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Lockdown-Krise und EZB-Politik bieten Europas Befürwortern von Unternehmensverstaatlichungen völlig neue Möglichkeiten
Angesichts von Zentralbanken, welche die Zinssätze auf Null gesenkt haben und Billionen von Vermögenswerten zusammenkaufen, kam die Deutsche Bank Research Mitte April zu dem ernüchternden Befund, dass es „so etwas wie einen freien Markt nicht mehr gibt“. Nicht nur an den Finanzmärkten deuten die Zeichen auf mehr Staatswirtschaft hin. In der Corona-Krise kommt nun auf breiter Front in wichtigen europäischen Ländern das Thema Verstaatlichung von Unternehmen wieder auf die Tagesordnung.
Eine erste Verstaatlichungswelle könnte die derzeit besonders gebeutelte Luftfahrtbranche betreffen. Fast allen Fluggesellschaften ist das Geschäftsmodell weggebrochen. Bei vielen Regierungen existiert zudem noch immer ein Prestigedenken, dass das Land über einen sogenannten Flag Carrier oder National Carrier, eine mehr oder weniger staatsnahe nationale Fluggesellschaft, verfügen müsse.
Italiens Regierung hat inzwischen angekündigt, der seit Jahren in der Krise steckenden Alitalia mit einer weiteren halben Milliarde Euro unter die Arme greifen zu wollen. Zudem will die Regierung zur Rettung von Alitalia eine Gesellschaft gründen, die „vollständig vom Wirtschafts- und Finanzministerium oder von einer Gesellschaft, die sich mehrheitlich in öffentlichem Besitz befindet“, kontrolliert wird.
Der Lockdown setzt Airlines zu
Verkehrsministerin Paola De Micheli von der Partito Democratico (PD) sagte zu den Plänen, die faktisch auf eine Rückverstaatlichung hinauslaufen, die Corona-Krise habe die Regierung in der „Idee bestärkt, dass Alitalia ein nationales Unternehmen von strategischer Bedeutung“ für Italien sei.
Das Vorgehen Roms wird andere Unternehmen dazu veranlassen, ihrerseits nach dem Staat zu rufen. Mit dem Staat im Rücken hat Alitalia gegenüber Wettbewerbern nämlich den entscheidenden Vorteil, unkaputtbar zu sein, sich wegen der Finanzen keine Sorgen machen zu brauchen und vor allem nicht wirtschaftlich arbeiten zu müssen.
In Frankreich hat Wirtschaftsminister Bruno Le Maire bereits angekündigt, die Regierung werde „alle Mittel ergreifen, um große französische Unternehmen zu schützen“. Als Möglichkeiten nannte Le Maire staatliche Beteiligungen und „wenn nötig auch eine Verstaatlichung“.
Der Staatssekretär für Verkehr, Jean-Baptiste Djebbari, schloss einen noch stärkeren Einstieg des französischen Staates bei der Fluggesellschaft Air France-KLM explizit nicht aus. „In Krisenzeiten müssen wir über alle Mittel und Instrumente der öffentlichen Intervention verfügen, einschließlich diesem“, erklärte der Spitzenbeamte.
Und in Deutschland stehen im sogenannten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), den die Bundesregierung mit einem Umfang von 600 Milliarden Euro auf den Weg gebracht hat, allein für direkte staatliche Beteiligungen 100 Milliarden Euro bereit. Weitere 100 Milliarden Euro sind für die Refinanzierung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die restlichen 400 Milliarden Euro für Staatsgarantien für Verbindlichkeiten.
Die EU-Kommission steht den europaweit aufkommenden Plänen für eine größere Rolle des Staates in der Wirtschaft derzeit kaum im Wege. Zwar waren bislang in der EU wegen strikter Wettbewerbsregeln Verstaatlichungen nur eingeschränkt erlaubt, aber unter Hinweis auf die Corona-Krise sollen diese Regeln nun gelockert werden. Nicht einmal seitens der Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager von der dänischen linksliberalen Partei Radikale Venstre (RV, Radikale Linke) ist derzeit Widerstand zu erwarten.
EU macht den Weg frei
Zwar eilte der 52-jährigen geschäftsführenden Vizepräsidentin der EU-Kommission zumindest bislang der Ruf eines „Konzernschrecks“ voraus, aber aktuell steht sie für eine großzügige Auslegung von Regeln, damit die EU-Mitgliedsstaaten ihre Unternehmen auch ganz direkt finanziell unterstützen können.
Unter normalen Umständen würde der Verstaatlichungstrend durch die begrenzten finanziellen Ressourcen der Staaten gebremst. Die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgen in der Eurozone jedoch für eine gesicherte Refinanzierung von Staatsschulden und senken zugleich die Finanzierungskosten.
Kritiker wie etwa der Berliner Finanzwissenschaftler Markus C. Kerber sehen schon in den bisherigen Anleihekäufen der EZB eine verdeckte Form der eigentlich verbotenen Staatsfinanzierung. Ungeachtet dessen hat die EZB vor einigen Wochen ein Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP, Pandemie-Notfallkaufprogramm) beschlossen, das weitere Anleihekaufprogramm im Volumen von 750 Milliarden Euro vorsieht.
Inzwischen hat die EZB obendrein beschlossen, selbst sogenannte Schrottanleihen anzukaufen. Das ermöglicht gerade angeschlagene Staaten der Eurozone wie der Italienischen Republik oder dem Königreich Spanien völlig neue Möglichkeiten des Schuldenmachens und des unternehmerischen Engagements.