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Neuwahlen Frankreich

Genialer Schachzug oder verrückte Idee?

Nach Debakel für sein Bündnis bei der EU-Wahl: Macron kündigt vorgezogene Parlamentswahlen an

Peter Entinger
24.06.2024

Warum“, ist derzeit eines der Lieblingswörter der Franzosen. Warum hat Staatspräsident Emmanuel Macron bloß noch am Abend der Europawahlen angekündigt, die Nationalversammlung aufzulösen und Neuwahlen in wenigen Wochen angesetzt?

„Ich kann nicht so tun, als sei nichts geschehen“, sagte Macron, dabei stand er gar nicht zur Wahl. Doch sein liberales Wahlbündnis erlebte eine krachende Niederlage. Lediglich rund 15 Prozent Stimmenanteil für die Präsidenten-Partei; mehr als doppelt so viele entfielen auf Marine Le Pens rechten Rassemblement National (RN). „Ich vertraue auf die Fähigkeit des französischen Volkes, die richtige Wahl für sich selbst und für künftige Generationen zu treffen. Mein einziges Bestreben ist es, unserem Land, das ich so sehr liebe, nützlich zu sein“, sagte Macron.

Doch wie das für den ersten Wahlgang am 30. Juni gelingen soll, ist fraglich. Seit Juni 2022 regiert der Präsident mit einer Minderheitsregierung. „Franzose zu sein bedeutet im Grunde, sich dafür zu entscheiden, die Geschichte zu schreiben, anstatt sie zu erleiden“, sagte Macron. Neuwahlen seien besser als „alle Arrangements, alle unsicheren Lösungen“.

„Geschichte schreiben“
Für einen Sieg der Kandidaten in ihren Wahlkreisen ist in der ersten Runde die absolute Mehrheit erforderlich; wo diese nicht erreicht wird, kommt es zur Stichwahl. Die linken Parteien haben bereits angekündigt, auf Konkurrenzkandidaturen zu verzichten. Doch das Bündnis aus Grünen, Sozialdemokraten, Kommunisten und Linkspopulisten ist fragil und erreichte bei den Europawahlen lediglich 32 Prozent.

In den vergangenen Monaten hatte sich gezeigt, dass vor allem in der Nahost-Frage keine Einigkeit zu erzielen ist. Im rechten Parteienspektrum tut sich dagegen einiges. Marine Le Pen kündigte flugs an, dass der Sieger der Europawahl, Jordan Bardella, auch das Gesicht des kommenden Wahlkampfes sein werde. Sollte der RN gewinnen, stünde der erst 29-Jährige als Premierminister bereit. Doch wie wahrscheinlich ist dieses Szenario?

Für eine Mehrheit im Parlament müsste der RN sein Ergebnis von 2022, als er sensationell 88 Sitze erreichte, weit mehr als verdoppeln. Allein wird er das nicht schaffen. Und hier kommen die konservativen Republikaner ins Spiel. Die Ex-Gaullisten, lange das französische Pendant zur CDU, stürzten bei der EU-Wahl auf rund sieben Prozent ab. Der Partei könnte das politische Aus drohen. Eine Koalition mit Macrons liberalem Bündnis schloss die Führung am Wahlabend aus.

„Eine Allianz des rechten politischen Spektrums -– für alle, die sich in den Ideen und Werten der Rechten wiederfinden“, kündigte Parteichef Eric Ciotti ein Wahlbündnis mit dem RN an. Das heitß für ihn, sollte es dazu kommen, wäre es historisch. Doch die Partei drohte in der vergangenen Woche zu kollabieren. Zahlreiche Spitzenfunktionäre gingen auf Distanz zum Vorsitzenden, eine Vorstandsmehrheit erklärte ihn für abgesetzt. Ciotti sprach von einem Putsch und hielt die Maßnahme für nichtig.

Allianz von RN und Republikanern
Le Pen hatte dem Noch-Parteichef und seinem Gefolge in Aussicht gestellt, dass sie in gewissen Wahlkreisen bereit wäre, auf eine Bewerbung zu verzichten und stattdessen einen Republikaner zu unterstützen. Das empfanden viele als verlockend. Und noch jemand möchte auch auf der politischen Bühne mitspielen: Le Pens Nichte Marion Maréchal, die als Spitzenkandidatin der rechten Partei „Reconquête“ (Rückeroberung) rund fünf Prozent der Stimmen bei der Europawahl erhielt, war bereit, über ihren Schatten zu springen und sich mit ihrer früheren Partei zu versöhnen. Doch ihr Parteivorsitzender, Eric Zemmour, bereitete dem Treiben ein Ende, schloss Maréchal und drei Getreue aus der Partei aus und benannte Kandidaten in mehreren Wahlkreisen. Chancenreich ist das Unterfangen aber kaum. Am Ende dürfte es die Aussichten des RN kaum schmälern.

Es gibt Spekulationen, Macron wolle gar einen Sieg der Rechten. Die Verfassung erlaubt es einem französischen Präsidenten nämlich, den Premier und seine Regierung auf vielfältige Weise auflaufen zu lassen. „Cohabitation“ (Zusammenleben) nennt man das, wenn der Präsident und seine Regierung nicht dem gleichen Lager angehören. Le Pens Truppe könne sich blamieren, so das Kalkül. Und Macron würde als der Präsident in die Geschichte eingehen, der die Rechten gestoppt hätte. Frankreichs Kommentatoren sind sich uneins. Die Reaktionen reichten von „genial“ bis „verrückt.“


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Kommentare

Berlin 59 am 01.07.24, 20:16 Uhr

Heute am 01.07.2024 kann man sagen ein genialer Schachzug.

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