24.04.2025

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Wirtschaftsklima

Freiberufler in Existenzfalle

Arbeit auf Honorarbasis wird von Deutscher Rentenversicherung zunehmend unmöglich gemacht

Peter Entinger
13.04.2025

Lange Zeit war es eine beliebte Praxis, Menschen auf Honorarbasis zu beschäftigen. Doch in Zeiten ausufernder Bürokratie wird dies in Deutschland immer schwieriger. Dabei gibt es kaum eine Branche, die von den Problemen verschont bleibt. Egal, ob Journalist, Moderator, Fitnesslehrer oder Busfahrer: Immer öfter unterstellt die Deutsche Rentenversicherung bei Betriebsprüfungen eine angebliche Scheinselbstständigkeit. Und immer häufiger geben Sozialgerichte dieser Annahme auch noch Recht.

Scheinselbstständigkeit entsteht, wenn Personen formal als Selbstständige auftreten, faktisch jedoch abhängig beschäftigt sind. Das hat gravierende Folgen: Die Auftraggeber müssen Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen – für das laufende Jahr und bis zu vier Jahre. Wird ihnen sogar Vorsatz nachgewiesen, wird auf 30 Jahre gerechnet. Teilweise kommen auf diesem Weg bis zu mehreren Zehntausend Euro zusammen.

Teil der Leistungskette
Und auch für Auftragnehmer wird es teuer. Denn beide Seiten müssen Lohnsteuer nachzahlen. Bei Vorsatz des Auftraggebers kann dies sogar als Straftat bewertet werden. Es drohen Geld- oder Gefängnisstrafen. Stark betroffen ist die Medienbranche. Viele Verlage haben versucht, Tarifverträge zu unterlaufen, indem „feste Freie“ engagiert wurden. Wenn man aber als Texter oder Redakteur von nur einem Auftraggeber wirtschaftlich abhängig ist, weisungsgebunden für ihn arbeitet und dort in interne Prozesse eingebunden ist und nicht selbst als Unternehmer auftritt, sprechen diese Faktoren für eine Scheinselbstständigkeit.

Und die Urteile werden immer weitgehender. Sind diese wirtschaftlichen Abhängigkeiten noch plausibel, gibt es Fälle, die mittlerweile sogar Juristen ratlos zurück lassen. „Für das Bundessozialgericht etwa ist es mittlerweile nicht mehr entscheidend, wie und mit welcher Frequenz jemand in einen Betrieb eingebunden ist, sondern ob man in irgendeiner Form Teil der Leistungskette ist“, zitiert der „Spiegel“ einen Arbeitsrechtler. Sogar Klempner, die häufiger von einem Auftraggeber zu einem Einsatz geschickt werden, würden so als scheinselbstständig eingestuft. Selbst wenn die Deutsche Rentenversicherung bei einer Betriebsprüfung die Selbstständigkeit bestätigt, können Rentenversicherungsbeiträge fällig werden.

In der Medienbranche geht daher seit Jahren die Angst um. Teilweise wenden sich auch „feste Freie“, die vergeblich auf eine Redakteursstelle gehofft haben, anonym an die Behörden. In Köln machte vor Jahren ein „Whistleblower“ von sich reden, der dem Zoll eine Liste von mehr als einhundert Journalisten zuspielte, die bei regionalen Medien „scheinselbstständig“ beschäftigt waren. In der Folge mussten viele Medienleute viel Geld nachzahlen – Auftraggeber und Auftragnehmer.

Der Bielefelder Arbeitsrechtler Ralf Leiner formulierte es im Gespräch mit dem „Spiegel“ drastisch. „Für Unternehmen ist es mittlerweile ein unkalkulierbares Risiko, Freiberufler zu engagieren – es ist in diesem Land nahezu unmöglich, noch irgendwie rechtssicher auf Honorarbasis zu arbeiten.“


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