15.01.2025

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Versprach bei seinem Amtsantritt Führung und lieferte dann doch nicht: Bundeskanzler Olaf Scholz, hier bei einem Besuch der Luftwaffenkaserne Köln-Wahn
Bild: picture alliance/Chris Emil JanßenVersprach bei seinem Amtsantritt Führung und lieferte dann doch nicht: Bundeskanzler Olaf Scholz, hier bei einem Besuch der Luftwaffenkaserne Köln-Wahn

Gesicht des außenpolitischen Niedergangs

Wenige Wochen vor der Neuwahl des Deutschen Bundestages ist es Zeit für eine Bilanz der Ampelregierung. Auf dem Feld der Außen- und Sicherheitspolitik fällt diese alles andere als positiv aus. Was zuvorderst am Kanzler liegt

Richard Drexl
12.01.2025

Zugegeben: Die Invasion der Ukraine durch Russland ab dem 24. Februar 2022 hätte jede Bundesregierung vor gewaltige Probleme gestellt. Wichtige Politikfelder der selbst ernannten „Fortschrittskoalition“ mussten zurückstehen, neue Prioritäten waren gefordert. Die russischen Gewaltakte verwandelten nicht nur Merkels Russlandpolitik – von der SPD ohne Abstriche mitgetragen –in einen Scherbenhaufen. Doch auch unter Bundeskanzler Olaf Scholz blieben überfällige neue Weichenstellungen Mangelware.

Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Scholz konsequentes Handeln versprochen. Seine Worte „Wer von mir Führung bestellt, bekommt sie auch“, sollten auch eine neue Ära deutscher Außen- und Sicherheitspolitik einläuten. Die von ihm nach Ausbruch des Ukrainekriegs verkündete „Zeitenwende“ wurde mit einer 100-Milliarden-Euro-Geldspritze für die Bundeswehr und mit flexibleren Waffenexporten rasant angegangen. Bei der EU- und bündnisweiten Organisation der Unterstützung der Ukraine konnte Deutschland die Erwartungen jedoch nicht erfüllen. Rasch musste sich der Kanzler den Vorwurf gefallen lassen, dringend benötigte Waffenlieferungen hinauszuzögern und die Durchhaltefähigkeit der Ukraine durch Halbherzigkeit zu gefährden.

Halbherzige Unterstützung der Ukraine
Wenn insbesondere in der Anfangszeit des offenen Krieges, als Putins Durchmarsch Richtung Kiew gescheitert war, massive Unterstützungen des Westens geleistet worden wären, hätte der Feldzug möglicherweise ein frühes Ende nehmen können. Die russisch-ukrainischen Verhandlungen im Frühjahr 2022 in Istanbul hatten immerhin zu einem paraphierten Ergebnis geführt. Kraftvolle Entscheidungen einerseits kombiniert mit Kompromissfähigkeit andererseits auch gegen Kriegsfalken wie den damaligen britischen Premier Boris Johnson hätten das Zeug gehabt, den Waffengang abzuwürgen.

So wichtig die Abstimmung mit Verbündeten und Partnern ist, so klar ist auch, dass dem deutschen Führungsanspruch konsequente Entscheidungen hätten folgen müssen, wollte man nicht zum Maulhelden mutieren. Dies gilt sowohl für diplomatische Aktivitäten zur Beendigung des Schießkrieges, als auch für Waffenhilfen und Unterstützungsleistungen. Doch statt energischer Maßnahmen verkleideten schöne Worte das Verschleppen, Verschieben und Vertrösten. Parallel dazu wurde der Kampfeswille der Ukrainer von Außenministerin Annalena Baerbock, später Verteidigungsminister Boris Pistorius und nicht weniger von Vertretern der Regierungsparteien wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Anton Hofreiter und Michael Roth angestachelt. Die Opposition stand dem mit Parolen von Roderich Kiesewetter und Co. wie „die Ukraine muss den Krieg gewinnen“ nicht nach. Schöne Worte sind offensichtlich leichter als Taten – sie können falsche Hoffnungen wecken, aber auch fatale Wirkungen entfalten.

Deutlich wurde die deutsche Zögerlichkeit in der Debatte um die Lieferung von Waffen. Während nicht nur ostmitteleuropäische Staaten klare Positionen einnahmen, wirkte die deutsche Regierung unsicher und zögerlich. Auch die von Scholz gesuchte Abstimmung mit den USA – etwa bei der Lieferung von Kampf- und Schützenpanzern oder auch weitreichenden Raketen – verstärkte den Eindruck, dass Deutschland statt zu führen bei allem und jedem auf der Bremse stand. Dies galt offensichtlich selbst für Gespräche mit der Gegenseite. Weshalb sonst hätte nach zwei Jahren Funkstille das Telefonat von Scholz mit Putin vom November 2024 derart öffentlich breitgetreten werden müssen? Warum auch wurde der direkte Draht von Altkanzler Schröder zu Putin nicht genutzt? Aber das ging ja nicht, der sollte doch aus der SPD ausgeschlossen werden! Stattdessen führte jede noch so durchsichtige Drohung des russischen Alleinherrschers und seiner Entourage in der deutschen Politik zu argumentativen Schlangenlinien und Verrenkungen.

