13.12.2024

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Östlich von Oder und Neiße

Geldwerte Schätze frisch vom Dachboden

Die Sammlerleidenschaft der Numismatik führt Deutsche und Polen durch Interesse an der Geschichte zusammen

Till Scholtz-Knobloch
07.10.2024

Eine Reihe historischer Sparbücher liegt bei Uwe Elix auf dem Fußboden und wird von ihm gerade mit der Überschrift drapiert „Görlitzer Sparbücher 1908–1990 – Zeitzeugen für Kunst, Wirtschaft, Politik“. Es stellt sich schnell heraus, die Sammelgebiete des Vorsitzenden des Numismatischen Clubs zu Görlitz e.V. sind breit gefächert und umfassen fast jede Form geldwerter Systeme. Vornehmlich schlesische Notgeldscheine aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, Lebensmittelmarken aus Kriegs- und Nachkriegszeiten gehören dazu und nebenbei berichtet er, dass er wohl die umfassendste Sammlung an Ersatzgeldmarken für Asylbewerber habe. Nein, es gebe dazu bislang keinen Sammlerkatalog. Aber wenn jemand so einen zusammenstellen könnte, dann nur Uwe Elix. Geschichte spielt sich eben immer ab und die verschiedenen Geldsysteme sind immer auch ein interessantes Spiegelbild der Veränderungen ihrer Zeit.

Das alles habe er auf Flohmärkten oder über eBay zusammengetragen. Die Grenznähe hat natürlich nach 1990 viele neue Bezugsquellen erschlossen, denn auf so manchem Boden fanden Polen Relikte aus deutschen Tagen, die sich gut zu heutigem Geld ummünzen ließen. Mancher Pole indes ist selber zum Sammler geworden, der nun an den Wurzeln der neu gefundenen Heimat mitforscht. Elix spürt das immer wieder bei Sammlerbörsen. „Ich denke, damit habe ich wohl die vollständigen Titelbilder der Sparbücher zusammengetragen. Eines, das jetzt noch fehlt, dürfte heute per Post kommen. Auch das muss ja mit in die Ausstellung“.

Die Ausstellung im Kulturhistorischen Museum in der Görlitzer Neißestraße 30 wird am 13. Oktober, 10 Uhr, eröffnet und soll anschließend vom 15. bis 26. Oktober zu sehen sein. Gezeigt werden unter anderem Medaillen und Festplaketten aus Niederschlesien oder Notgeld von den Görlitzer Nachrichten und dem Anzeiger – auch für drei pommersche Städte. Hintergrund der Ausstellung in der zwischen der Bundesrepublik und der Republik Polen geteilten Stadt ist, dass die Görlitzer Numismatiker ihren 120. Geburtstag feiern. Der Ausstellungsort ist dabei letztlich nur 100 Meter von der Neißegrenze entfernt – nirgends flanieren Deutsche und Polen in „ihrer Stadt“ quasi paritätischer durch ihre gemeinsame Altstadt.

In dieser deutsch-polnischen Geschichte sieht sich auch Elix historisch fest verwurzelt und hat viele Sammelschwerpunkte über Geschichte und Familiengeschichte gefunden. Einer der letzten Vorträge seines Vereins betraf Gerhart Hauptmann im Spiegel der Numismatik. Und weil man mit den historischen Perspektiven stets über den Tellerrand schaue, sei das eben auch für viele attraktiv, die selbst vielleicht gar nicht sammeln oder anders unterwegs seien. Und schon zückt er weitere Ordner hervor, die zeigen, wie er über die Geschichte immer neue Anknüpfungspunkte findet.

Seine Mutter stamme aus Rothwasser [Czerwona Woda] bei Kohlfurt [Węglinec], sein Vater aus Kreis Samter [Szamotuły] bei Posen. Daher sei dieser gleich zweimal vertrieben worden – nach dem Ersten Weltkrieg aus der preußischen Provinz Posen, nach dem Zweiten Weltkrieg aus Sommerfeld [Lubsko] in der Niederlausitz östlich der Neiße, wohin es ihn nach der ersten Vertreibung verschlug. Eigentlich ist es noch komplizierter, denn eine Kinderverschickung brachte faktisch noch die Vertreibung aus dem ebenso nahen Sudetenland mit sich.

Zu all diesen Komplexen hat Elix, der nach der Wende viele Jahre einen Supermarkt in Hamburg-Eppendorf führte, eine Fülle an Dokumenten, die ebenso feinsäuberlich in Folien zusammengestellt sind. Aber bei diesem Ordner ist es nicht geblieben. Ein weiterer läuft vor Dokumenten wie Umsiedlerkarten von Galiziendeutschen ins Baltikum oder Schriftverkehr deutscher Besatzungsbehörden im Landkreis Hrubieszów am Bug zur Heu- und Strohzuteilung oder zum Bezug von Seife in Krakau über. Auch das ist alles irgendwie Numismatik, denn fast alles dokumentiert geldwerte Leistungen. Der Blick über die Geschichte führt Deutsche, Polen und Tschechen in diesem Dreistaateneck immer wieder zusammen und erlaubt viele Perspektivwechsel des Alltags. Sie alle münden stets in der Frage: Wieso lebte dieser oder jener eigentlich genau hier?


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