13.12.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Maritimes

Geschichte des Eisbrechers „Stettin

Die Eisbrecherflotte hielt im Winter die Wirtschaft Stettins und Pommerns aufrecht

Erwin Rosenthal
08.01.2024

Die „Stettin (1)“ war im Jahr 1888 der erste Eisbrecher der Stettiner Eisbrecherflotte. In aller Munde ist heute allerdings der Dampfeisbrecher „Stettin“, erbaut in den Jahren 1932/33 auf der Stettiner Oderwerft. Sein Heimathafen ist heute Hamburg. Auftraggeber für das Schiff war die Industrie- und Handelskammer Stettin gewesen. Nur Eingeweihte wissen, dass die „Stettin“ einen Vorgänger gleichen Namens hatte.

Im Osten Deutschlands waren die Winter früher besonders hart. Oft gab es schon vor Weihnachten auf den Seen und Flüssen eine geschlossene Eisdecke. In Stettin wurden in den Wintermonaten nicht selten minus 30 Grad gemessen. Eine bis zu 50 Zentimeter dicke Eisdecke bedeckte dann monatelang die Gewässer. Und auf der östlichen Ostsee stapelten sich die Eisschollen meterhoch. Aus eigener Kraft konnten die Handelsschiffe der Stettiner Kaufleute das Stettiner Haff, die Kaiserfahrt und die Swine dann nicht passieren.

Der Handel musste jedoch auch in den Wintermonaten florieren, „The Show Must Go On“ würde es heute heißen. Solange der Frost den Hafen und damit den Schiffsverkehr gesperrt hatte, „feierten“ der Kaufmann, seine Angestellten ebenso wie die Handwerker, die auf sie angewiesen waren. So verwundert es nicht, dass Stettin, die Stadt mit dem zweitgrößten deutschen Hafen und dem größten deutschen Ostseehafen, bei der technischen Entwicklung des Eisbrecherwesens in Deutschland führend war.

Stettin half sich selbst
Die ersten drei Eisbrecher ließ die Stettiner Kaufmannschaft auf der einheimischen Vulcan-Werft bauen. Die Finanzierung hatte die Kaufmannschaft gemeinsam mit der Stadtverwaltung geschultert, denn die Regierung in Stettin sah die Eisbrecherflotte als Konkurrent für ihre Eisenbahn an, und die Schatulle des Kaisers blieb verschlossen.

Bereits im Jahre 1852 hatte der Stettiner Vulcan das erste in Preußen gebaute stählerne Seeschiff, die „Dievenow“, ausgeliefert, mit deren Indienststellung der über das Stettiner Haff führende sommerliche Linienverkehr zwischen Stettin und dem Heimathafen des Schiffes, Swinemünde, begann. Wenige Jahrzehnte später wagte sich die Werft auch an den Bau von Eisbrechern heran. Schon der erste, im Jahr 1888 gebaute Eisbrecher „Stettin“ galt als technische Spitzenleistung. Das Schiff hatte bei einer Wasserverdrängung von 177 BRT, eine Länge von 32 Metern und einen Tiefgang von 3,75 Metern. Angetrieben wurde der Eisbrecher von einer Dampfmaschine, die 350 PS leistete.

Eisbrecherflotte hielt Fahrrinne frei
Im gleichen Jahr lief ein zweiter, baugleicher Eisbecher, getauft auf den Namen „Swinemünde“, vom Stapel. Die Besatzungsstärke: zehn Mann. Sehr schnell merkte man aber, dass beide Schiffe zu klein waren und für den ständig ansteigenden Verkehr nicht ausreichten. Schon im folgenden Jahr wurde von den Kaufleuten beim Stettiner Vulcan ein dritter Eisbrecher in Auftrag gegeben. Er lief am 24. Dezember 1889 vom Stapel, hatte 439 BRT und war mit seinen 900 PS mehr als doppelt so stark wie seine Vorgänger. Getauft wurde er auf den Namen „Berlin“.

Mit den drei Schiffen war die Hauptstadt der preußischen Provinz Pommern zum Heimathafen einer privatwirtschaftlich organisierten Eisbrecherflotte geworden. Im Konvoi konnten die Eisbrecher der Schifffahrt den Weg durch das vereiste Haff, die Swine und auf die Ostsee hinaus bahnen. Nun florierte auch im Winter der Import und der Export. Eingeführt wurden vor allem Getreide, Mais, Phosphate, Erze und Kohlen, während Zucker, Grubenhölzer und Stückgüter exportiert wurden.

