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Griff nach der Regionalmacht

Aus Anlass des 600. Jubiläums der Verleihung der Kurwürde: Meißen präsentiert die ersten „Königsmacher“ aus Sachsen

Veit-Mario Thiede
15.06.2024

Normalerweise steht die 1878 geschaffene Skulptur Friedrichs des Streitbaren auf hohem Sockel in der Großen Hofstube der Meißner Albrechtsburg. Von dem ist die lebensecht wirkende Figur hinabgestiegen, um uns in der Sonderschau „Königsmacher – Ein Wettiner wird Sachse“ willkommen zu heißen. Schließlich ist Friedrich der Streitbare (1370–1428) die Hauptperson der Ausstellung: Der Markgraf von Meißen erlangte vor 600 Jahren als erster Wettiner die Kurwürde.

Aufgeboten werden historische Objekte, Nachbildungen, Texttafeln, Hörstationen und laufende Bilder. In Siebenmeilenstiefeln geht es durch die Geschichte Sachsens. Am Ende stehen wir vor dem „Regal der Sachsen“, das heutige Landesbewohner mit Objekten bestückt haben. Die zeigen, was Menschen mit Sachsen verbindet und sind mit einer persönlichen Geschichte verknüpft, die man abrufen kann.

Als künstlerisch wertvollstes Exponat wird uns das in der Vergangenheit offenbar nicht immer pfleglich behandelte, nun aber eigens für die Schau restaurierte Altarretabel der Kirche von Chemnitz-Ebersdorf vorgestellt. Es war vermutlich eine Stiftung von Friedrich dem Streitbaren und seiner Gemahlin Katharina von Braunschweig-Lüneburg, die im November 1420 eine Wallfahrt zum Marienaltar der Ebersdorfer Kirche „Zu Unserer Lieben Frauen“ unternahmen. Das aus Holz geschnitzte gotische Kunstwerk zeigt in der Mitte die Mondsichelmadonna mit dem Kind. Die links und rechts in kleinerem Maßstab knienden Figuren vertreten mit gefalteten Händen im immerwährenden Gebet die beiden Stifter. Es ist ungewiss, ob die Figuren porträtgetreu Friedrich und Katharina wiedergeben.

Das zentrale Exponat der Schau aber ist die originale „Urkunde der Belehnung Friedrichs IV., Landgraf zu Thüringen und Markgraf zu Meißen, mit dem Kurfürstentum, dem Herzogtum und der Herrschaft zu Sachsen durch König Sigismund, 6. Januar 1423“. Eine ungewöhnliche Häufung von Unglücksfällen unter den Askaniern war für den Wettiner Friedrich zum Glücksfall geworden.

Die Askanier hatten die an das Herzogtum Sachsen-Wittenberg geknüpfte Kurwürde inne. Ihr letzter Vertreter war Albrecht III., der im November 1422 ohne männlichen Erben starb. Somit fielen das Herrschaftsgebiet Sachsen-Wittenberg und die Kurwürde an das Reich zurück.

Auf recht dreiste Art meldete der 1417 von König Sigismund mit der Markgrafschaft Brandenburg und der damit verbundenen Kurwürde bedachte Friedrich von Zollern für seinen Sohn Johann den Anspruch auf die Nachfolge in Sachsen-Wittenberg an, indem er das Herzogtum besetzte. Zwei Zollern als Kurfürsten und damit künftige „Königsmacher“ waren Sigismund jedoch zu viel. Er entschied sich für Friedrich den Streitbaren, der ihn seit 1420 im kostspieligen Kampf gegen die Hussiten unterstützte.

Die Geburt des heutigen Sachsen
Sigismund schickte seinen Hofrichter Johannes von Lupfen zu Kurfürst Friedrich von Brandenburg und dessen Sohn mit der Aufforderung, das Herzogtum Sachsen-Wittenberg an Friedrich den Streitbaren zu übergeben. Darüber stellten Vater und Sohn am 25. Februar 1423 in Wittenberg die Verzichtsurkunde aus. Zwei Tage zuvor hatte der Wettiner ihnen eine erhebliche Entschädigungssumme zugestanden. Bei der Belehnung 1423 war der neue Kurfürst übrigens nicht anwesend. Die kurfürstlichen Insignien – Mantel, Hut und Schwert – nahm Friedrich der Streitbare erst 1425 von König Sigismund persönlich entgegen und war nun auch förmlich in den erlauchten Kreis der drei geistlichen und vier weltlichen Königswähler aufgenommen.

Der Markgraf von Meißen nannte sich nun Kurfürst von Sachsen. Es dauerte noch lange Zeit, bis analog die Markgrafschaft Meißen als Sachsen bezeichnet wurde – und noch heute so als deutsches Bundesland bezeichnet wird.

Die ab 1471 von Friedrichs Enkeln Ernst und Albrecht erbaute Albrechtsburg gilt als ältester Schlossbau auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik. Er ist eng verzahnt mit dem 1401 geweihten Dom zu Meißen. Vor dessen Westportal ließ Friedrich der Streitbare ab 1420 die Fürstenkapelle erbauen. Die von den Wettinern bis 1539 als Grablege genutzte Fürstenkapelle ist in die Sonderschau einbezogen. Von den Pfeilern blicken die Skulpturen der zu Märtyrern gewordenen römischen Soldaten Mauritius und Viktor sowie die Madonna mit dem Kind und die Heiligen Drei Könige auf uns herab.

In der Mitte der Kapelle befindet sich das Hochgrab des ersten wettinischen Kurfürsten. Die Deckplatte gilt als eines der ersten vollständig in Bronze ausgeführten Grabdenkmäler im deutschen Raum. Ihr Relief zeigt den mit den kurfürstlichen Insignien ausgestatteten Friedrich. Seine Nachkommen müssen sich mit flach auf dem Steinboden liegenden Bronzeplatten begnügen. Vor und hinter ihm sind seine Söhne Kurfürst Friedrich der Sanftmütige und Bischof Sigismund von Würzburg beigesetzt, neben dem ein Ururenkel des ersten Kurfürsten liegt: Herzog Friedrich, Hochmeister des Deutschen Ordens.

Links und rechts neben Friedrich dem Streitbaren sind seine Enkel Ernst und Albrecht bestattet. Sie einigten sich 1485 auf die Landesteilung und begründeten die ernestinische und die albertinische Linie der Wettiner. Zunächst hatten die Ernestiner die Kurwürde inne. Der Albertiner Moritz kämpfte an der Seite Kaiser

Karls V. im Schmalkaldischen Krieg gegen seinen ernestinischen Vetter Johann Friedrich, der ihm nach seiner Niederlage 1547 Sachsen-Wittenberg – und somit die Kurwürde – abtreten musste.

Bis 20. Oktober, in der Albrechtsburg (täglich geöffnet von 10 bis 17 Uhr, Eintritt: 7 Euro) und im Dom zu Meißen.
www.albrechtsburg-meissen.de


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