20.05.2024

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Ludwig XVI., König von Frankreich und Navarra, im Krönungsornat. Gemälde von Antoine-François Callet aus dem Jahr 1779
Foto: Musée de l’Histoire de France (Versailles)/wikimediaLudwig XVI., König von Frankreich und Navarra, im Krönungsornat. Gemälde von Antoine-François Callet aus dem Jahr 1779

Ludwig XVI.

Gestalter oder Objekt seines Schicksals und der Geschichte?

Vor 250 Jahren begann die Regierungszeit des letzten Königs des Ancien Régime

Wolfgang Kaufmann
07.05.2024

Nach dem Tod seines Großvaters väterlicherseits, Ludwig XV., bestieg der letzte König des Ancien Régime am 10. Mai 1774 im Alter von 19 Jahren den französischen Thron. Ludwig XVI. übernahm kein wohlgeordnetes Reich. Vielmehr hatte sein Vorgänger die französische Monarchie durch eine eklatante Verschwendungssucht und eine daraus resultierende Staatsverschuldung derart geschwächt, dass kaum eine reale Chance auf Gesundung bestand. Es wäre höchstens einer extrem mutigen, starken und politisch befähigten Person auf dem Thron gelungen, die Revolution im Lande zu verhindern und das Ancien Régime zu retten. Aber diese Kriterien erfüllte Ludwig XVI. nicht, obwohl seine Ausbildung seit 1761 – als mit Louis Joseph Xavier nach Xavier Marie Joseph auch der zweite seiner beiden älteren Brüder gestorben war – darauf abzielte, ihn auf die Königswürde vorzubereiten.

Der junge Louis Auguste erwies sich zwar als ein gelehriger, gewissenhafter, frommer und sittenstrenger Schüler mit großem Interesse an Geschichte und Fremdsprachen sowie Naturwissenschaften und Technik, erlangte aber kaum Kenntnisse über die Lebenswirklichkeit in Frankreich. Dazu kamen Eigenschaften wie fehlendes Charisma, Wankelmütigkeit und eine ausgeprägte Schüchternheit, die unversehens in brüskierendes Verhalten umschlagen konnte. Außerdem glaubte er fest an das Gottesgnadentum.

Das lag nicht zuletzt an einigen beachtlichen politischen Erfolgen. So stieg Frankreich unter der Ägide Ludwigs XVI. zu einer Seemacht auf, die mit Großbritannien gleichzog und die Unabhängigkeitsbewegung der nordamerikanischen Siedler in den 13 britischen Kolonien unterstützte. Dies änderte aber nichts an der grundsätzlichen Unfähigkeit des Königs, in Krisensituationen klug und angemessen zu handeln. Das zeigte sich insbesondere in seinem Umgang mit der Staatsverschuldung, die nicht zuletzt wegen des französischen Engagements im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg immer weiter anwuchs und die Gefahr eines Staatsbankrotts barg.

Ein Getriebener auf dem Thron
Zunächst setzte Ludwig auf erfahrene Berater wie den Generalkontrolleur der Finanzen Anne Robert Jacques Turgot und den Staatssekretär für den Königlichen Haushalt Chrétien-Guillaume de Lamoignon de Malesherbes. Die radikalen Reformvorschläge der beiden stießen jedoch auf den Widerstand des Adels, und Ludwig vermochte nicht, diesen zu brechen. Dann berief er 1786 eine Versammlung von 144 Notabeln ein, deren Beratungen ebenfalls kein Ergebnis erbrachten – abgesehen von einer ersten sichtbaren Schwächung der absolutistischen Macht des Königs.

1789 schließlich entschloss sich Ludwig, die Generalstände einzuberufen, die seit 1614 nicht mehr zusammengetreten waren und nun neue Steuern bewilligen sollten. Dabei trat er ebenso hochfahrend wie ungeschickt auf und verspielte dadurch die Chance, die Stände geschlossen hinter sich zu bringen. Das fing damit an, dass er bei der Eröffnungszeremonie am 4. Mai 1789 erst mit mehrstündiger Verspätung erschien und dann während des anschließenden Gottesdienstes einschlief. Am Ende erklärten sich die Abgeordneten des die freien Bauern und Bürger umfassenden Dritten Standes aufgrund seiner ablehnenden Haltung gegenüber ihren Neuerungsvorschlägen zur Nationalversammlung, worauf der König am 23. Juni mit Drohungen reagierte.

Als Konsequenz hieraus drang erstmals eine aufgebrachte Menschenmenge ins Schloss von Versailles vor. Dass Ludwig daraufhin Truppen zum Schutz seiner Domizile zusammenziehen ließ, was im Volk als Maßnahme gegen die Nationalversammlung interpretiert wurde, brachte das Fass zum Überlaufen und war einer der Gründe für den Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789.

Statt der explosiven Stimmung mit dem Versuch einer Deeskalation Rechnung zu tragen, ließ Ludwig ein weiteres Regiment mit 1100 Mann nach Versailles verlegen und veranstaltete dort zwischen dem 1. und 4. Oktober 1789 drei opulente Bankette für die Offiziere dieser Einheit, an denen auch die königliche Familie teilnahm. Das löste im hungernden Paris erneut massive Empörung aus.

Er goss Öl ins Feuer
Die nächste Provokation des Königs war seine Flucht nach Varennes am 20. Juni 1791 und seine Proklamation an die Franzosen, die er in Paris zurückließ. In ihr widerrief er alle Zugeständnisse, die er seit dem Oktober 1789 gemacht hatte und bezeichnete die mit seinem zumindest formellen Einverständnis eingeführte konstitutionelle Monarchie als ein Regierungssystem, „das in der Praxis nicht funktionieren“ könne. Die Flucht misslang. Nach seiner Freiheit verlor Ludwig auch seine Krone, als das neugewählte Revolutionsparlament, der Nationalkonvent, am 21. September 1792 die Republik ausrief.

Auf der einen Seite war Ludwig also ein Getriebener, der auf Missstände reagieren sollte, die vielfach nicht auf sein Konto gingen. Auf der anderen Seite goss er aus Überheblichkeit oder Ungeschick reichlich Öl ins Feuer und provozierte so letztlich den Ausbruch der Revolution. Und als diese dann fortschritt und immer radikalere Züge annahm, kamen weitere Fehlentscheidungen hinzu, die ihn Stück für Stück in die Rolle eines Sündenbocks drängten, der nacheinander vier Tode sterben musste: den sozialen infolge der stufenweisen Isolierung vom Volk und vom Hof ab Juni 1789, den politischen nach der missglückten Flucht aus dem revolutionären Paris im Juni 1791, den symbolischen durch den Entzug der Königswürde und die Ausrufung der Republik im September 1792 sowie dann schlussendlich auch den physischen, als am 21. Januar 1793 sein Kopf unter der Guillotine fiel.

Historiker wie Jean de Viguerie vertreten die Ansicht, Ludwig sei von unaufhaltsamen Mächten ins Verderben gerissen worden. Dahingegen vergleichen ihn andere Geschichtsexperten, darunter beispielsweise Guillaume Perrault, mit ebenfalls absolutistisch regierenden oder zumindest absolutistisch regieren wollenden Monarchen wie den englischen, schottischen und irischen König Karl I. oder den russischen Zaren Nikolaus II., die ähnlich ungeschickt auf Krisen reagiert und dies ebenfalls am Ende erst mit ihrem Thron und dann mit ihrem Leben bezahlt hätten.


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Kommentare

Kersti Wolnow am 07.05.24, 10:56 Uhr

Historiker wie Jean de Viguerie vertreten die Ansicht, Ludwig sei von unaufhaltsamen Mächten ins Verderben gerissen worden.

Das könnte stimmen, denn wer hat ein so großartiges Organisationstalent wie eine bestimmte Gruppe, der böse Zungen nachsagen, daß Oliver Cromwell sie zum Sturz des englischen Königs aus Amsterdam herbeirufen ließ. Das ist eine international bestens vernetzte Gruppe, die auch an der russischen Revolution 1917 nicht unbeteiligt war. Finanzielle MIttel und Redetalent ihrer ausgewählten Anführer spielen natürlich auch eine nicht unerhebliche Rolle.
Einmal an der Macht, beginnt jedesmal das blutige Martyrium für das jeweils umorganisierte Volk. Hüte uns Gott vor derartigen Revolutionen!!!

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