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Arbeitet wie Graveure vor hundert Jahren: Glaskünstler Marcin Zieliński Foto:Wagner
Foto: WagnerArbeitet wie Graveure vor hundert Jahren: Glaskünstler Marcin Zieliński Foto:Wagner

Östlich von Oder und Neiße

Glas verschönern wie vor hundert Jahren

Im Rahmen der Exkursionsreihe „Satelliten“ des Schlesischen Museums Görlitz stellen Künstler sich in den Orten ihres Schaffens vor

Chris W. Wagner
08.07.2022

Künstler und Orte ihres Schaffens sind Stationen einer Exkursionsreihe in Niederschlesien, die vom Schlesischen Museum Görlitz im Rahmen des Projektes „Satelliten“ organisiert wird. Der Name „Satelliten“ fiel der Initiatorin dieser Reihe, Agnieszka Bormann, ein, weil die Künstler, um die es geht, meist Absolventen der Breslauer Kunstakademie sind. „Sie schwärmen aufs Land aus und wie Raumpioniere erschließen sie ihre neuen Orte, gestalten sie und ziehen andere mit“, erläutert sie. Für diese Künstler spiele die Geschichte ihrer Orte eine besondere Rolle. „Sie reflektieren, wo sie leben und wer vor ihnen dort war. Diese Auseinandersetzung mit den Umbrüchen, dem Bevölkerungsaustausch, der jahrelang verschwiegenen Vergangenheit, der Neuentdeckung und Neuerfindung der Orte – das alles lassen sie in ihr Schaffen einfließen“, betont sie.

Im höchstgelegenen Ort des Bober-Katzbachgebirges, in Altenberg [Radzimowice] hat sich Marcin Zieliński niedergelassen. Der Glaskünstler, Bildhauer, Schleifer und Graveur wollte von Kindesbein an, wie sein Vater Konstanty, mit Glas arbeiten. „Mein Vater hat mich zu seinem Arbeitsplatz in die Graveurwerkstatt der Glashütte Sudety (Sudeten) mitgenommen. Das war in Rückers [Szczytna]“. Diese Glashütte produzierte um 1870 kunstvoll geschliffenes Kristallglas. Zieliński weist stolz auf eine Schleifmaschine, die noch von den Gründern der Glasschleiferei in Rückers, den Rohrbachs, signiert ist.

Als die alten Hütten zu kommunistischen Zeiten modernisiert wurden und viele dann nach der politischen Wende geschlossen wurden, machten sich Konstanty und Sohn Marcin auf, die Werkzeuge zu bewahren. Selbst ausgehärtete Glasfragmente aus den demontierten Öfen hatten die beiden gesammelt. „Mein Vater sagte: ‚Daraus werden wir Skulpturen schaffen'. Und so habe ich diese schweren Glasbrocken nach Hause geschleppt. Zwei Tonnen. Das Glas stammte hauptsächlich aus den Hirschberger Optischen Werken. Dort, in der Rüstungsabteilung, wurden Visiere für russische Panzer produziert“, sagt er. „Mein Vater sagte: ,Wenn Du es mit dem Glas ernst meinst, musst du anfangen, alte Glasbrocken zu sammeln.' Wir kauften die Bestände schließender Hütten auf und lagerten alles im Keller. Irgendwann hatte meine Mutter keinen Platz mehr für ihre Einmachgläser“, lacht er. Aus diesen Glasbrocken entstehen in seinem Glasatelier Skulpturen.

„Ich habe von den Besten gelernt: von meinem Vater, der wiederum bei Irena Wędziagolska – einer Schülerin von Meister Ressler – lernte. Ressler war einer der allerbesten Graveure der 30er Jahre in Schlesien. Nach Kriegsende behielt man ihn in Breslau. Er musste erst einmal sein Können an einen Polen weitergeben. Es war Wędziagolska, der Ressler auch seine Werkstatt vermachte. Und diese Werkstatt sehen sie jetzt hier bei mir.“ In dieser findet man ausschließlich altes Werkzeug, mit dem Graveure und Schleifer bereits vor hunderten Jahren gearbeitet haben.

Im 13 Kilometer von Altenberg entfernten Kleinhelmsdorf [Dobków] haben Krzysztof Rozpędowski und seine Ehefrau Ewelina das Gasthaus Villa Greta aus Ruinen erschaffen. Es ist eine Hommage an Krzysztofs Großmutter Margarethe, die einzige verbliebene Deutsche im Ort. Greta ist durch die Heirat mit einem Polen nach Kriegsende nicht vertrieben worden. Sie lernte Polnisch und richtete sich so gut sie konnte in der neuen Ordnung ein.

Seit drei Jahren lebt und arbeitet auf dem Villa-Greta-Hof ein weiterer Enkel Gretas, Dawid Kowalski, aus Osnabrück. 2020 hat Kowalski aus einer Scheune eine Keramikwerkstatt geschaffen. Nun bietet er Kurse für Erwachsene und Kinder an und erzählt dabei auch die eine oder andere Anekdote über seine Oma. „Man sagte im Dorf, Greta wäre ganz besonders fromm gewesen. Ständig wollte sie beichten. Der Grund ihrer häufigen Beichtstuhlbesuche war, dass der Pfarrer im Dorf der einzige war, mit dem sie Deutsch sprechen konnte“, erzählt Kowalski. „Sie hat es nicht leicht gehabt, als einzige Deutsche im Ort“, aber sie habe aus ihrem Leben das Beste gemacht, und das versuchen ihre Enkel in der Villa Greta jetzt auch.

Zu solchen Menschen und Orten führt das Projekt „Satelliten“. Im Juli geht es ins schlesische Kummelwitz [Komorowice]und Woislawitz [Wojsławice]. Im September dreht sich alles um Glas- und Keramikkunst zur Republik Polen gehörenden Teil der Oberlausitz. Informationen gibt es auf der Internetseite schlesisches-museum.de.


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