08.09.2024

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Eine aufregende Reise in die gesprochene Vergangenheit

Faszinierende Vielfalt Preußischer Dialekte

Alt-, Neu-, Hoch- und Niederpreußisch mit dazu unzähligen Mundarten: Sprachen, die es zu bewahren gilt

Wolfgang Kaufmann
23.07.2024

Bevor der Deutsche Orden das heutige Ostpreußen eroberte, wurde in dem Gebiet zwischen der Weichsel und der Memel vorwiegend die altpreußische Sprache der Prußen gesprochen. Hierbei handelte es sich um ein relativ archaisches indogermanisches Idiom. Das Altpreußische kannte zwei Hauptdialekte, und zwar das Pomesanische und das Samländische. Mit der Assimilierung der Prußen starb deren Sprache bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts aus – Reste fanden sich später nur noch in vielen Orts- und Flurnamen in Ostpreußen sowie einigen Lehnwörtern, die ihren Weg ins Deutsche nahmen. Allerdings gab es seit den 1980er Jahren immer wieder Versuche, das Altpreußische wiederzubeleben. Darüber hinaus erlangte die verschwundene Sprache nach der Auflösung der Sowjetunion Ende 1991 kurzzeitig politische Bedeutung, als die Idee einer Baltischen Föderation zwischen Estland, Lettland und Litauen sowie dem Königsberger Gebiet aufkam und dabei auch die Frage der möglichen Amtssprachen diskutiert wurde.

Das Altprußische wurde ab dem 13. Jahrhundert von den zwei ostpreußischen Hauptdialekten verdrängt, nämlich dem Niederpreußischen und dem Hochpreußischen. Das Niederpreußische gelangte mit den Kolonisten ins Land, die aus heutigen Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt sowie Hinterpommern stammten. Es wies zahlreiche Unterdialekte auf, wie die im Bereich der Frischen Nehrung verbreitete Nehrungsmundart, das Natangisch-Bartische, welches zwischen dem Tal des Pregel, dem Frischen Haff und der ermländischen Nordostgrenze gesprochen wurde, die west- beziehungsweise ostsamländische Mundart, die Mundart des Ostgebietes zwischen der Memel und Masuren sowie das Käslausche. Wobei das Letztere nochmals drei verschiedene Varianten aufwies. Das waren die Mundart der Region um Braunsberg und Frauenburg sowie das Westkäslausche, das man insbesondere um Mehlsack herum hören konnte, und das Ostkäslausche, welches im Raum um Rößel und Bischofstein dominierte.

Wenn die Sprache konfessionell geprägt wird
Hochpreußisch wiederum sprachen die Nachkommen der thüringer und schlesischen Einwanderer, die vor allem im katholisch geprägten Ermland und dem ostpreußischen Oberland siedelten. Dabei kam es wie beim Niederpreußischen zu einer weiteren Ausdifferenzierung. Im mittleren Ermland verwendeten die Menschen in der Regel das Breslauische, wobei dessen Sprachinsel innerhalb eines Vierecks lag, das durch die Städte Wormditt, Heilsberg, Bischofsburg und Allenstein gebildet wurde und nahezu deckungsgleich mit dem Gebiet war, welches der Bischof des Ermlandes in den 1320er und 1330er Jahren kolonisieren ließ. Dahingegen überwog in den späteren Kreisen Preußisch Holland und Mohrungen sowie den westlich angrenzenden Landstrichen das Oberländische. Hier lebten viele Nachkommen von ursprünglich mitteldeutsch sprechenden Siedlern aus Thüringen, was vor allem auf das Wirken des Ordenskomturs Christburg Sieghard von Schwarzburg zurückgeht, dessen Geschlecht einst im Raum Saalfeld-Rudolstadt residierte.

Prägend war die Vorliebe für Verkleinerungssilben
Die geographische Trennlinie zwischen den beiden Unterdialekten des Hochpreußischen bildete der Fluss Passarge, während das Niederpreußische nördlich der sogenannten Benrather Linie gesprochen wurde. Diese zog sich in Ostpreußen von Deutsch Eylau nach Nordwesten in Richtung Marienwerder und dann im Großen und Ganzen von West nach Ost. Dabei bildete sie nach Ansicht vieler Linguisten die am schärfsten wahrnehmbare Sprachgrenze in ganz Deutschland vor 1945. Gleichzeitig gab es aber durchaus auch Gemeinsamkeiten in Phonetik, Grammatik und Wortschatz zwischen den beiden ostpreußischen Hauptidiomen nach dem Verschwinden des Altpreußischen. Dazu gehörten unter anderem die Vorliebe für Verkleinerungssilben oder umlautlose Verkleinerungsformen. Außerdem verdienen die diversen Lehnwörter aus dem Altpreußischen, Litauischen, Kurischen und Polnisch-Masurischen wie „Kujel“, „Lorbas“, „Marjell“, „Flins“ und „Schucke“ Erwähnung.

„Idioticon prussicum“ als erster Preußischer Duden
Infolge der Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen sind die dort bis 1945 gesprochenen Dialekte weitgehend ausgestorben und haben in der deutschen Alltagssprache von heute keine praktische Bedeutung mehr. Umso wichtiger ist es, dass Wörterbücher existieren, die den früheren Wortschatz der Menschen in Ostpreußen zumindest dokumentieren und für die Nachwelt festhalten. Das früheste dieser Werke namens „Idioticon prussicum“ erschien 1759 und wurde von dem Literaturwissenschaftler und Dichter Johann Georg Bock zusammengestellt. Den ersten Versuch, den gesamten Sprachreichtum der Ost- und Westpreußen zu erfassen, unternahm der Germanist Walther Ziesemer mit seinem zweibändigen „Preußischen Wörterbuch“, das 1939 beziehungsweise 1941 herauskam. 1952 wiederum begann dann Ziesemers letzter Assistent Erhard Riemann, die Arbeit seines akademischen Lehrers fortzusetzen. Im Ergebnis dessen entstand zwischen 1974 und 2005 ein neues sechsbändiges „Preußisches Wörterbuch“, welches nach Riemanns Tod im Jahre 1984 von Ulrich Tolksdorf weitergeführt und von Reinhard Goltz herausgegeben wurde.


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