Deutschlands Weg in die europäische Isolation
So ist es nicht verwunderlich, dass das Verhältnis Deutschlands zu seinen wichtigsten europäischen Partnern, namentlich Frankreich und Polen, unter der Ampelregierung unter die Räder geriet. Die einst so enge deutsch-französische Achse hat wie selten vorher eine Acht im Rad. Nicht nur der alerte Macron betrachtet Scholz' mangelnde Empathie und Teilnahmslosigkeit an europäischer Koordination mit Argusaugen. Auch mit Polen verspannte sich der Austausch – das Land nimmt angesichts konsequenter eigener Entscheidungen zur Stärkung seiner politischen und militärischen Schlagkraft, in enger Anlehnung an die USA, inzwischen eine europäische Schlüsselrolle ein.

Inzwischen zeigt sich ein bedenkliches und nie zuvor gesehenes Muster: Während Deutschlands Nachbarn und Partner ihre Zusammenarbeit intensivieren und sich existentiell wichtige Themen vornehmen, pflegt Deutschland seine Regierungskrise und gerät achselzuckend in die Isolation. Bei Weitem nicht nur ein diplomatisches Problem, sondern ein Punkt, der sich zum sicherheitspolitischen Risiko entwickelt mit der Kernfrage, wie unter diesen Umständen der europäische Pfeiler der NATO gestärkt werden soll.

Schon in der Regierung Merkel hatte kaum jemand die imperiale Seite von Putins verklärtem Blick auf die untergegangene Sowjetunion als potente Bedrohung auf dem Schirm. Ein Helmut Schmidt wusste als kühl kalkulierender Realist sehr genau, dass Verhandlungen nur fruchten, wenn sie aus einer Position der Stärke heraus geführt werden. Und dass ein wirksamer Friede immer auch wehrhaft sein muss. Diese Lehre haben heute tonangebende Sozialdemokraten wie Frank-Walter Steinmeier, Rolf Mützenich und eben Olaf Scholz selbst angesichts des Krieges nicht verinnerlicht. Entsprechend schwach wird Deutschland wahrgenommen. Hier insbesondere auch vonseiten der USA, was uns Donald Trump bald bitter spüren lassen wird. Die derzeitigen Beteuerungen von Rot-Grün, dass der Verteidigungshaushalt künftig stark wachsen solle, sind Wahlkampfgeplänkel und nicht ernst zu nehmen. In drei Jahren Ampelkoalition war offensichtlich die Kraft zu neuen Prioritäten nicht vorhanden.

Ambivalente Außenpolitik zwischen Moskau, Washington und Brüssel
Ein deutliches Zeichen deutscher strategischer Unterbelichtung ist die Ostsee-Erdgasleitung Nord Stream 2. Sie hatte von Beginn an für Diskussionen und Spannungen mit europäischen Partnern wie auch den USA gesorgt. Dieses Projekt wurde zu einem politischen Kristallisationspunkt sondergleichen. Den russischen Angriffskrieg nutzte US-Präsident Biden, das Projekt förmlich auf die Abschussliste zu setzen. Bei Scholz' Antrittsbesuch in Washington äußerte Biden unmissverständlich: „We will bring Nord Stream 2 to an end“ (Wir werden Nord Stream 2 zu einem Ende bringen). Der Kanzler nahm das emotionslos hin, als hätte sein Vorgesetzter gesprochen – ein Eindruck, der sich im weiteren Verlauf seiner Amtszeit verfestigen sollte.

Generell wirkt die Bundesregierung in zentralen sicherheitspolitischen Fragen ohne klaren eigenen Kompass. Statt auf einen ausgewogenen Kurs zu setzen und abgestimmte eigene Interessen zu verfolgen, zeigte sie gegenüber Washington eine erstaunliche Bereitschaft zur Unterordnung. Ein prominentes Beispiel ist die Entscheidung des Kabinetts, völlig überteuerte F-35-Kampfflugzeuge in den USA zu beschaffen. Die Bomber sollen die nukleare Teilhabe Deutschlands im Rahmen der NATO sichern – geradezu ein Symbol für die strategische Abhängigkeit zulasten der eigenen Souveränität.

Devote Gesten gegenüber Washington
Ein weiteres Zeichen devoter Unterordnung ist die einsame Entscheidung von Kanzler Scholz, von einer Dienstreise nach Washington die in Deutschland nicht abgestimmte Stationierung von US-Mittelstreckenraketen mit nach Hause zu bringen. So richtig diese Entscheidung inhaltlich sein mag, so falsch ist es, nicht vorher den nationalen Konsens zu suchen und nicht die Öffentlichkeit zu beteiligen. Deutschland gibt jeglichen Gestaltungsspielraum auf, wenn derartige Entscheidungen faktisch in Washington getroffen und in Berlin lediglich umgesetzt werden. Die Formulierung und Durchsetzung eigener Interessen unterblieb trotz Nationaler Sicherheitsstrategie – womit diese den Status leblosen Papiers behält.

