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Nach der Richtungswahl – Ein neuer Konflikt im Südkaukasus, ähnlich dem in der Ukraine und in Moldau, wirft seine Schatten voraus
Die Parlamentswahl in Georgien wird im Westen als Richtungswahl gesehen, als Abkehr vom EU-Beitrittskurs und Hinwendung zu Russland. Am 26. Oktober siegte nach offiziellen Auszählungen die als russlandfreundlich geltende Regierungspartei „Georgischer Traum“ mit knapp 54 Prozent der Stimmen vor der prowestlichen Opposition, die offiziell auf 38 Prozent kam. Sofort wurde der Vorwurf der Wahlmanipulation und russischer Einflussnahme laut. Den Befehl zu Fälschungen habe die Wahlleitung vom Milliardär Bidsina Iwanischwili erhalten, der Gründer und Ehrenvorsitzender der Regierungspartei „Georgischer Traum“ ist.
Selbst Präsidentin Salomé Surabischwili, die als Parteilose bisher von der Regierungspartei „Georgischer Traum“ gestützt wurde, machte Russland für Wahlfälschungen verantwortlich. Beweise legte sie nicht vor. Dafür, dass die Wahlfälschungen von der Opposition initiiert worden sein könnten, spricht, dass es Videoaufnahmen angeblicher Manipulationen gibt. Ist es nicht eher unwahrscheinlich, dass ein Betrüger sich bei seinem Tun filmen lässt?
Fakt ist, dass es in Georgien, einem Land, das an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien liegt, eine Spaltung der Bevölkerung gibt, die durch den Ausgang der Parlamentswahl noch tiefer werden könnte. In einigen Wahlbezirken wurden nach Massenprotesten die Stimmen zwar neu ausgezählt, am Ergebnis soll sich laut Wahlkommission jedoch nichts ändern. Das endgültige Wahlergebnis muss bis zum 21. November veröffentlicht werden.
Wie die Ukraine vor dem Euromajdan oder auch die Republik Moldau, wird Georgien zwischen West und Ost zerrissen. Aus Protest gegen die „Wahlfälschung“ kündigten unterlegene Oppositionspolitiker an, ihre Mandate nicht anzunehmen. Bei der Parlamentswahl vor vier Jahren war es schon einmal zu einem Boykott der Regierung gekommen. Damals konnte durch die Vermittlung von EU-Führern ein Kompromiss gefunden werden. Damit ist derzeit kaum zu rechnen, da die EU georgische Politiker seit einiger Zeit mit Sanktionen belegt. Auslöser hierfür war die Annahme eines umstrittenen Gesetzes gegen „ausländische Agenten“ – ähnlich dem russischen – durch das georgische Parlament.
Nach dem 26. Oktober sieht die EU einen Beitritt Georgiens in weite Ferne gerückt. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, die georgische Regierung habe das Land von den Werten und Prinzipien der EU entfernt. Außerdem betonte er, dass ein Beitrittsanwärter keine Beziehungen zu Russland aufrechterhalten und gleichzeitig erwarten könne, Teil der Europäischen Union zu werden. Das betrifft neben Georgien auch Moldau und die Türkei. Der türkische Präsident Erdoĝan hat jedoch vor Kurzem am BRICS-Gipfel in Kasan teilgenommen und gar Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet.
Entweder-Oder-Taktik scheitert
Georgien hat bereits 121 Millionen an Direkthilfen von der EU verloren und könnte noch mehr einbüßen, wenn die geforderten Reformen nicht umgesetzt werden. Sanktionen seitens der EU und den USA könnten folgen. Die USA hatten bereits im Frühjahr gegen Regierungsmitglieder der Partei „Georgischer Traum“ wegen des Agentengesetzes Strafen verhängt.
Auch in der georgischen Bevölkerung wurde die Parlamentswahl als Richtungswahl betrachtet. Durch die Einmischung der Weltmächte droht der Südkaukasus zu einer neuen Arena geopolitischer Auseinandersetzungen zu werden. Möglicherweise führte der Druck aus dem Westen gerade dazu, dass die Wähler sich für den „Georgischen Traum“ entschieden haben, aus Furcht vor dem Albtraum, eine zweite Ukraine zu werden. Seit Jahren wurde Georgien schon mit einer EU-Mitgliedschaft geködert. Die seit Mitte der 1990er Jahre bestehende strategische Partnerschaft mit der NATO nutzte dem Land während des Georgienkriegs 2008 ebenfalls nichts. So könnte bei vielen Georgiern der Eindruck entstanden sein, sich auf den Westen nicht verlassen zu können.
Die Entweder-Oder-Bedingung für eine Mitgliedschaft in der EU hat sich in der Vergangenheit als kontraproduktiv erwiesen und treibt die Gerügten geradezu in die Arme anderer Partner. Deutlich sichtbar ist das am Beispiel Türkei, die sich offen anderen Bündnissen zuwendet. Die Republik Moldau, in der bei einer Stichwahl zwischen der EU-freundlichen Präsidentin Maia Sandu und dem als prorussisch geltenden Herausforderer Alexandr Sotianoglo die Präsidentin gewann, kann sich nun über Gespräche für einen beschleunigten Beitritt freuen. Ebenso wie die Ukraine, deren Regierung sich klar zum Westkurs bekennt. Der russische Einfluss in Moldau ist damit aber keineswegs gestoppt.
Während die EU Georgien ächtet, kündigten die Nachbarn Aserbaidschan und Armenien sowie Ungarn, die Türkei und China eine engere Zusammenarbeit mit der Kaukasusrepublik an. Als Transitland für Öl von Aserbaidschan in die Türkei spielt das Land eine geostrategische Rolle.