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Adolf von Thadden-Trieglaff (1796–1892): Er fürchtete, „dass uns einmal das Christentum wie ein Aal durch die Hände schlüpfen werde“
Foto: ArchivAdolf von Thadden-Trieglaff (1796–1892): Er fürchtete, „dass uns einmal das Christentum wie ein Aal durch die Hände schlüpfen werde“

Glaube

Frischer Geist aus der Predigtstube

Zwischen Religion und Politik: Adolf von Thadden-Trieglaff und die pommersche Erweckungsbewegung

Torsten Seegert
26.01.2025

Es mag zu den historischen Zufällen gehören, dass ausgerechnet ein nach der slawischen Gottheit Trieglaff benanntes Dorf, in dem man einst ein Götzenbild vor den christlichen Missionaren versteckt haben soll, zum Zentrum einer christlichen Erweckungsbewegung wurde. Trieglaff [Trzygłów] gehörte einst zum Landkreis Greifenberg. Der Flecken verband sich seit 1819 mit Adolf von Thadden (1796–1882), der das Rittergut von der Familie seines Schwiegervaters erworben hatte und damit den Grundstein für weitere fünf Generationen legen sollte. Besagter von Thadden hatte Henriette von Oertzen geheiratet.

Schon früh war er dem Geist des Pietismus zugetan und verhalf ihm in der tiefsten Provinz, etwa 100 Kilometer von Stettin entfernt, zu einer „starken Wirkung“. So jedenfalls können wir es von einem Nachgeborenen – dem Historiker Rudolf von Thadden – in seinem Buch „Trieglaff“ erfahren. Doch vergessen wir dabei nicht, dass all sein Wirken für den Glauben einer Grundlage bedurfte.

Heute wissen wir, dass das Rittergut Trieglaff samt dem Vorwerk Gruchow sowie Vahnerow zum Beginn seines Lebenswerkes in keinem guten Zustand war. Nach den Napoleonischen Kriegen begann eine Nachkriegszeit, die von schwierigen staatlichen Rahmenbedingungen und Umsetzungsproblemen der „Regulierungsedikte“ von Stein und Hardenberg, begründet war.

Thadden selbst war auf die Übernahme vorbereitet. Er hatte bei dem führenden Agrarökonomen Albrecht Thaer das Wesen der „rationellen Landwirtschaft“ erlernt. Dieses Wissen wiederum versetzte ihn in die Lage zu erkennen, dass seine neuen Besitzstände zunächst einer Neuordnung bedurften. Dabei vergaß er aber auch die Fürsorge für „seine Leute“ nie. Von Thadden sagte: „Es ist nicht gut, wenn die Tagelöhner und Dienstleute so stehen, dass sie nur einen Fuß im Lande und einen auf der Grenze haben.“

Sein Ideal beschrieb er so: „Der Umgang mit der Natur, der Landwirtschaft, spricht mich am meisten an. Wie herrlich denke ich mir einen Gutsbesitzer, der ein kleiner König seines Dorfes ist, im Frieden der Vater, im Kriege der Anführer, in der Not der treueste Freund seines Völkchens, dazu ein holdes Weib, die Königin und Mutter des Dorfes.“

Doch zurück zum Glauben: Zu jener Zeit gab es unterschiedliche evangelische Lehrmeinungen. Streng orthodoxe Lehrmeinungen schlossen sich von ihr aus – es entstanden altlutherische Gemeinden, wodurch das kirchliche Leben an religiöser Tiefe gewann. Die pommersche Erweckungsbewegung wird dabei als eine pietistische, schwärmerisch-religiöse Bewegung beschrieben. Man traf sich zunächst in einem dreifenstrigen Zimmer zu ebener Erde – von Thadden nannte dieses „der Puritaner dumpfe Predigtstube“. Es lag nach dem Hof heraus. Und hier nun hielt man die Andachten ab, die schon bald den Argwohn des Ortspfarrers Winkelsesser weckten. Für ihn gehörten Gottesdienste in die Kirche. Der Konflikt war bereitet und wurde stetig befeuert.

Es waren bunte Zeiten ...

Ortsfremde Geistliche kamen, später erbat man Ausnahmegenehmigungen für die Taufe von Kindern, so auch für von Thaddens erste Tochter Marie oder dem Kind des Schäfers Friedrich Wangerin. Der Konflikt schwoll immer weiter. Dann, als 1825 der Ortspfarrer starb, nahm dieser eine weitere Stufe: Zur Regelung der Nachfolge wollte von Thadden nun das Patronatsrecht in Anspruch nehmen.

Diese Aktion musste allerdings vertagt werden, und da es keine Einigung mit der Kirche gab, blieb die Stelle des Ortspastors auf weitere Jahre unbesetzt. Außerdem wurden alle Hausandachten und christlichen Zusammenkünfte verboten, später sogar Strafen dafür verfügt. Doch statt der Strafe von fünf Talern brachte von Thadden einen Hammel auf die Polizeistation in Greifenberg. Es waren bunte Zeiten.