Die potentielle Gefährdung der europäischen Friedensordnung durch russische Muskelspiele spätestens ab dem Georgienkrieg 2008 hatte zu keinen nennenswerten Konsequenzen deutscher und europäischer Politik geführt. Statt Defizite anzugehen, wurden ab 2011 die eigenen Streitkräfte nochmals massiv reduziert. Der ewige Frieden schien ungefährdet und die Freiheit ein selbstverständliches Gut. Statt Abschreckung sendete die Bundesregierung weitere Signale der Schwäche, die Wladimir Putin gerne zur Kenntnis genommen hat.

Die sicherheitspolitische Führungslosigkeit Deutschlands zeigt sich in jedem Ressort der Bundesregierung. Während Baerbock dutzendfach den Nahen Osten befliegt und die Chinesen belehrt, bleiben die NATO und europäische Partner Zuschauer ihrer feministischen Außenpolitik. Der Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums von Christine Lambrecht zu Pistorius sorgte zwar für eine stärkere Wahrnehmung verteidigungspolitischer Belange, doch auch Pistorius scheiterte an der Mammutaufgabe, die Bundeswehr zu reformieren und die Erwartungen der NATO-Partner zu erfüllen. In seinem Bemühen, der mutigen Einführung des Begriffes „Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr“ Taten folgen zu lassen, findet Pistorius bisher in der eigenen Partei kaum Unterstützung. Es blieb bei der Fixierung auf Sozialausgaben und überholten Prioritäten.

Ein alarmierendes Fazit
Die Bilanz der Ampelregierung in der Außen-, Bündnis- und Sicherheitspolitik ist verheerend. Statt Führungsstärke zeigt sich eine Mischung aus Zögern, Orientierungslosigkeit und mangelnder Abstimmung. Deutschland, noch bis vor wenigen Jahren weit über Europa hinaus ein bedeutender politischer Faktor, verspielt seine internationale Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit. Und dies in einer Phase gewaltiger Herausforderungen. Die Unfähigkeit der EU zur koordinierten Tat, der Ukrainekrieg, die Zukunft der NATO, das Verhältnis zu den USA und zur Weltmacht China und vieles mehr erfordern abgestimmtes und entschlossenes Handeln. Die Ampelregierung wurde diesen Anforderungen nicht gerecht. Wer sich innenpolitisch nicht zu neuen Prioritäten aufraffen kann, ist zu außenpolitischer Mitgestaltung nicht in der Lage. Dies ist auch eine deutliche Warnung an jede neue Bundesregierung.

Richard Drexl ist Oberst a.D. und seit 2014 Präsident des Bayerischen Soldatenbundes 1874 e.V. Zuletzt erschien „Nicht einmal bedingt abwehrbereit. Die Bundeswehr in der Krise“ (FinanzBuch 2021). www.m-vg.de


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Kommentare

Peter Faethe am 12.01.25, 23:51 Uhr

Keine Überraschung.
Der BAM hat sich mehrfach als extrem dumm geoutet.

Gregor Scharf am 12.01.25, 15:10 Uhr

Tja Herr Oberst, Ihre Bilanz zeigt das Ergebnis von zwanzig Jahre dauerndem, plan- und ziellosem Dahinsiechen, wenn man die Ruinierung der Wirtschaft einmal unberücksichtigt lässt. Hier wurden zumindest bisher alle Ziele erreicht.
Man muss auch kein Pessimist sein, wenn man bereits im Vorfeld der Bundestagswahlen darauf verweist, dass das Personal, welches sich zur Wahl stellt, identisch mit dem vor der Wahl ist.
Hand aufs Herz Herr Oberst. Würden Sie einem Soldaten einen Befehl erteilen, den er auszuführen jedoch weder körperlich noch geistig in der Lage ist, weil er zuvor schon an einfacheren Dingen scheiterte? So viel zum Thema Demokratie und Bundestagswahl. Das Geschäftsmodell hat so keine Aussicht mehr auf Erfolg, weil das Vertrauen der Bevölkerung dahin schwindet und die fachlichen Fähigkeiten nicht vorhanden sind. Die Vergangenheit hat es mehrheitlich bewiesen. Auch das ist eine Bilanz. Gott hilft denen, die sich selbst helfen. Von der Bundesregierung ist nichts mehr zu erhoffen, weil ihre Berater allesamt nichts von dem verstehen, was sie ihren Moderatoren (Politikern) vorgeben. Das Schauspiel ist nur noch abstoßend. Führung muss man können, von kleinauf dazu erzogen werden, Eier haben, um sich durchzusetzen gegen alle Widerstände und nicht selten eine Zwergendemokratie mit einem Machtwort überstimmen. So wachsen Großbaustellen, gewaltige Unternehmen und auch ganze Staaten empor. Es geht nicht ohne Ellenbogen. Letztere sind aber in einer woken Blase nicht gewollt. Alles muss bunt und schön sein. Hier prallen einfach zu viele Ungereimtheiten aufeinander.
Der Alte Fritz und Bismarck hatten recht.

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