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Trotz Bekenntnissen gegenseitiger Schuld, trotz gegenseitiger Aussöhnungs- erklärungen stehen die Verordnungen wie in Stein gemeißelt
Der Name des Mitbegründers und ersten Nachkriegspräsidenten der Tschechoslowakische Republik, Edvard Benesch, steht für die Vertreibung von drei Millionen zu Staatsfeinden erklärten Deutschen aus ihrer Heimat. Einige der 143 Erlasse der tschechoslowakischen Exilregierung in London und der ersten Nachkriegsregierung in Prag lösten Lynchjustiz gegen den deutschen und ungarischen Teil der Bevölkerung aus. Diese „Dekrete des Präsidenten der Republik“, wie sie offiziell heißen, stehen für Mord, Unrecht und Enteignung.
Beim Münchner Abkommen hatten die Westmächte 1938 eingewilligt, das deutsch besiedelte Sudetenland von der Tschechoslowakei abzutrennen. Im März 1939 marschierte die Wehrmacht in die verbliebene Tschechei ein, das Protektorat Böhmen und Mähren wurde ausgerufen. In London entwickelte die tschechoslowakische Exilregierung Pläne, wie die angeblich alte Ordnung wieder herzustellen sei. Dazu gehörte, die seit Jahrhunderten in Böhmen und Mähren lebenden mehr als drei Millionen Deutsche zu enteignen, entrechten und vertreiben.
Eine Kommission beriet 1942 über ein Dekret zur „Bestrafung der Kriegsverbrecher, Verräter und Kollaborateure“. Das Ergebnis fasste der Leiter der Exilregierung, Edvard Benesch, im Februar 1943 zusammen: Der Umsturz in der Heimat müsse „gewaltsam, eine gewaltige Volksabrechnung mit den Deutschen, ... ein blutiger, unbarmherziger Kampf sein“.
Letztes Dekret vor 75 Jahren
Nach Absprache mit Josef Stalin erklärte Benesch im Oktober 1943: „In unserem Land wird das Kriegsende mit Blut geschrieben werden. Den Deutschen wird mitleidlos und vervielfacht alles heimgezahlt werden, was sie in unseren Ländern seit 1938 begangen haben.“
Benesch traf im April 1945 mit der Regierungsmannschaft in der Slowakei ein. Zwei Tage später forderte das in Moskau veröffentlichte „Kaschauer Regierungsprogramm“: „Geht abrechnen mit den Deutschen für ihre Gräueltaten und habt kein Erbarmen mit den deutschen Mördern.“
Es folgten in dichter Reihung die Dekrete, die Enteignung und Vertreibung der Minderheiten sanktionierten.
19. Mai 1945: Eigentum „der Deutschen, Madjaren, Verräter und Kollaboranten“ wurde unter Zwangsverwaltung gestellt, gleichgültig, „ob sie mobilen oder immobilen, öffentlichen oder privaten Besitz“ betrafen. Das Dekret beschleunigte die „wilde Vertreibung“ der Deutschen mit dem Todesmarsch von Brünn, dem Massaker von Aussig oder dem Blutgericht von Landskron.
21. Juni 1945: Grund und Boden der Deutschen und der Ungarn wurden entschädigungslos enteignet. Der Landraub sollte „ein für allemal tschechischen und slowakischen Boden aus den Händen fremdartiger deutscher und ungarischer Landgutinhaber wie auch aus den Händen der Verräter der Republik ... nehmen“.
19. September 1945: „Arbeitspflicht für Personen, die die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren haben“. So wurde die Zwangsarbeit umschrieben. Eineinhalb Millionen Männer, Frauen und Jugendliche waren davon betroffen. Die Zwangsarbeiter lebten in Lagern, die Ernährung war mangelhaft. Bezahlung gab es keine. Meist dauerte die Internierung ein halbes Jahr, ehe die Ausweisung erfolgte. In Sonderlagern konnte die Inhaftierung bis zu zehn Jahre dauern. Viele Menschen kamen in diesen Sonderlagern ums Leben. Für die Zeit von Anfang Mai bis Oktober 1945 wurden damit Deutsche als vogelfrei erklärt.
Vor 75 Jahren, am 21. Oktober 1945, wurde eine vorläufige Nationalversammlung ernannt, und der von Benesch postulierte Verfassungsnotstand hatte ein Ende. Eine Woche später beendete Benesch das für den Verfassungsnotstand vorgesehene Regieren mit Präsidialdekreten. Dieses bedeutet jedoch nicht, dass damit auch die Diskriminierung der Deutschen beendet worden wäre. Vielmehr wurden die Dekrete am 28. März 1946 von der provisorischen Nationalversammlung gebilligt. Und am 8. Mai desselben Jahres stellte das Parlament alle Handlungen, „welche mit dem Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zusammenhängen“, straflos. Damit erklärte der tschechoslowakische Staat Mord, Vergewaltigung und Raub für nicht strafbar – vorausgesetzt, es traf die in seinen Augen Richtigen.
