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Millionen Jahre vor der Entstehung des Homo sapiens fertigten unsere Vorfahren Hilfsgeräte an. Doch noch ist offen, welches Steinwerkzeug das älteste ist – und welche Frühmenschenart es schuf
Die vermutlich ältesten aufrecht gehenden Vorfahren des Homo sapiens, der Sahelanthropus und der Ardipithecus, lebten vor rund sechs bis sieben Millionen Jahren. Überreste des Ersteren fanden sich an der Grabungsstelle von Toros-Menalla in der Djurab-Wüste nördlich des Tschad-Sees im Herzen von Afrika. Hier entdeckte Ahounta Djimdoumalbaye vom Centre National d'Appui à la Recherche in N'Djaména am 19. Juli 2001 einen vermutlich sieben Millionen Jahre alten Schädel. Noch älter könnten Fragmente eines Graecopithecus gewesen sein, deren Überreste von Experten auf die Zeit vor 7,2 Millionen Jahren datiert werden.
Die Schädel bestehen allerdings nur aus einem weitgehend zerstörten Unterkiefer, der 1944 beim Bunkerbau in Pyrgos Vasilissis unweit von Athen zum Vorschein kam, sowie einem einzelnen Zahn, den man 2012 im Azmaka-Steinbruch in Bulgarien fand. Eindeutig jünger ist dagegen das 2001 ausgegrabene und von Yohannes Haile-Selassie analysierte Unterkieferfragment eines Ardipithecus. Das stammt aus der Afar-Senke im Norden Äthiopiens und hat ein Alter von knapp sechs Millionen Jahren.
Auf die frühen Vertreter der menschenartigen Hominini folgte vor rund vier Millionen Jahren die Gattung Australopithecus, deren Auftreten nur auf Afrika beschränkt war. Daraus wiederum entwickelte sich rund eine Million Jahre später die Gattung Homo. Als wichtigste Kennzeichen dieses Entwicklungssprunges gelten die drei statt zwei mehrwurzeligen Zähne im hinteren Bereich des Kiefers sowie ein Hirnvolumen von mehr als 700 Kubikzentimetern.
Mehr als drei Millionen Jahre
Der Australopithecus und dessen direkte Nachfahren standen aufgrund ökologischer Umwälzungen vor vielfältigen neuen Herausforderungen: Durch die Verschiebung der Erdplatten wurde das Klima in Zentral- und Ostafrika trockener, außerdem gab es verstärkte vulkanische Aktivitäten. Das bewirkte Veränderungen bei der Flora und Fauna, welche zu einem erhöhten Anpassungsdruck führten. Eine Folge davon war die Herstellung und Nutzung von ersten Werkzeugen aus Stein zur Bearbeitung von Tierkadavern, deren Fundstellen dann auch die ältesten archäologischen Stätten auf der Erde bilden. Dabei entbrannte immer wieder Streit um die korrekte Datierung und Zuordnung zu den verschiedenen Vorläufern des Homo sapiens.
Zunächst hieß es, die Werkzeuge der Oldowan-Kultur aus Gona nördlich des Flusses Awash in der äthiopischen Afar-Senke seien die ersten Artefakte der Weltgeschichte gewesen. Deren Entdeckung erfolgte zwischen 1992 und 1994 durch US-amerikanische Anthropologen um Sileshi Semaw von der Rutgers University in New Brunswick. Anschließend wurden die aus Geröllkieseln gefertigten Abschlagwerkzeuge mit einseitig bearbeiteten Kanten mittels der Kalium-Argon-Methode auf ein Alter von bis zu 2,6 Millionen Jahren datiert. Als Produzenten der einfachen Artefakte vermuteten die Forscher zunächst Frühmenschen der Arten Homo rudolfensis, Homo habilis und Homo erectus, später dann zusätzlich auch den Australopithecus.
2013 und 2017 führten die Funde von Ledi-Geraru in Äthiopien und Nyayanga in Kenia jedoch dazu, dass Gona nicht mehr als die konkurrenzlos älteste archäologische Stätte unseres Planeten gilt. Am Standort Bokol-Dora im Gebiet der beiden Flüsse Ledi und Geraru förderte ein internationales Forscherteam unter David Braun von der Washington University ebenfalls 2,6 Millionen Jahre alte Steinwerkzeuge zutage. Und in Nyayanga an der Westküste der Halbinsel Homa im Victoria-See gruben Archäologen 330 Steingeräte vom Oldowan-Typ aus Quarzit und Granit aus, deren Alter später von Wissenschaftlern um Thomas Plummer vom National Museum of Natural History in Washington auf 2,9 und 3,2 Millionen Jahre geschätzt wurde.
Und wenn es bloß Steine sind?
Aufgrund des parallelen Fundes von gleichaltrigen Überresten des Paranthropus aethiopicus sowie des Fossils LD 350-1 kommen unterschiedliche Vormenschen als Hersteller der Werkzeuge infrage, wobei im Falle von LD 350-1 keine eindeutige Zuordnung zu einer Art erfolgen kann. Aber die archäologische Stätte von Nyayanga ist wohl ebenfalls nicht die älteste. Diese Ehre gebührt nach jetzigem Stand der Wissenschaft dem Ausgrabungsplatz Lomekwi 3 auf einem flachen Hügel am Westufer des Turkana-Sees in Kenia. Hier liegen 3,3 Millionen Jahre alte Sedimente, die ebenfalls Steinwerkzeuge enthalten. 19 davon bargen Forscher aus den USA, Frankreich und Kenia unter der Leitung von Sonia Harmand und Jason Lewis vom West Turkana Archaeological Project in der Zeit bis 2015.
Dabei erwies sich, dass ihre Form archaischer und primitiver ist als die der vermeintlich ersten Steingeräte der Welt vom Oldowan-Typ. Sie wirken deutlicher massiver und wurden offenbar auch mit weniger gezielten Schlägen hergestellt. Das auffälligste Stück von 15 Kilogramm Gewicht mutet wie ein überdimensionales Schneidebrett an.
Auch in diesem Falle steht wieder die Frage nach den Schöpfern der Artefakte. In Betracht kommen dabei vor allem der Australopithecus afarensis, dessen Geschichte bis in die Zeit vor rund vier Millionen Jahren zurückreicht, und der Kenyanthropus, der vor 3,5 Millionen Jahren auf der Bildfläche erschien. Schädelfragmente des Letzteren wurden bereits 1998/99 von den kenianischen Forschern Justus Erus und Blasto Onyango in Lomekwi ausgegraben.
Allerdings bezweifeln manche Prähistoriker und Anthropologen, dass die Funde vom Ufer des Turkana-Sees tatsächlich Werkzeuge gewesen seien: Was, wenn es sich hier nur um zufällig zersplitterte Steine handelt? Daraus entstand eine Debatte, in die Zeresenay Alemseged von der University of Chicago und dessen Kollegen schließlich ein Argument einbrachten, das dem Ganzen noch eine weitere Wende verleihen könnte. Sie gaben an, im äthiopischen Dikika Hinweise darauf gefunden zu haben, dass Vertreter der Vormenschenart Australopithecus afarensis schon vor 3,4 Millionen Jahren mit scharfkantigen Steinen Fleisch von Tierknochen schabten.