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Östlich von Oder und Neiße

Geteilte „Weltstadt“ im Rampenlicht

Wo sich Mährer und Schlesier trafen, taten dies auch Polen, Deutsche, Tschechen und die Welt

Till Scholtz-Knobloch
03.06.2024

Am 26. Mai ging die Eishockey-Weltmeisterschaft in Tschechien zu Ende – mit zwei der Viertelfinalpaarungen tat sie das bereits am 23. Mai in dem neben Prag zweiten Austragungsort Ostrau. In der Vorrunde spielten die Tschechen in der Gruppe A (Prag), die Deutschen und Polen in der Gruppe B (Ostrau). Und eben diese drei Nationen haben in Ostrau quasi ihre historische Schnittstelle.

Das einst kleine Provinznest explodierte ab dem 18. Jahrhundert mit seinen Kohlegruben und Hochöfen, es mauserte sich zu einer der wichtigsten Industriestädte Österreich-Ungarns. Lebten 1870 bereits 40.000 Menschen hier, waren es vor dem Ersten Weltkrieg sogar 190.000. Die Arbeitersiedlungen waren Tschechen, Polen und Deutschen Heimat. Den eigentlichen Kern der Stadt bildete ein nach Norden ragender Zipfel Mährens (Mährisch Ostrau), gleich hinter der Ostrawitz [Ostravica] lag Schlesisch Ostrau im wie Mähren ebenso österreichischen Kronland Schlesien, das den südlichen Teil Oberschlesiens bildete und nach den Schlesischen Kriegen nicht an Preußen gefallen war. Während der Protektoratszeit waren Mährisch und Schlesisch Ostrau 1941 zu einer Stadt vereinigt worden. Den innerstädtischen Rivalitäten zwischen Mährern und Schlesiern hatte Ota Filip mit seinem Roman „Die Himmelfahrt des Lojzek Lapáček aus Schlesisch Ostrau“ anhand der einstigen Duelle der örtlichen Fußball- und Eishockeyteams ein Denkmal gesetzt.

Das spielte bei der aktuellen Weltmeisterschaft und in der Halle im Mährischen Teil der Stadt, in der der HC Witkowitz [Vítkovice] seine Erstligaduelle spielt, für die Nationalitäten keine Rolle, zumal der Auswärtige von dem historischen Kuriosum der lange vereinigten Stadt, die 1990 mit 327.000 Einwohnern ihren Höchststand erreichte, meist auch nichts weiß. 1994 wurde das letzte Steinkohlewerk geschlossen und 1998 die Witkowitzer Eisenwerke.

Seit dem 10. Mai hatten vor allem Fangruppen aus Schweden und Lettland die Stadt in blau-gelbe und weinrot-weiße Farben gehüllt, auf dem zentralen Platz Restaurants in Beschlag genommen oder beim Spaziergang durch die Parkanlagen entlang der Ostrawitz nicht geahnt, dass hier einmal eine kulturelle Bruchgrenze verlief.

Fangruppen aus Deutschland und Polen waren dem Autor dieser Zeilen am 12. Mai hingegen kaum aufgefallen. Bei den Polen mag eine Rolle gespielt haben, dass deren Fans am für Polen spielfreien Tag in Hotels auf eigenem Gebiet geblieben waren.
Ausgerechnet eine kleine Gruppe mit dezidiert oberschlesischem Akzent lief jedoch fahnenschwenkend weiß-rot durch die Stadt. Die bundesdeutschen Fans blieben gegenüber Schweden und Letten ebenso eine kleine Minderheit. Deutsche Fans waren oft erst auf den zweiten Blick als solche erkennbar, da sie in Trikots der Mannheimer Adler oder Schwenniger Wild Wings, nicht jedoch in Schwarz-Rot-Gold gehüllt eher bekannt nationaldemütig durch die Stadt liefen.

Deutsche Fans waren kaum erkennbar

Weitgehend parallel zur Weltmeisterschaft hat Ostrau viel Aufmerksamkeit auch unter Kulturfreunden erhalten. Die Doppelstadt hat beim doppelten Jubiläum des Nationalkomponisten Bedřich Smetana nämlich die Nase vorn. Der als Friedrich im böhmischen Leitomischl [Litomyšl] Geborene, hatte sich die tschechische Sprache und Identität erst mühsam selbst angeeignet und könnte damit gut auch ein Kind Ostraus und nicht Leitomischls sein. Ostrau hat sich zum 200. Geburts- und 140. Todesjahr des Musikers einfallen lassen, am örtlichen Mährisch-Schlesischen Nationaltheater alle seine Opern ins Programm zu nehmen. Es ist damit das einzige Opernhaus der Welt, das alle acht vollendeten Opern Smetanas in Eigenregie aufführt.


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