Für vogelfrei erklärt
Zu alledem lieferte Benesch den schrillen Begleittext. Das klang im Juni 1945 so: „Werft die Deutschen aus ihren Wohnungen und macht den unsrigen Platz! Alle Deutschen müssen verschwinden! Was wir im Jahre 1918 schon durchführen wollten, erledigen wir jetzt! Damals schon wollten wir alle Deutschen abschieben. Deutschland war aber noch nicht vernichtet und England hielt uns die Hände, jetzt aber muss alles erledigt werden!“
1946 war das Soll erfüllt. Am 29. Oktober ging der letzte Transport von Karlsbad ab. Nach peniblen Protokollen tschechischer und slowakischer Beamter schoben sie bis zum 1. November 1946 in 1646 Zügen 2.170.598 Deutsche ab. Dazu benötigten sie 67.748 Eisenbahnwaggons. In dem exakt aufgelisteten Unrecht sind all die Schicksale jener Menschen nicht berücksichtigt, die auf den Straßen und in den Lagern starben.
Zum Christfest 1946 hielt Edvard Benesch eine Weihnachtsansprache der speziellen Art: „Das diesjährige Weihnachten bekommt eine besondere Bedeutung, einen eigenen Charakter auch dadurch, dass wir es in unserem Vaterland erstmals ohne Deutsche feiern. Mit dieser Tatsache wurde eines der großen Kapitel unserer Vergangenheit liquidiert.“
Trotz beidseitiger Schuldeingeständnisse zwischen Deutschen und Tschechen seit Jahrzehnten, trotz gegenseitiger Aussöhnungserklärungen, stehen die Benesch-Dekrete seither wie in Stein gemeißelt. Daran änderten auch Bitten der sudetendeutschen Landsmannschaft um Verzeihung nichts. Stattdessen erklärte das Parlament in Prag im April 2002 einstimmig die Dekrete für „unantastbar“. Zu der Zeit wurde über einen Beitritt Tschechiens zur EU verhandelt, das Europäische Parlament verlangte eine Aufhebung der Dekrete. Vergeblich. 70 Prozent der Tschechen sprachen sich dagegen aus.
Am 1. Mai 2004 nahm die EU Tschechien als neues Mitglied auf. Und noch 2013 waren sie im tschechischen Wahlkampf entscheidend. Der Präsidentschaftskandidat Karl Schwarzenberg hatte die Dekrete „eine grobe Verletzung der Menschenrechte“ genannt. Sein Gegenkandidat Miloš Zeman kündigte dagegen an, er werde die „nationalen Interessen“ verteidigen – und gewann die Wahl. Präsident Zeman erklärte, die Vertreibung der Sudetendeutschen sei eine „mildere Strafe“ gewesen als die Todesstrafe. Seither sieht man auf tschechischer Seite keinen Anlass, die Dekrete zu bezweifeln. Noch 2018 wurde das Problem seitens des seit 2017 amtierenden tschechischen Regierungschef Andrej Babiš als „einmal für immer gelöst“ beurteilt.
sitra achra am 06.10.20, 18:17 Uhr
*Jan Kerzel: Verfassungspatriotismus lockt keine Maus hinter dem Ofen hervor. Was soll das also?
Michael Hausmann am 29.09.20, 21:51 Uhr
Benesch hat nachweislich schon vor (!) dem ersten Weltkrieg zur Vertreibung der Deutschen aufgerufen und sich ihren Besitz, ihre Fabriken, Land und Häuser anzueignen. Man achte auf die Wortwahl! Es ging ihm nicht darum, das die Tschechen dieselbe Wirtschaftskraft wie die Sudetendeutschen erreichen, sondern einfach um Neid und Raub.
Noch einmal zum Verständnis: Die Tschechei wurde 1918 vom Völkerbund in die Selbständigkeit mit der Auflage entlassen, gleiche Rechte für alle (!) Volksgruppen zu schaffen. Dies haben die Tschechen, welche damals nicht einmal die Hälfte der damaligen Bevölkerung stellten, definitiv nicht getan. Dies war auch der Hauptgrund, weshalb im Gegensatz die Deutschen der Schweiz kein Interesse am Nationalsozialismus hatten.
Übrigens war 1945 die Industrieproduktion der Tschechei sogar höher als vor der Besetzung! Viele wichtige Brücken- und Straßenbauprojekte, von den denen Tschechien noch heute zehrt, wurden während der Besatzungszeit von deutscher Seite aus angeschoben.
Jan Kerzel am 29.09.20, 17:59 Uhr
Das Kapitel ist abgeschlossen. Die Betrachtung der Historie mag ambivalent sein, entscheidend ist doch das gute Einvernehmen in der Gegenwart. Die Sudetendeutsche Landmannschaft hat heute ihre Aufgabe als Kulturverein in Bayern. Die Bundesrepublik wurde 1949 gegründet, ihr Selbstverständnis untersagt ihr jedwede Forderung oder jedweden Ausgleichsanspruch für davorliegende Zeiträume. In der Bundesrepublik zählt nicht das nationale Bekennen zum Deutschen, sondern das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung. Dies bedeutet, dass man lediglich einem Verfassungspatriotismus huldigt. Viele Konservative und national Gesinnte haben dies aber Jahrzehnte nicht zur Kenntnis nehmen wollen oder es einfach auch nicht erkannt. 20 bis 30 Jahre durften sie hoffen , einen Fürsprecher zu haben. Seitdem aber ist doch die Faktenlage eindeutig.
Siegfried Hermann am 29.09.20, 13:32 Uhr
Was hier komplett unterm Tisch fällt.
Böhmen und Mähren war gut 1000 (!!!) Jahre kuk.
Mit dem Westfälischen Frieden 1648, also vor gut 350 Jahren wurde auch der gesellschaftliche Streitpunkt mit der Krone friedlich beilegt.