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Ausstellung

„Große Befähigung zur Bildnismalerei“

Das Frankfurter Museum ist in einer groß angelegten Schau voll des Lobes über die Königsberger Künstlerin Käthe Kollwitz

Claus-M. Wolfschlag
26.05.2024

Ein wenig scheint es so, als vertraue das Frankfurter Städel-Museum selbst nicht der künstlerischen Wirkung von Käthe Kollwitz. An vielen Stellen schwelgen die Begleittexte der Bilder in Lob: „Überraschend distanzlos“ trete Kollwitz dem Betrachter in ihren frühen Selbstporträts gegenüber, heißt es (siehe auch PAZ vom 5. April). Die Selbstporträts „dokumentieren eindrücklich“ die künstlerische Vielfalt der ostpreußischen Künstlerin. Ein Selbstporträt von 1924 entfalte sogar eine „prägnante Wirkung“. Das zirka 1890 entstandene Porträt von Kollwitz' Cousine zeige die „große Befähigung der Künstlerin zur Bildnismalerei“.

Kollwitz sei eine „genaue Beobachterin“ und „sichere Zeichnerin“, heißt es an einer anderen Stelle. Menschen hätte sie in „ausdrucksintensiver Körpersprache“ wiedergegeben, Zeichnungen und Drucke von „höchst malerischer Qualität“ erzeugt.

Nun, wenn Kollwitz keine „sichere Zeichnerin“ gewesen wäre, die Qualität und Prägnanz in ihrer Kunst zu erzeugen in der Lage gewesen wäre, hätte sich das Städel ohnehin nicht für eine derartig große Schau in seinen Hallen entschieden. Zweifellos haben Kollwitz' Arbeiten Qualität. Qualität aber war ein Kennzeichen dieser ganzen Kunstepoche des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. So liefert die Schau auch einen Hinweis auf Max Klinger, dessen meisterhaftes graphisches Werk Kollwitz beeinflusst hat.

Käthe Kollwitz wurde 1867 in Königsberg geboren und starb 1945, kurz vor Kriegsende, in Moritzburg bei Dresden. Die Kindheit und Jugendjahre verlebte sie in Königsberg, wurde dort auch unterrichtet, bis sie mit ihrem Verlobten nach Berlin zog, um dort ihre künstlerische Karriere zu beginnen.

Die Frankfurter Ausstellung zeigt zahlreiche ihrer Zeichnungen zu den elenden Lebensverhältnissen von Arbeitern, Serien zum revolutionären Weber-Aufstand und zum Bauernkrieg sowie Propagandaplakate. Eine ganze Reihe von beeindruckenden Arbeiten widmet sich der innigen Mutterliebe. Sie zeigen eine Verschmelzung der Körper von Mutter und Kind, wie ein Schutzpanzer gegen die Bedrohung erscheinend.

Gleichwohl können die von Kollwitz gezeichneten tumben Physiognomien mit der stets ähnlichen Trauermiene irgendwann zu langweilen beginnen. Nur selten, wie bei der „Frau mit Orange“ (1901), wird das gedrückte Schema originell durchbrochen. Und wo kein Gott mehr aus der Depression errettete, da lag die Flucht in marxistische Heilsversprechen nahe, denen auch Kollwitz erlag und deren eigene Verbrechen sie nie kritisch aufarbeitete.

Kollwitz' Besonderheit lag indes nicht in ihrer propagandistischen Hinwendung zum Marxismus. Das haben viele andere jener Zeit ebenso getan. Ein gewisses Alleinstellungsmerkmal lag vielmehr in ihrer Rolle als weibliche Künstlerin, die sich statt der Beschäftigung mit Stillleben oder Landschaftsmalerei fast ausschließlich der Darstellung von Leid und Elend verschrieben hat. Das machte sie für die politische Vereinnahmung nach 1945 im erschütterten Deutschland Ost wie West interessant. Politische Kunst konnte dabei auf das Charakteristikum der „Menschlichkeit“ reduziert und nutzbar gemacht werden. Die Ausstellung will zur Diskussion darüber anregen. Das ist lobenswert.

Die Ausstellung „Kollwitz“ ist bis zum 9. Juni im Frankfurter Städel-Museum, Schaumainkai 63, zu sehen. Geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr, Eintritt 16 Euro. www.staedelmuseum.de


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