21.09.2024

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Sicherheit

Feuerwehr etikettiert Ausnahmezustand um

Weil er viel zu häufig vorkommt, heißt er jetzt nur noch „Auslastungsstufe 3“

Hermann Müller
19.09.2024

Erleidet ein Mensch einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt, dann zählt bei der medizinischen Versorgung jede Minute. In der deutschen Hauptstadt haben Senat und Feuerwehr vereinbart, dass zwischen Notruf und Eintreffen eines Rettungswagens beim Patienten maximal zehn Minuten vergehen sollen. Allerdings fällt es der Feuerwehr immer schwerer, diesen Anspruch tatsächlich auch zu erfüllen. Die Leitstelle der Feuerwehr ist bedenklich oft gezwungen, für den medizinischen Rettungsdienst einen Ausnahmezustand zu erklären.

Zu diesem Schritt greift die Feuerwehr, wenn ihre 125 Rettungswagen zu 80 Prozent ausgelastet sind. Ist der Status „Ausnahmezustand“ erreicht, zieht die Feuerwehr Personal aus anderen Bereichen und Rettungswagen aus der Brandbekämpfung ab und versetzt sie kurzfristig zum Rettungsdienst, um dort die Lage wieder zu stabilisieren. Mittlerweile ist der Ausnahmezustand jedoch schon fast zum Alltag geworden. Nach Angaben von Berlins Landesbranddirektor Karsten Homrighausen wurde 2020 der Ausnahmezustand im Rettungsdienst 64 Mal verhängt, 2021 geschah dies bereits 178 Mal. 2022 und auch vergangenes Jahr musste fast jeden Tag, manchmal sogar zweimal am Tag, der Ausnahmezustand erklärt werden, weil zu wenige Rettungswagen verfügbar waren. Nach Informationen der „Berliner Zeitung“ war diese Notmaßnahme auch in der ersten Septemberwoche fast an jedem Tag notwendig.

Als einen Grund der prekären Lage nannte der Chef von Deutschlands größter kommunaler Feuerwehr im vergangenen Jahr unter anderem steigende Einsatzzahlen. Berichtet wird aber immer wieder auch über Personalausfälle durch Krankheit und steigende Zahlen von Fehlalarmen. Angriffe auf Rettungssanitäter und Sprachschwierigkeiten mit nicht-deutschsprechenden Patienten erschweren die Arbeit zusätzlich. Obendrein sind viele Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr überaltert, und Reservefahrzeuge sind kaum vorhanden. Zunehmend werden Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr auch durch Verkehrspoller behindert, die von Berliner Bezirken zum Aussperren von Durchgangsverkehr aus Wohnvierteln aufgestellt werden.

Senat lässt sich Zeit
Die Zustände im Rettungsdienst sind seit Jahren bekannt. Der Berliner Senat hat sich mit Gegenmaßnahmen dennoch viel Zeit gelassen. Das Abgeordnetenhaus hat sich erst im Frühjahr dieses Jahres auf eine Reform des Rettungsdienstgesetzes geeinigt. Und die Feuerwehr hat erst vor Kurzem ein neues Konzept für den Rettungsdienst beschlossen. Um Engpässe zu vermeiden, soll die Einsatzleitung früher als bisher reagieren, wenn sich die Lage zuspitzt.

Dazu will die Feuerwehr künftig mit drei „Auslastungsstufen“ arbeiten. In Stufe 1 will die Leitstelle bereits mit Maßnahmen reagieren, wenn von den 125 Rettungswagen nur noch rund 40 gleichzeitig frei sind. In dieser Stufe will die Feuerwehr Krankenhausverlegungen auf Patienten beschränken, die vital bedroht sind. Bei Stufe 2 sollen Fahrzeuge auch mit weniger hoch qualifizierten Rettungssanitätern besetzt werden. Die neue Auslastungsstufe 3 entspricht dem früheren Status des Ausnahmezustandes.


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