Wilhelm II. fährt mit
Die sehr erfolgreichen Eisbrechereinsätze auf dem Stettiner Haff sprachen sich schnell in ganz Deutschland herum. Auch Kaiser Wilhelm II., bekannt für seine maritimen Neigungen, zeigte sich interessiert. Im Gefolge mit dem Stettiner Bürgermeister und den Spitzen der Stettiner Kaufmannschaft unternahm er am 13. Januar 1891 auf der „Berlin“, dem Flaggschiff der pommerschen Eisbrecher, eine Fahrt von Swinemünde nach Stettin. Während dieser berühmt gewordenen Fahrt über das Stettiner Haff gestattete Wilhelm II. dem Ostseebad Heringsdorf, seinen neuerbauten Seesteg „Kaiser-Wilhelm-Brücke“ zu nennen.

Auch Maler ließen sich von den pommerschen Eisbrechern inspirieren. Ein Foto der Stettiner Eisbrecherflotte des

19. Jahrhunderts existiert nicht, wohl aber ein inzwischen häufig reproduziertes Ölgemälde, das die Eisbrecher „Berlin“, „Stettin“ und „Swinemünde“ im Konvoi auf dem Stettiner Haff, nahe Ziegenort, abbildet. Der Kaiser steht auf der Kommandobrücke des Eisbrechers „Berlin“, der aus diesem Anlass die kaiserliche Standarte im Vortopp führt. Einwohner Ziegenorts begrüßen, begeistert ihre Mützen schwenkend, ihren Kaiser.

Geschaffen hat das Bild der Marinemaler Robert Parlow, geboren am 26. Februar 1835 im hinterpommerschen Stepenitz. Unter den Stettiner Bürgerfamilien gab es zahlreiche Bewunderer seiner Malerei. Auch Kaiser Wilhelm II., der Herzog von Mecklenburg und der Fürst zu Schaumburg-Lippe hatten Gemälde Parlows erworben.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Eisbrecherflotte durch die von den Stettiner Oderwerken gebauten Eisbrecher „Pommern“, „Preussen“ und „Stettin“ vergrößert. Zwei namensgleiche Eisbrecher durfte es jedoch nicht geben, denn das Seeschifffahrtsamt forderte eindeutige Schiffsnamen. Mit dem Namen „Stettin 2“ für das neue Schiff konnte sich niemand anfreunden. Es gab aber eine Lösung für das Problem: Nachdem im Jahre 1927 der Eisbrecher „Swinemünde“ nach Stralsund verkauft worden war, erhielt 1932 der Eisbrecher „Stettin“ dessen Namen. Der neue, von den Oderwerken 1933 gebaute Eisbrecher, wurde auf den nun freien Namen „Stettin“
getauft.

Die Bereedung der Eisbrecher übernahm die Stettiner Reederei J. F. Braeunlich, die auch im pommerschen Seebäderdienst, auf der Postdampferlinie Saßnitz–Trelleborg, im Liniendienst nach Bornholm, Trelleborg und Kopenhagen sowie nach dem Ersten Weltkrieg im Seedienst Ostpreußen tätig war.

Das Ende 1953
Die Besatzung der fünf Eisbrecher „Swinemünde“ (vormals „Stettin“), „Berlin“, „Pommern“, „Preussen“ und „Stettin“ wechselte im Sommer auf die Ausflugsdampfer, wo sie die gleichen Maschinenanlagen vorfand wie auf den Eisbrechern. Auf diese Weise standen die Männer das ganze Jahr in Lohn und Brot.

Der Eisbrecher „Swinemünde“ (vormals „Stettin“) erfüllte jahrzehntelang treu und brav seine Pflicht. In Kriegszeiten war er dem jeweiligen Militärkommando unterstellt, anschließend nutzte ihn wieder die Kaufmannschaft. Bei den Kämpfen um Pommern sank die „Swinemünde“ (vormals „Stettin“) im Jahr 1945 im Dammschen See, einer Ausbuchtung der Oder, kurz vor deren Mündung ins Stettiner Haff. Zwei Jahre später wurde sie gehoben und fuhr in den Folgejahren als Eisbrecher „Swantewit“ unter polnischer Flagge. Im Jahre 1953 wurde sie schließlich abgewrackt.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

Franz Lischka am 18.01.24, 03:41 Uhr

Den Eisbrecher hat man früher oft morgens in Lebbin ,am Haff gehört ,wo er im Winter im Einsatz war, oft " weckte" er morgen früh die Arbeiter der Zement fabrik in Lebbin .

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS