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Auch einstige „Kraft durch Freude“-Schiffe wurden eingesetzt: Flucht aus Ostpreußen über die Ostsee vor 80 Jahren
Foto: ullstein bild - ullstein bildAuch einstige „Kraft durch Freude“-Schiffe wurden eingesetzt: Flucht aus Ostpreußen über die Ostsee vor 80 Jahren

Unternehmen Hannibal

Gefährliche Flucht über die Ostsee

Nach der Einkesselung Ostpreußens durch die Rote Armee begann vor 80 Jahren die Evakuierung über See mit allem, was schwimmen konnte

Wolfgang Kaufmann
19.01.2025

Als der ehemalige Großadmiral und Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine Karl Dönitz am 6. Januar 1981 auf dem Waldfriedhof Aumühle östlich von Hamburg zur letzten Ruhe gebettet wurde, befanden sich unter den rund 5000 erschienenen Trauergästen auch viele Vertriebene aus Ostpreußen. Dies resultierte aus dem Umstand, dass Dönitz das Verdienst zukam, in den letzten Wochen und Monaten des Zweiten Weltkrieges für die Evakuierung von rund zweieinhalb Millionen Menschen aus Ost- und Westpreußen sowie Pommern gesorgt zu haben. Dafür hatte ihn bereits sechs Jahre vorher die Landsmannschaft Ostpreußen mit ihrer höchsten Auszeichnung, dem Preußenschild, geehrt.

Der Befehl zur Verschiffung der Zivilbevölkerung beziehungsweise verwundeter Wehrmachtssoldaten erging am 21. Januar 1945 vermittels des Kennwortes „Hannibal“. Die konkrete Gesamtleitung der Operation, die bis in den letzten Kriegsmonat lief und die größte maritime Rettungsaktion aller Zeiten darstellte, lag in den Händen zweier Offiziere. Das waren Generaladmiral Oskar Kummetz, der Chef des Marineoberkommandos Ostsee, und Konteradmiral Conrad Engelhardt, der Leiter der Abteilung Seetransporte der Wehrmacht.

Den Auslöser für Dönitz' Entscheidung, insgesamt 672 Passagierschiffe und Frachter sowie 409 Einheiten der Kriegsmarine auszuschicken, um mit deren Hilfe 1,42 Millionen Frauen, Kinder und alte Menschen sowie mehrere hunderttausend Verwundete nach Westen zu transportieren, bildete der Umstand, dass die ersten Panzerspitzen der Roten Armee bis ans Frische Haff vorgestoßen waren. Denn dadurch blieb für die Flucht auf dem Landweg nur noch die ebenso schmale wie exponierte Frische Nehrung übrig.

Untergang der „Wilhelm Gustloff“
Die Evakuierungsaktion begann am 25. Januar 1945 mit dem Auslaufen der großen Passagierdampfer „Robert Ley“, „Pretoria“, „Ubena“, „Duala“, „General San Martin“ und „Der Deutsche“, die bis dahin als Wohnschiffe für die Unterseeboots-Lehrdivisionen gedient hatten, aus dem Hafen von Pillau mit 25.000 Flüchtlingen und Verwundeten an Bord. Einige Tage später folgten weitere Dampfer und Kriegsschiffe, darunter der Leichte Kreuzer „Emden“, der nicht nur bedrängte Menschen mitführte, sondern auch den Sarg mit dem Leichnam des früheren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg aus dem Tannenberg-Denkmal bei Hohenstein (siehe PAZ vom 10. Januar).

Allerdings erreichten nicht alle Rettungsschiffe ihre Zielhäfen in der Mitte und dem Westen Deutschlands. Verantwortlich hierfür war zum einen eine Minenoffensive der Royal Air Force und zum anderen der Einsatz sowjetischer U-Boote und Bomber. Die britischen Flugzeuge warfen bis Ende März 1945 bei 720 Einsätzen 3220 Seeminen in die Ostsee, auf die insgesamt 67 Schiffe liefen und anschließend untergingen, darunter das große Lazarettschiff „Berlin“ und der Passagierdampfer „Hamburg“.

Am dramatischsten waren allerdings die Verluste durch Torpedos der U-Boote S-13 und L-3. Das von deutschen Konstrukteuren entwickelte S-13 unter dem Kommando des später wegen seiner Trunksucht entlassenen Kapitäns 3. Ranges Alexander Marinesko versenkte am 30. Januar 1945 das vormalige Kreuzfahrtschiff „Wilhelm Gustloff“. Die größte Seefahrtstragödie der Geschichte kostete wahrscheinlich bis zu 9300 Menschen das Leben. Elf Tage später versenkte das U-Boot das Lazarettschiff „Steuben“. Das Ergebnis dieses Untergangs waren 4200 Tote. Die dritte höchst verlustreiche Versenkung erfolgte am 16. April, als das Garde-U-Boot L-3 des Kapitäns 3. Ranges Wladimir Konowalow vor Rixhöft auf den Flüchtlingstransporter „Goya“ stieß. Dieser brach nach zwei Torpedotreffern auseinander und riss um die 7000 Zivilisten und Verwundete in den Tod.

Rachsüchtige rote Kriegssieger
Sowohl Marinesko als auch Konowalow erhielten für ihre Taten die höchste Auszeichnung der UdSSR, die Ernennung zum „Helden der Sowjetunion“. Damit wurde unter anderem honoriert, dass sie sich durch den starken Geleitschutz durch Schiffe der 9. und 10. Sicherungsdivision unter Fregattenkapitän Adalbert von Blanc und Konteradmiral Hans Bütow nicht abschrecken ließen.

Insgesamt gingen im Verlauf des Unternehmens Hannibal 245 der eingesetzten 1081 Schiffe verloren. Bei 190 der Versenkungen konnten alle Schiffbrüchigen gerettet werden. Die übrigen Untergänge kosteten rund 35.000 Deutsche das Leben. Dass der Anteil derer, die während der Flucht übers Meer starben, mit 1,5 Prozent, gemessen an der Gefährlichkeit des Unternehmens, relativ niedrig lag, illustriert eindrucksvoll, mit wie viel seemännischer Meisterschaft die Kriegsmarine damals operierte.

Ein typisches Beispiel hierfür sind die Husarenstücke der Kommandanten von rund 50 deutschen U-Booten von U 56 bis U 3529, die zusammen rund 1500 Flüchtlinge, darunter auch Säuglinge, an Bord der ohnehin schon extrem beengten Stahlröhren nahmen und diese unversehrt nach Westen brachten, was bis heute als Wunder gilt.

Die Verwundeten- und Flüchtlingstransporte über die Ostsee wurden so lange als möglich betrieben. Die Evakuierungen aus Pillau endeten mit der Eroberung des Hafens durch die 39. sowjetische Armee unter Generalleutnant Iwan Ljudnikow am 25. April 1945. Noch länger währte die Rettungsaktion in Hela. Dort liefen in der Nacht zum 8. Mai die Frachter „Wesenberg“ und „Paloma“ sowie das Seebäderschiff „Rugard“ aus, die 7230 Personen an Bord hatten. Und selbst am 9. Mai machte sich um 1 Uhr noch der kleine Dampfer „Hoffnung“ auf den Weg. Er landete am 14. Mai 145 Menschen aus Ostdeutschland im schleswig-holsteinischen Flensburg an.

Der tiefsitzende Groll darüber, dass die Kriegsmarine die Rote Armee mit dem Unternehmen Hannibal militärisch düpiert hatte, führte während des Nürnberger Prozesses zur Forderung nach der Todesstrafe für Dönitz vonseiten der rachsüchtigen russischen Ankläger. Allerdings erhielt der vormalige Großadmiral zum Ärger Moskaus mit zehn Jahren Haft eine geringere Strafe, weil die Briten und Amerikaner seinen Fall in deutlich anderem Licht sahen.


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