Mit der Einsetzung des Pastors Dummert setzte sich der Rittergutsbesitzer erst einmal durch. Dummert nahm selbst an den Hausandachten teil. Der Konflikt mit der Landeskirche aber blieb, auch weil von Thadden nun pommersche Geistliche zu den „Trieglaffer Konferenzen“ einlud. Auf diesen ersten Konferenzen zum Pietismus in Preußen beriet man sich zu Fragen des kirchlichen Lebens.

Nachdem immer mehr Gäste die Konferenzen besuchten, wurde der Bau eines Saales auf der Seeseite des Herrenhauses notwendig und durchgeführt. Was von Thadden jedoch mehr umtrieb, war die Abspaltung der überzeugten Lutheraner von der Landeskirche und die Verfolgung ausgetretener Pastoren und Laien, und das schrieb er auch dem pommerschen Bischof und Generalsuperintendenten Ritschl.

Doch der hatte kein Verständnis. Und die Abspaltungen waren längst greifbar: Unter den Tagelöhnern in den Kreisen Cammin und Greifenberg machte sich der Gedanke breit, auszuwandern – aus Glaubensgründen und aus wirtschaftlichen Gründen, weil sie kein eigenes Land erwerben konnten. Das hatte Folgen für die Gutsbetriebe und für die Erweckungsbewegung. Es war ein Aderlass.

Von Trieglaffs Glaubenskreis zog aber auch viele Persönlichkeiten an: So den Appellationsgerichts-Präsidenten Ludwig von Gerlach, den damaligen Landrat Hans von Kleist-Retzow, den General Leopold von Gerlach, den Landwirt und Politiker Alexander Andrae (der auch für die Innere Mission Pommerns wirkte) und den Missionsdirektor Wangemann.

Bismarck, der hier ein gottesgläubiger Christ geworden sein soll, wurde 1842 in das Trieglaffer Haus eingeführt. Schon früh fiel der redegewandte Mann auf, der nur etwa zehn Kilometer entfernt den Kniep­hof bewirtschaftete. Seine Lebensliebe war wohl von Thaddens Tochter Marie. Sie blieb wohl nicht ohne Wirkung auf sein Bild von Trieglaff: „Ich fühlte mich bald heimisch in jenem Kreise und empfand ein Wohlsein, wie es mir bisher fremd gewesen war, ein Familienleben, das mich einschloss, fast eine Heimat.“

Von Bedeutung für Bismarck und die Familie von Thadden wurde allerdings der 4. Oktober 1844: An diesem Tag heiratete von Thaddens Tochter Marie Bismarcks Mitschüler von Blanckenburg. Bismarck lernte an diesem Tag Maries vertrauteste Freundin, Johanna von Puttkamer, kennen. Doch das Feuerwerk geriet bei der Feier außer Kontrolle und sollte halb Trieglaff in Schutt und Asche legen. Diese sogenannten „Feuerhochzeit“ änderte vieles in Trieglaff: Die Familie von Thadden wurde ab 1846 von einer Reihe tragischer Todesfälle heimgesucht. Zunächst starb der 13-jährige Sohn Adolph an einem tückischen Fieber, dann wurde auch Henriette, die Mutter, die alles zusammenhielt, und schließlich Marie vom Tod heimgesucht. Das Herrenhaus war leer.

Schicksalsschläge in der Familie

Nachfolgend, von 1847 bis 1848, war von Thadden auch politisch aktiv. Er verstand sich als Konservativer. Seine Ansichten veröffentlichte er in Zeitungen. Er polarisierte, wurde gehasst, geliebt, bewundert und verhöhnt – sein Name war zu jener Zeit in aller Munde. Bismarcks Entwicklung zum Realpolitiker stand er allerdings ablehnend gegenüber.

Als dieser 1876 wegen der Angriffe auf seine Person aufrief, die „Kreuzzeitung“ zu boykottieren, distanzierten sich viele Konservative von Bismarck und seiner Politik mit einem Aufruf. Von Thadden war dessen letzter Unterzeichner „mit tiefem Schmerz“.

Zeit seines Lebens und mit Überzeugung für die lutherische Konfession eintretend, sprach er die mahnenden Worte, gleich einer Ahnung: „Wir fürchten, dass uns in der mürben Kirche einmal das ganze Christentum wie ein Aal durch die Hand schlüpfen werde, darum lieben wir den alten lutherischen Dom mit seinen Zacken und Spitzen, darum schätzen wir das alte konkrete Bekenntnis gegenüber einem blauen Dunst, von dem man nicht weiß, was daraus wird.“


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