07.11.2025

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Umweltverschmutzung

Ganze „Kontinente“ aus Müll bedrohen das Leben in unseren Meeren

Plastikabfall in unvorstellbaren Mengen: Schon die sichtbaren Abfallteppiche erscheinen gigantisch. Doch unter der Oberfläche der Ozeane sammeln sich noch viel größere Kunststoffmassen

Wolfgang Kaufmann
22.09.2025

Auf dem Heimweg von der Transpazifik-Regatta von Los Angeles nach Hawaii machte der US-amerikanische Segler Charles Moore 1997 eine schockierende Entdeckung: „Als ich auf die Oberfläche des vermeintlich unberührten Ozeans blickte, sah ich, soweit das Auge reichte, Plastik. Es schien unglaublich, aber ich fand keine freie Stelle. Eine Woche lang schwammen überall Plastikabfälle um mein Boot: Flaschen und ihre Verschlüsse, Verpackungen, Bruchstücke, egal zu welcher Tageszeit.“

Kurz darauf prägte der Ozeanograph Curtis Ebbesmeyer für die von Moore durchquerte Region die Bezeichnung „Großer Pazifischer Müllstrudel“. Dabei handelt es sich um kein Einzelphänomen. Vielmehr existieren fünf solcher Strudel in den Ozeanen unseres Planeten, die immer dort auftreten, wo Meeresströmungen und Winde große Wirbel bilden, so etwa auch im Südpazifik, Nord- und Südatlantik und dem südlichen Teil des Indischen Ozeans. Dabei übertrifft der Große Pazifische Müllstrudel im Norden des Stillen Ozeans aber alle anderen Ansammlungen von Unrat auf den Weltmeeren an Größe und Dichte, weswegen er auch sarkastisch „Siebter Kontinent“ genannt wird.

Der Große Pazifische Müllstrudel erstreckt sich über eine Fläche von rund 1,6 Millionen Quadratkilometern – das ist das Viereinhalbfache des Territoriums der Bundesrepublik. Hier sollen sich 1,8 Billionen Plastikteilchen mit elf Zentimetern pro Sekunde im Kreis bewegen. Dabei fällt es allerdings schwer, die Grenzen des Strudels zu bestimmen, weil der fragmentierte Müll vielfach unter Wasser schwebt und daher nicht von Satelliten- oder Flugzeugkameras erfasst werden kann. Das gelingt letztlich nur bei größeren Objekten direkt an der Oberfläche wie Flaschen, Tüten, Eimern, Kabeltrommeln, Autokindersitzen und Behältern aller Art.

Gefahr für den Menschen wächst
Die Gesamtmenge an Plastikmüll, die derzeit in den Weltmeeren kreist und im Übrigen auch außerhalb der Strudel zu finden ist, wird auf rund 100 Millionen Tonnen geschätzt – wobei in jeder einzelnen Minute der Inhalt eines Mülltransporters hinzukommt. Daher ist inzwischen 88 Prozent der Ozeanfläche der Erde mit Plastik verschmutzt. In manchen Regionen wie dem Mittelmeer kommt bereits ein Mikroplastikteilchen auf zwei Plankton-Lebewesen.

Die Folgen all dessen sind verheerend. Meerestiere der verschiedensten Art verschlucken das Plastik, das sich dadurch im Körper anreichert und innerhalb der Nahrungskette bis zum Menschen weitergegeben wird, bei dem es unter anderem Krebs auslösen kann. Größere Teile führen zudem nicht selten zum Tod der Vögel, Fische, Wale und Schildkröten durch Ersticken oder Verletzungen innerer Organe. Biologen schätzen, dass pro Jahr rund eine Million Seevögel und 100.000 andere Meereslebewesen durch die Aufnahme von im Wasser treibenden Plastikmüll sterben. In den Mägen verendeter Wale fanden sich teilweise bis zu 40 Kilogramm Kunststoff.

Dazu kommt eine bislang noch weitgehend unbeachtete Gefahr. Manche Organismen wie Muscheln und Algen driften mit Plastikteilen in fremde Ökosysteme, wo sie bereits durch ihre bloße Anwesenheit Schaden anrichten können. Andere Arten wiederum finden in den Müllstrudeln Schutz vor Fressfeinden und vermehren sich dadurch zu stark.

So schlimm der Anblick des Großen Pazifischen Müllstrudels und anderer Verschmutzungen an der Oberfläche der Weltmeere auch sein ma – im Vergleich zu dem, was auf dem Meeresgrund passiert, ist das Ganze noch vergleichsweise harmlos. Kenner der Tiefsee befürchten, dass die Plastikkonzentration auf dem Boden der Ozeane mittlerweile fast einhundert Mal höher liegt als an der Wasseroberfläche, weil 94 Prozent des Mülls irgendwann auf den Grund sinken. Dort sorgen der Sauerstoff- und Lichtmangel dafür, dass die Kunststoffe nicht zerfallen. Forscher, die bis zu 6000 Meter abtauchten, sichteten oft mehr als 300 große Plastikgegenstände pro Quadratkilometer Meeresboden – und Mikroplastik wurde selbst am tiefsten Punkt aller Meere im Marianengraben östlich der Philippinen elf Kilometer unter der Wasseroberfläche nachgewiesen.

Vor allem aus Asien und Afrika
Vor diesem Hintergrund sind Maßnahmen zur Vermeidung des Eintrags von Plastikmüll in die Weltmeere auf jeden Fall sinnvoll. Kritiker mahnen indes an, dass diese vorrangig dort ansetzen sollten, wo die größten Plastikmengen in den Ozean gelangen. Und hierzu gibt es mittlerweile eindeutige Erkenntnisse. So steht fest, dass nur ein geringer Teil des Plastiks in den Meeren von Schiffen stammt – entweder als Ergebnis illegaler Müllentsorgung an Bord oder als Nebenwirkung des Fischfangs, bei dem ständig Gegenstände wie Fischkisten im Wasser landen oder Kunststoffnetze beziehungsweise -seile verloren gehen. Der übergroße Rest kommt vom Land, wobei die westlichen Industriestaaten am Ende der Rangliste der Verursacher stehen.

Im Strandgut auf der unbewohnten Insel Inaccessible Island im Südatlantik fanden Forscher unzählige Plastikflaschen, aber fast nur solche aus asiatischen Ländern. Dazu passen die Ergebnisse von Studien der International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN) und ähnlicher Organisationen, denen zufolge 90 Prozent des Plastiks in den Ozeanen von nur zehn Flüssen ins Meer geschwemmt werden. Davon strömen acht durch Asien und zwei durch Afrika. Hieraus ergibt sich dann auch eine Rangliste der Staaten, welche die schlimmsten Meeresverschmutzer sind, sofern es um den Eintrag von Plastikmüll geht.

An der Spitze steht hier China, das für rund ein Drittel des Plastiks in den Weltmeeren verantwortlich zeichnet, was maßgeblich aus dem Müll resultiert, den der ins Ostchinesische Meer mündende Jangtsekiang mit sich führt. Ebenso ist der Gelbe Fluss für das Ökosystem des Pazifiks eine ernste Gefahr. Ansonsten stammt der Kunststoff in den Meeren vor allem auch aus dem Indus und dem Ganges sowie aus dem Mekong. Dazu kommen die beiden großen afrikanischen Ströme Nil und Niger als weitere Quellen riesiger Plastikmengen, welche die Ozeane unseres Planeten auf vermutlich schon nicht mehr umkehrbare Weise geschädigt haben.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS