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Das Essener Folkwang-Museum wird dieses Jahr 100 Jahre alt. Aber eigentlich ist es 20 Jahre älter und hat seine Wurzeln in Hagen
In diesem Jahr blickt das Folkwang-Museum in Essen auf eine 100-jährige Geschichte zurück. Tatsächlich ist das Folkwang-Museum aber bereits 120 Jahre alt. Karl Ernst Osthaus, ein betuchter Bankiers- und Industriellen-Sohn, gründete es nämlich bereits im Jahr 1902 – allerdings nicht in Essen, sondern in der Industriestadt Hagen in Westfalen.
Karl Ernst Osthaus (1874–1921) war gerade mal 28 Jahre alt, als er im Juli 1902, nach dreijähriger Bauzeit, das Folkwang- Museum in seiner Heimatstadt Hagen eröffnete. Im gleichen Jahr starb sein Vater, und der Halbwaise – die Mutter starb bei seiner Geburt – wurde zum Vollwaisen. Eine Kunstsammlung aufbauen und dann auch noch ein Museum gründen war dem jungen Studenten nur möglich, weil er 1896 nach dem Tod seiner Großeltern drei Millionen Mark geerbt hatte. Heutiger Wert: rund 60 Millionen Euro.
Ein Besuch im Kopenhagener Thorwaldsen Museum animierte ihn, Kunstgeschichte zu studieren. Das tat er in Berlin, Straßburg und Wien. In Bonn besuchte er zudem zwei Semester lang naturwissenschaftliche Vorlesungen. Zwischendurch immer wieder Reisen, nach Dänemark, Russland, Österreich-Ungarn, Griechenland bis hin nach Nordafrika und in den Orient. Einen Studienabschluss hatte er deswegen verschoben.
Durch das stattliche Erbe wohlhabend geworden, erwarb Osthaus 1897 von Düsseldorfer Künstlern erste Bilder für seinen großen Plan: ein Museum in seiner Heimatstadt Hagen. So etwas gab es in der Industrie- und Arbeiterstadt am südöstlichen Rand des Ruhrgebiets bis dato nicht. Stattdessen „rauchende Schlote“ der vorherrschenden Kohle- und Stahlindustrie, viel „Maloche“ und wenig Kultur.
Der junge, vermögende Kunstmäzen wollte die öde Industrieregion mit Kunst und Kultur beleben. Das geplante Museum sollte Begegnungen mit den Schönen Künsten ermöglichen, ein Treffpunkt sein für Bürger jeden Standes. Eine durchaus ungewöhnliche, vielleicht schon revolutionäre Idee im ausgehenden 19. Jahrhundert. Nicht weniger Aufsehen erregend war wohl auch eine Aussage von Osthaus, dass „ohne die Mitwirkung der Kunst ...die wichtigsten Fragen des Lebens unlösbar“ seien.
Die Göttin der Schönheit
Den Namen Folkwang fand Osthaus in der altnordischen Mythologie. Dort wird die Heimstätte von Freya, der germanischen Göttin der Schönheit und der Liebe, Folkwang genannt. „Folkwang“, sagte Osthaus, „ist die Einheit aller Künste.“
Den Architekten seines Vertrauens fand der Mäzen in Carl Gerard aus Berlin. 1899 begannen die Bauarbeiten für das Museum nahe der Innenstadt von Hagen. Um die Innenausstattung kümmerte sich ab 1900 der belgische Künstler Henry van de Velde, den Osthaus ein Jahr zuvor in München kennengelernt hatte. Am 9. Juli 1902 wurde das Folkwang-Museum in Hagen als weltweit erstes Museum für zeitgenössische, das heißt moderne, Kunst eröffnet.
Osthaus erwarb in den folgenden Jahren Kunstwerke vor allem der Expressionisten, die damals noch nicht en vogue waren und in deutschen Museen wenig bis gar nicht gezeigt wurden. Bilder von Gauguin, Munch, Rousseau, Nolde, Kirchner und vielen anderen Künstlern kommen nach Hagen. Die Stadt am Rande des Ruhrgebiets wird zu einem Eldorado der Kunst – und der Künstler. Denn Osthaus stiftete 1909 mit der Gartenstadt Hohenhagen sogar eine ganze Künstlerkolonie, in der sich befreundete Künstler niederlassen konnten.
Für sich und seine Familie – Osthaus hatte 1899 Gertrud Colsmann geheiratet, mit der er fünf Kinder hatte – ließ er 1908 den Hohenhof erbauen. Die künstlerisch ausgestatte, prächtige Villa hatte allen Komfort, der um die Jahrhundertwende selten war. Heute gehört das Haus als Außenstelle zum Osthaus-Museum Hagen. Das Konzept beziehungsweise die Idee, Kunst und Leben miteinander zu verbinden, realisierte Osthaus auch in der Gründung der Folkwang-Malschule und der Folkwangschule für Gestaltung. Im extra gegründeten Folkwang-Verlag konnten Künstler publizieren.
Bis zu seinem Tod im Jahr 1921 sammelte und versammelte Osthaus Kunstwerke und Künstler im Folkwang-Museum Hagen. So etwa zog der aus Weimar stammende Landschaftsmaler Christian Rohlfs 1901 nach Hagen um und blieb dort bis zu seinem Tod im Jahr 1938.
Als Essen die Hagener überbot
Als Soldat hatte Osthaus sich 1916, im Ersten Weltkrieg, eine Kehlkopftuberkulose zugezogen. An den Folgen starb er am 27. März 1921 in Meran in Südtirol. In seinem Testament hatte er bestimmt, dass die Kunstsammlung verkauft werden solle, um damit den Lebensstandard seiner Familie sicherzustellen.
Die Stadt Hagen konnte zehn Millionen Mark bieten. Die (an „Kohle“ reiche) Stadt Essen bot 15 Millionen Mark und erhielt 1922 den Zuschlag. Fast die komplette Sammlung moderner Kunst und die „Folkwang“-Namensrechte wanderten von Hagen nach Essen. Die Begriffe Folkwang und Hagen gehörten seitdem nicht mehr zusammen.
Das der Familie Osthaus gehörende Museumsgebäude wurde an ein Energieunternehmen verkauft. Erst 1955 konnte die Stadt Hagen es erwerben. Hier entstand schließlich das Karl-Ernst-Osthaus-Museum Hagen, das vor allem mit Werken von Christian Rohlfs ausgestattet war und eine neue Sammlung aufbaute.
Seit 2009 firmiert das Hagener Museum unter dem Namen Osthaus-Museum Hagen. Außenstelle ist die ehemalige Osthaus-Villa Hohenhof. Zusammen mit dem unmittelbar benachbarten Emil-Schumacher-Museum gehört es zum Kunstquartier Hagen.
• Sonderausstellung Aktuell läuft im Osthaus-Museum, Hochstraße 73 in 58095 Hagen, bis 24. April „Exposed – Aufrichtige Portraits“ mit 180 Fotografien des kanadischen Musikers und Komponisten Bryan Adams, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr, Eintritt: 7 Euro Internet: kultur@stadt-hagen.de