ verlangte Fratzscher im Interview mit dem „Spiegel“ außerdem noch „ein verpflichtendes soziales Jahr für alle Rentnerinnen und Rentner“, denn die ältere Generation müsse sich gesellschaftlich „stärker einbringen, beispielsweise im Sozialbereich, aber auch bei der Verteidigung“. All diese Vorschläge vergiften das ohnehin schon miserable gesellschaftliche Klima hierzulande, auch wenn sie – noch – keine Chance auf Realisierung haben. Denn sie schüren Ressentiments bei den Jüngeren und Ängste bei den Älteren. Außerdem wird die immer deutlicher zutage tretende Undankbarkeit gegenüber Senioren sicher gravierende Langzeitfolgen haben. Denn der klügere und damit meist auch tatkräftigere Teil der jüngeren Bevölkerung erkennt natürlich, dass ihm später die gleiche Verachtung droht – ganz abgesehen von der seitens der „Wirtschaftsweisen“ geforderten Verlängerung der Lebensarbeitszeit bis 73.
Eine Folge solcher Kampagnen könnte auch die weitere Abwanderung von Leistungsträgern sein. Ebenso droht die Verwilderung der Moral, welche sich in der zunehmenden Kaltherzigkeit gegenüber älteren Menschen äußert, den Zusammenhalt im deutschen Gemeinwesen noch weiter zu erschüttern.