21.09.2025

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Krise

Frankreich aktuell der kranke Mann Europas

Trotz Neuernennung von Sébastien Lecornu zum Regierungschef ist Präsident Macron extrem geschwächt

Peter Entinger
21.09.2025

Nach nur neun Monaten ist Frankreichs Premierminister François Bayrou mit seinem Mitte-Rechts-Kabinett gescheitert. Damit musste der sechste Premier unter Präsident Macron seinen Rücktritt einreichen. Macron reagierte umgehend und ernannte Verteidigungsminister Sébastien Lecornu zum neuen Regierungschef. Eine Auflösung der Nationalversammlung vermied er, denn Neuwahlen könnten Marine Le Pens Rassemblement National (RN) oder das Linksbündnis in die Nähe der Macht bringen. So versucht er, mit einem weiteren Regierungswechsel Zeit zu gewinnen. Doch seine Handlungsfähigkeit ist bereits stark eingeschränkt.

Bayrous Vertrauensfrage war ein verzweifelter Versuch, Unterstützung für einen harten Sparkurs zu erzwingen. Frankreich ist mit rund 3,3 Billionen Euro (114 Prozent des BIP) hoch verschuldet. „Frankreich hat seit 51 Jahren keinen ausgeglichenen Haushalt mehr“, klagte Bayrou. Sein Sparhaushalt sah Kürzungen von fast 44 Milliarden Euro vor, unter anderem sollten Feiertage gestrichen werden. Doch dieser rigorose Kurs brachte eine Mehrheit der Franzosen gegen ihn auf. Protestaufrufe kursierten seit Wochen, erneut mischte sich in Paris der Geruch von Tränengas unter die Abendluft. Internationale Beobachter sprechen von einer Krise historischen Ausmaßes, manche nennen Frankreich bereits den „kranken Mann Europas“.

Während Macron innenpolitisch auf den letzten Metern seiner Amtszeit taumelt, verliert er auch außenpolitisch an Gewicht. Sein Anspruch, Frankreich als Führungsmacht zu positionieren, verblasst im Schatten der inneren Krise. Zwar engagiert sich Paris weiterhin in der Ukraine-Frage, doch Macrons Stimme wird leiser. Die Außenpolitik leidet unter dem Eindruck, dass die Grande Nation nicht mehr in der Lage ist, ihre Rolle als Ordnungsmacht wahrzunehmen.

Profiteur der Misere ist das Rassemblement National. Parteichef Jordan Bardella fordert Neuwahlen und spricht vom Ende von Macron. Doch dieser setzt auf einen weiteren technokratischen Regierungschef, was als bloße Verzögerungstaktik gewertet wird. Ob Lecornu die Wogen glätten kann, ist fraglich. Die nächsten Monate versprechen Spannungen zwischen Straße und Regierung.

Über den Triumphhoffnungen des RN liegt aber nach wie vor ein Schatten. Le Pen wurde bekanntermaßen wegen Veruntreuung von EU-Parlamentsgeldern verurteilt und darf fünf Jahre lang kein Amt bekleiden, also auch nicht 2027 für das Präsidentenamt kandidieren. Sie hat Berufung eingelegt, diese wird im kommenden Januar beginnen. Es ist schwer absehbar, wie lange der Prozess dauern wird. Nun droht ein Wahlkampf mit Unwägbarkeiten. Viele Anhänger glauben ohnehin, dass alles getan werde, um die Partei vom Machtantritt fernzuhalten. Das könnte die Märtyrerrolle stärken.

Trotz der juristischen Bürde bleibt der Aufstieg des RN in den Umfragen ungebremst. Angetrieben von Unzufriedenheit mit Macron und dem Ruf nach einem politischen Neuanfang steht Le Pens Partei bereit. Die Justizfrage ist jedoch der große Unsicherheitsfaktor auf ihrem Weg an die Macht.


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