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Sterbebegleitung und Hospizarbeit – Der Dienst an einem Menschen in seiner finalen Phase ist traurig und hoffnungsvoll zugleich
Am Ende des Lebens sind es die kleinen Dinge, die zählen. Eine Hand, die sanft den Handrücken streichelt. Eine innige Umarmung. Eine Stunde auf einer Parkbank sitzen, das Gesicht in die Sonne halten, ein gutes Gespräch führen. Oder nachts um 3 Uhr Pizza essen. Einfach, weil gerade jetzt der Appetit da ist, der durch Schmerzmittel und andere Medikamente so gut wie verloren gegangen war. Wenn die Zeit abläuft, ist es schön, wenn der Mensch nicht allein ist. Gesellschaft tut gut und ist oft notwendig. Wenn die eigene Kraft Geschichte ist, der Körper seinen Dienst versagt.
Längst nicht immer besteht die Möglichkeit, zu Hause im Kreis der Familie den letzten Atemzug zu tun. Auch wenn sich nach einer Umfrage des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbandes rund 60 Prozent der Bürger genau das wünschen. Mal leben die Verwandten weit entfernt, mal gibt es keine Familienangehörigen mehr. Oder eine Krankheit macht eine intensive medizinische Pflege notwendig. Dazu kommt: Der Tod und das Sterben sind aus dem Leben verdrängt worden.
Erhält ein nahestehender Mensch eine Diagnose, mit der einhergeht, dass das Leben sich drastisch verkürzt, fühlen sich Betroffene oft hilflos und überfordert. Pflege und Betreuung Sterbender – gleichgültig wie alt der Mensch ist – sind eine anspruchsvolle Aufgabe. Gefühle, die aufkommen, müssen bewältigt werden. Auch bei den Nahestehenden. Wer es als Sohn, Schwester, Freund oder Ehepartner nicht schafft, die Aufgaben rund um die Betreuung selbst zu leisten, muss sich keinen Vorwurf machen. Besser ist es, sich Hilfe zu holen. In einem Hospiz oder bei einer Sterbebegleitung.
Dort gibt es Betreuer, die sich liebevoll um einen Menschen kümmern, der nur noch wenige Wochen oder gar Tage zu leben hat. Geht das? Kann das ein wertvoller Beitrag sein? „Ja, auf jeden Fall,“ sagt Hospizbegleiterin Bahar Kurt, „manchmal ist es sogar besser, wenn jemand von außen kommt. Es gibt einfach Dinge, die ein Mensch, der stirbt, Nahestehenden nicht anvertrauen möchte, weil er sie damit nicht belasten möchte. Und es gibt Fälle, da ist es einfach gut, wenn eine Sterbebegleitung einige Stunden mit dem Klienten verbringt und die Verwandten, die sich die Woche über intensiv kümmern, eine Pause bekommen.“ Die 37-Jährige begleitet seit drei Jahren Menschen in der finalen Phase ihres Lebens.
Auch Nadine Sauer sieht das so. Sie ist seit zwei Monaten Gast in einem Hospiz im Süden von Niedersachsen. Ihre Diagnose: kleinzelliger Lungenkrebs im Endstadium. Ihr Mann und ihre Tochter verbringen viel Zeit mit ihr im Hospiz. „Die Familie um sich zu haben, ist schön“, weiß Nadine. „Aber es fließen auch viele Tränen. Manchmal tut es gut, Ablenkung zu haben und mit anderen lieben Menschen hier im Hospiz über ganz andere Dinge zu sprechen, oder auch Witze zu machen, zu lachen.“
Ohne Ehrenamtliche geht nichts
Mit ihrem Engagement folgen Sterbe- und Hospizbegleitungen einer alten Tradition. Der Begriff „Hospiz“ leitet sich vom lateinischen „hospitium“ ab, das mit den Begriffen „Herberge“ und „Gastfreundschaft“ übersetzt werden kann. Über viele Jahrhunderte hinweg haben Klöster und Kirchen die Aufgabe übernommen alte und schwerstkranke Menschen, die keine Familie hatten, in der letzten Phase ihres Lebens zu begleiten, ihnen Herberge, Gastfreundschaft zu bieten und seelischen Beistand zu leisten.
Die sogenannte Hospizbewegung entwickelte sich dagegen erst im 20. Jahrhundert. Ende der 1960er Jahre setzte sich die britische Krankenschwester Cicely Saunders dafür ein, Menschen in der letzten Phase ihres Lebens nicht nur mit dem medizinisch Notwendigen zu versorgen, sondern sie zu betreuen, zu begleiten. Die Qualität der finalen Lebensphase steht dabei im Vordergrund. Dazu gehört auch eine Anpassung der Medikation. Symptome werden gelindert, Schmerzen reduziert, aber abgesehen davon wird vor allem das Wohlbefinden gesteigert. Es geht weniger darum, das Leben um möglichst viele Tage zu verlängern, sondern darum, die letzten Tage so schön wie möglich zu gestalten. Deshalb gehört bei den ambulanten und stationären Hospizen auch eine wohnliche Einrichtung dazu.
Das von Cicely Saunders im Jahr 1967 gegründete St. Christopher Hospiz war die erste stationäre Einrichtung dieser Art. In Deutschland öffnete 1986 das erste Hospiz seine Türen. Heute gibt es bundesweit insgesamt rund 1500 ambulante Hospizdienste, etwa 250 stationäre Hospizeinrichtungen für Erwachsene und 19 stationäre Hospize, die sich auf Kinder und Jugendliche spezialisiert haben.
In der Regel sind diese Hospize klein, viele haben nur Platz für fünf bis zehn Menschen. Ein großer Teil der Hospize firmiert als eingetragener Verein, andere werden durch eine Stiftung getragen. Seit einigen Jahren sind Hospize Teil des Gesundheitswesens und müssen sich nur noch anteilig über Spenden finanzieren. Ohne Spenden und ehrenamtliche Arbeit geht es aber nicht.
„Generell ist ein Rückgang der Spendenbereitschaft zu verzeichnen“, erläutert Claudia Olsen, Geschäftsführerin des Hospiz- und Palliativverbandes Schleswig-Holstein e.V. „Aber in diesem besonderen Bereich haben wir derzeit immer noch das Glück, dass gespendet wird. Trotz des Rückgangs ist die Versorgung in allen Bereichen der Hospizversorgung noch sichergestellt.“ Das gilt auch für das ehrenamtliche Engagement. Aktuell engagieren sich bundesweit 12.000 Menschen im Hospizwesen und als Sterbebegleiter.
„Als mein Vater schwer erkrankte und am Ende die Pflege unsere Kraft überstieg, haben wir als Familie entschieden, ihn ins Hospiz zu verlegen“, erinnert sich Bahar Kurt. „Ich war beeindruckt, wie herzlich und liebevoll die Mitarbeiter dort waren. Und auch die Atmosphäre.“
Durch ihre Arbeit als Sterbebegleiterin möchte sie etwas zurückgeben. „Einen Menschen am Ende zu begleiten, ist etwas ganz Besonderes. Eine Gnade. Man darf einen ganz wichtigen Abschnitt im Leben eines Menschen teilen. Das macht auch etwas mit einem selbst.“ Rückbesinnung auf das Wesentliche. Wertschätzung des Lebens, der kleinen Glücksmomente. Sterben, Tod und Trauer gehören eben einfach zum Leben dazu.
Chris Benthe am 22.11.22, 13:22 Uhr
Danke für diesen berührenden Beitrag. Ein immens wichtiges Thema aus unserer Menschenmitte. Krankheit kann jeden treffen, der Tod trifft jeden. Die aufopferungsvolle Arbeit all der Hospiztätigen kann man nicht hoch genug bewerten.