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Kultur

Goldene Zeiten der Archäologie

Berlin würdigt den Troja-Entdecker Heinrich Schliemann mit einer imposanten Präsentation an gleich zwei Ausstellungsorten

Harald Tews
14.05.2022

Es wäre ein frommer Wunsch gewesen, die originalen Teile des „Schatzes des Priamos“ in der neuen Berliner Schliemann-Ausstellung vorzeigen zu können. Gerade nach dem Ukrainekrieg wird es ein dauerhafter Wunschtraum bleiben, denn der Goldschatz, den der Archäologe Heinrich Schliemann bei seinen Ausgrabungen in Troja im Jahr 1873 entdeckte, befindet sich im Moskauer Puschkin-Museum. Die Russen hatten ihn nach dem Zweiten Weltkrieg in die Sowjetunion verschleppt, wo er seitdem als Beutekunst unter Verschluss ist. Völlig undenkbar, dass Putin daran etwas ändern wird.

Immerhin befinden sich im Schliemann-Saal des im Neuen Museum beheimateten Museums für Vor- und Frühgeschichte Berlin eine originalgetreue Nachbildung sowie einige Originalteile, die man zu DDR-Zeiten und kurz nach dem Zerfall der Sowjetunion gnädigerweise aus Moskau zurückerhalten hat. In der Ausstellung „Schliemanns Welten. Sein Leben. Seine Entdeckungen. Sein Mythos“, die vom 13. Mai bis 6. November auf der Berliner Museumsinsel in der James-Simon-Galerie und im Neuen Museum präsentiert wird, stehen sie wieder im Vordergrund.

Anlass dieses Ausstellungsdoppels ist die 200. Wiederkehr von Schliemanns Geburtstag am 6. Januar dieses Jahres (die PAZ berichtete). Mit rund 700 Objekten – darunter viele internationale Leihgaben – steht neben spektakulären Ausgrabungsfunden auch erstmals der „unbekannte“ Schliemann vor seiner Hinwendung zur Archäologie im Fokus einer Ausstellung. Anhand aktueller Forschungsergebnisse setzt sie sich jetzt kritisch mit den archäologischen Methoden seiner Zeit auseinander.

Dabei nähert man sich der schillernden und umstrittenen Persönlichkeit in zwei Kapiteln: Während sich der Ausstellungsteil in der James-Simon-Galerie rein biographisch mit der ersten Lebenshälfte Schliemanns befasst und lebhafte Einblicke in die Lebenswelt des 19. Jahrhunderts gibt, steht im Neuen Museum mit spektakulären Funden der Königsgräber in Mykene und der Trojanischen Sammlung Schliemanns archäologisches Schaffen im Mittelpunkt.

Schliemanns „Sammlung Trojanischer Altertümer“ umfasst über 10.000 Objekte, zu denen neben den bekannten Goldfunden Keramikgefäße, Metallgeräte, Spinnwirtel und diverse andere Kleinfunde sowie Botanikproben gehören, von denen ein Großteil ausgestellt ist. Dass Schliemann mit der bronzezeitlichen mykenischen Kultur die früheste Hochkultur Europas entdeckt hat, wird erst lange nach seinem Tod deutlich und jetzt entsprechend gewürdigt. Zu sehen sind vollständig erhaltene Tongefäße aus dieser Zeit, aber auch spätere Goldappliken mit Schmetterlingsmotiven aus Mykene.

Leihgaben sogar aus St. Petersburg

Schliemann musste lange auf die wissenschaftliche Anerkennung in Deutschland warten. Erst die Förderung durch Rudolf Virchow, Mitbegründer der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte sowie des Museums für Völkerkunde (heute Ethnologisches Museum), verhalf ihm zu positiverer Rezeption in seiner Heimat. Virchow ist 1881 auch Schliemanns Schenkung der Sammlung Trojanischer Altertümer nach Deutschland und die Verleihung der Berliner Ehrenbürgerschaft zu verdanken. Heute gehört die berühmte Sammlung zu den herausragenden Beständen des Museums für Vor- und Frühgeschichte. Nur die goldenen Objekte wie der legendäre „Schatz des Priamos“ werden bis heute in Russland als Beutekunst zurückgehalten.

Schliemanns Nachlass umfasst über 50.000 Dokumente, die in der Athener Gennadius-Bibliothek aufbewahrt werden und die einen Einblick in die Persönlichkeit des vielfach umstrittenen Ausgräbers geben. Neben Massen an Tagebüchern, Reisedokumenten, Briefen, Fotografien, Rechnungen und Publikationen, die nun nach und nach auch digitalisiert zur Verfügung stehen, stellen auch die 17 Sprachen – unter anderem Englisch, Französisch, Russisch, Arabisch, Farsi und Altgriechisch –, in denen Schliemann kommunizierte, die Forschung bis heute vor Herausforderungen.

Auf Basis der Forschungsergebnisse ist die Sonderausstellung daher bewusst in zwei Bereiche unterteilt und präsentiert gleichwertig Schliemanns biografische und archäologische „Welten“. Neben herausragenden Objekten aus zahlreichen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin – darunter das Ethnologische Museum, das Museum für Asiatische Kunst, das Kunstgewerbemuseum, das Münzkabinett, die Kunstbibliothek sowie die Antikensammlung und das Ägyptische Museum und Papyrussammlung – runden internationale Leihgaben aus der Eremitage St. Petersburg, die man glücklicherweise noch vor Kriegsbeginn organisieren konnte, oder dem Katsigras-Museum in Larissa die Ausstellung ab.

Von herausragender Bedeutung sind Exponate aus dem Nationalmuseum Athen: Die spektakulären Goldschmiedearbeiten aus den sogenannten Königsgräbern von Mykene sowie Fragmente der Wandmalereien aus Tiryns bilden die Höhepunkte des archäologischen Teils.

• Schliemanns Welten James-Simon-Galerie und Neues Museum, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, Eintritt: 14 Euro. Telefon (030) 266424242, Internet: www.smb.museum. Der Ausstellungskatalog ist im E. A. Seemann Verlag erschienen (320 Seiten, 250 farbige Abbildungen, 36 Euro)


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