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Der Sohn und Staatssekretär des Eisernen Kanzlers opferte dem Vater seine Stellung und seine große Liebe
Dass der Reichsgründer seinen vor 175 Jahren, am 28. Dezember 1849, in Berlin geborenen ältesten Sohn sehr liebte und für unersetzlich erklärte, verwundert kaum, entsprach dieser doch seinen mutmaßlichen Erwartungen. Das galt zum einen für den Berufsweg. Nikolaus Heinrich Ferdinand Herbert Graf von Bismarck, der nach dem Tod seines Vaters dessen Fürstentitel erbte, trat in dessen Fußstapfen. Wie sein Vater studierte er Jura. Nach der Teilnahme als Fähnrich und später als Leutnant im 1. Garde-Dragoner-Regiment der Preußischen Armee am Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, in dem er verwundet und mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet wurde, sowie dem Abschluss des Jurastudiums wurde er wie sein Vater Diplomat. 1874 wurde er Angehöriger des Auswärtigen Dienstes des von seinem Vater wenige Jahre zuvor gegründeten Deutschen Reiches. Dort arbeitete er primär als Privatsekretär seinem Vater zu, tat aber auch an diversen Gesandtschaften Dienst.
Schnell machte er im Auswärtigen Amt Karriere. Intelligenz wird ihm ebenso bescheinigt wie Arbeitskraft. In seinem Vater hatte er einen großen Lehrmeister, und sein Familienname wird ihm bei seiner Karriere mutmaßlich auch nicht geschadet haben. 1880 wurde er Legationsrat, 1881 Botschaftsrat in London, 1884 das gleiche in Sankt Petersburg sowie noch im selben Jahr Gesandter im Haag. Nachdem er 1885 bereits zum Unterstaatssekretär ernannt worden war, erklomm er 1886 als Staatssekretär die Spitze der Laufbahn im Auswärtigen Amt und wurde damit nach seinem Vater, dem Reichskanzler, der zweite Außenpolitiker des Reiches. Insbesondere in kolonialen Fragen unterstützte er die Politik seines Vaters tatkräftig. Manche sahen in ihm schon den Nachfolger seines Vaters als Reichskanzler.
Verzicht im Berufsleben
Doch dann kam das Jahr 1890. Der neue, junge Kaiser, Wilhelm II., erwartete vom alten Bismarck den Rücktritt. Vom jungen Bismarck erwartete er diesen hingegen nicht. Vielmehr wünschte er unmissverständlich dessen Verbleiben im Amt. Doch Herbert solidarisierte sich mit seinem Vater und trat wenige Tage später ebenfalls zurück. Möglicherweise hätte das Verbleiben wenigstens eines Bismarcks in führender Stellung das Schlimmste in der wilhelminischen Außenpolitik verhindern können. Aber das ist Spekulation. Jedenfalls verschwand Herbert von Bismarck so bereits mit Anfang Vierzig in der zumindest außenpolitischen Bedeutungslosigkeit, sieht man davon ab, dass er sich 1893 für die bismarckfreundliche, linkskonservative Deutsche Reichspartei in den Reichstag wählen ließ.
Doch nicht nur in beruflicher Hinsicht entsprach Herbert von Bismarck den Erwartungen seines Vaters, sondern auch in privater. So opferte er Letzterem seine große Liebe.
Ende der 70er Jahre war es, dass Herbert sich unsterblich in die Fürstin Elisabeth zu Carolath-Beuthene verliebte. Er hatte das Glück, dass sie seine Gefühle erwiderte. Der mit beiden befreundete Graf Philipp zu Eulenburg, bekannt durch die spätere Eulenburg-Affäre, schrieb über sie:
„Die Fürstin Elisabeth aber liebte Herbert aus tiefster Seele. Sie war eine reiche, begabte Natur. Schön, eitel, wie meist schöne Frauen sind, doch zu genial beanlagt, um der Eitelkeit zu unterliegen. Voll glühenden Interesses für die Kunst. Ungewöhnlich musikalisch. Ein stolzer, vornehmer Charakter, der durch eine sehr harte Lebensschule im Vaterhause gegangen war, wo die unerquicklichsten Familienverhältnisse herrschten.“
Um für Herbert frei zu sein, ließ sie sich 1881 von ihrem Ehemann scheiden. Doch als Herbert als Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes den ihm vorgesetzten Reichskanzler um den erforderlichen Ehekonsens bat, tobte der Vater und drohte seinem Erstgeborenen erst mit Enterbung und dann sogar mit Selbstmord. „Wenn die Fürstin seinen Namen trüge, würde ihn das zum Selbstmörder machen!“, berichtete Herbert seinem Freund Eulenburg.
Verzicht im Privatleben
Als Elisabeth im Mai 1881 nach Venedig reiste, wollte Herbert ihr folgen. Da drohte der Vater damit, sich selbst gesellschaftlich unmöglich zu machen, sozusagen mit dem gesellschaftlichen Suizid. Eilenburg schreibt dazu:
„Die Drohung, dass der große Bismarck, sobald er erfahren würde, Herbert reise nach Venedig, sich seinerseits auch dorthin begeben werde – und dass damit die ganze Welt in einen Heiterkeitssturm versetzt werden würde –, war durchaus kein leeres Wort ... Lächerlichkeit ist in der Welt das stärkste Zwangsmittel. Er wusste ganz genau, dass ihn Herbert niemals in eine solche Lage versetzen werde.“
Herbert knickte also ein. Enttäuscht von seinem Einknicken stellte Elisabeth die Korrespondenz mit ihm ein und verlebte den Rest ihres Lebens als schuldig Geschiedene in Venedig, im Palazzo Modena am Canale Reggio.
Herbert von Bismarck hingegen heiratete 1892 mit dem Segen seines Vaters die Gräfin Marguerite Malvine von Hoyos, die ihm fünf Kinder schenkte. Das hinderte ihn aber nicht daran, alkoholkrank zu werden. An einem durch diese Krankheit ausgelösten Leberleiden verstarb Herbert von Bismarck am 18. September 1904 wie sein Vater in Friedrichsruh bei Aumühle, das er von seinem Vater geerbt hatte.
Der spätere Reichskanzler Bernhard von Bülow schrieb über seinen Vorgänger als Staatssekretär im Auswärtigen Amt:
„Er hatte die Fürstin Elisabeth Carolath leidenschaftlich geliebt. Er liebte sie noch und hat, wie ich glaube, nie aufgehört, sie zu lieben. Er ist auch nie das Gefühl losgeworden, daß er gegenüber dieser großen Liebe seines Lebens versagt habe, daß sein Verhalten in dieser Lebenskrise weder klug noch ganz korrekt gewesen war.“