25.04.2024

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Merseburger Dom

„Geweiht für die Ewigkeit“?

Merseburg feiert die 1000 Jahre zurückliegende Weihe des Domes mit vier Ausstellungen

Veit-Mario Thiede
03.10.2021

Kaiser Heinrich II. und zahlreiche geistliche Würdenträger zelebrierten am 1. Oktober 1021 die Weihe des Merseburger Domes. Die Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg sowie des Kollegiatsstifts Zeitz warten zur 1000-Jahr-Feier der Weihe in den Nebengebäuden des Doms mit drei Ausstellungen auf. Eine weitere veranstaltet das Kulturhistorische Museum.

Die Domstifter feiern mit dem Sinnspruch „Geweiht für die Ewigkeit“. Aber vom Ursprungsbau hat wenig mehr als die untere Zone der Westtürme die Zeiten überdauert. In den beiden Jahrzehnten nach der Weihe fiel der Dom nämlich zweimal in sich zusammen.

Den Wiederaufbau veranlasste Bischof Hunold. Der älteste nahezu vollständig erhaltene Raum dieses 1042 geweihten Neubaus ist die eindrucksvolle Krypta.

Bereicherung der Dauerschau

Eine weitere Neuweihe erfolgte einer im Dom angebrachten Bronzetafel zufolge 1886 „unter Wilhelm dem ersten protestantischen Kaiser und in Gegenwart Friedrichs des ersten deutschen Kronprinzen“. Den Beschlüssen des Wiener Kongresses von 1814/15 zufolge waren weite Teile des zuvor zum kursächsischen Staatsgebiet gehörenden Merseburger Stiftslandes 1815 an Preußen gegangen. Das preußische Königshaus ließ in den 1830er Jahren die barocke Ausstattung des Domes entfernen und sorgte in der ersten Hälfte der 1880er Jahre für die mit Umbauten verbundene umfassende Restaurierung, die bis heute wesentlich das Erscheinungsbild des Bauensembles bestimmt.

In dessen Kapitelhaus sind Objekte des Domschatzes ausgestellt. Der ist arg dezimiert, denn die kursächsischen Herrscher wie August der Starke verleibten viele Merseburger Stücke ihren Kunstsammlungen ein. Derzeit und noch bis Ende dieses Monats bereichern vier davon, die sonst in der Rüstkammer der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zu sehen sind, die Dauerschau im Kapitelhaus: zwei Mitren, ein Paar rote Pontifikalhandschuhe und ein Dolch.

„Jahr1000Schätze“

Mit dem Dolch aber stimmt etwas nicht. Laut dem im 16. Jahrhundert verfassten zugehörigen Dokument soll ihn Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden 1080 in der Entscheidungsschlacht mit König Heinrich IV. geführt haben. Allerdings ist der auf das 16. Jahrhundert datierte Dolch dafür nicht alt genug.

Der zentrale Ort des Andenkens an Rudolf von Rheinfelden ist Merseburg. Das bronzene Reliefbildnis auf seiner Grabplatte im Chor des Domes ist die älteste derartige figürliche Darstellung in Europa. Und eine zum Domschatz gehörende mumifizierte Hand gilt als die des gescheiterten Gegenkönigs.

In der Südklausur wird die Sonderausstellung „Jahr1000Schätze“ gezeigt. Sie startete im Januar mit zwei Exponaten aus dem 20. Jahrhundert. Jeden Monat kommen zwei selten ausgestellte Objekte aus dem Domschatz und dem Stiftsarchiv hinzu, um sich in Jahrhundertschritten der Domweihe von 1021 zu nähern. Seit diesem Monat ist eine Urkunde zu sehen, die Heinrich II. am 5. Oktober 1021 ausstellte. Domstiftsarchivar und Ausstellungskurator Markus Cottin weist auf eine Besonderheit hin: „In der Urkunde fällt unmittelbar vor der Nennung der beiden dem Domklerus geschenkten Orte ein Tintenwechsel auf.“ Cottin schließt daraus auf einen außerordentlichen Gunstbeweis des Herrschers: Er stellte dem Domklerus zunächst eine Art Blanko-Urkunde aus, die später ihrem Schenkungswunsch gemäß vervollständigt wurde.

Dankesbrief Jacob Grimms

Das berühmteste Merseburger Dokument ist heidnischer Natur. Es handelt sich um das einzige bekannte althochdeutsche Sprachzeugnis für Zaubersprüche. Der eine soll Gefangene aus ihren Fesseln befreien, der andere die Fußverletzung eines Pferdes heilen. Die vor über 1000 Jahren von einem Mönch in Fulda niedergeschriebenen Beschwörungsformeln entdeckte 1841 der Historiker Georg Waitz in einer liturgischen Sammelhandschrift der Domstiftsbibliothek.

Davon setzte er Jacob Grimm in Kenntnis. Der lieh sie sich aus und erhob sie zum Thema seiner Antrittsvorlesung, die er am 3. Februar 1842 vor der Berliner Akademie der Wissenschaften hielt. Noch am selben Tag schickte er einen Brief an das Domkapitel, in dem er über seine Vorlesung berichtete und sich für die Ausleihe der originalen Zauberspruch-Handschrift bedankte. Normalerweise ist das Faksimile der beiden Beschwörungsformeln im stimmungsvoll ausgeleuchteten „Zauberspruchgewölbe“ zu sehen. Seit dem 1. Oktober jedoch liegt an ihrer Stelle der Dankesbrief Jacob Grimms, während die originalen Sprüche in der Marienkapelle des Kapitelhauses ausgestellt werden.

Kulturhistorisches Museum

Das Kulturhistorische Museum präsentiert 60 Gemälde, Aquarelle, Grafiken und Fotografien des 17. bis 21. Jahrhunderts, die den Dom künstlerisch interpretieren, dazu Postkarten sowie Bilder und Modelle, die Schüler des Domgymnasiums angefertigt haben. Es fällt auf, dass die Künstler bestimmte Ansichten bevorzugen, vor allem den Blick vom Domplatz auf das Hauptportal, Darstellungen des Kreuzgangs sowie den Blick von der Saale herauf zu Dom und Schloss. Den Blick präsentiert auch eine technisch brillante Fotografie von 1898. Sie entstand im Rahmen der umfangreichen Dokumentation historisch wertvoller Bauwerke, welche die Königlich Preußische Messbild-Anstalt unter Leitung des Baurats Albrecht Meydenbauer durchführte.

Rätsel gibt laut Auskunft des Ausstellungskurators Joachim Riebel ein Fotoalbum auf, das Hugo Herrfurth für den Maler Adolf Menzel „zur Erinnerung an die Tage seines Aufenthalts vom 22. bis 28. Oktober 1886 in Merseburg“ anlegte – ihm aber offenbar nicht überreicht hat.

• Alle vier Ausstellungen laufen bis Ende dieses Monats. Der Merseburger Dom, Domplatz 7, 06217 Merseburg, Telefon (03461) 210045, Fax (03461) 720621, E-Mail: fuehrung@merseburger-dom.de ist im Oktober montags bis sonnabends von 10 bis 18 Uhr sowie sonntags und an kirchlichen Feiertagen von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Das Kulturhistorische Museum Schloss Merseburg, Domplatz 6, 06217 Merseburg, Telefon (03461) 40-2005, Fax (03461) 40-2006, E-Mail: museum.schloss.merseburg@saalekreis.de, ist grundsätzlich täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Am 1. Oktober schließt es erst um 21 Uhr. Am 2. und 3. Oktober öffnet es bereits um 9 Uhr.


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