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Gelehrtengesellschaft

Große Namen, wenig Geld

Vor 30 Jahren wurde die „Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften“ neu konstituiert. Sie steht in der Nachfolge der preußischen Akademie

Erik Lommatzsch
21.05.2022

Am 11. Juli 1700 wurde durch den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. in Berlin eine Akademie der Wissenschaften gegründet, die – unter wechselnden Namen – bis heute fortbesteht. Maßgeblich gefördert wurden die Bestrebungen durch die als hochgebildet geltende Kurfürstin Sophie Charlotte, treibende Kraft war Gottfried Wilhelm Leibniz, der auch erster Präsident der Akademie wurde.

Im Vorfeld der Institutionalisierung schrieb der Universalgelehrte: „Solche Churfürstl. Societät müste nicht auf blosse Curiosität oder Wissensbegierde und unfruchtbare Experimenta gerichtet seyn, oder bey der blossen Erfindung nützlicher Dinge ohne Application oder Anbringung beruhen“, wie dies etwa in Paris oder London geschehen sei, „sondern man müste gleich Anfangs das Werck samt der Wissenschaft auf den Nuzen richten.“ In den Stiftungsbrief der „Kurfürstlich Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften“ wurde auf ausdrücklichen Wunsch Friedrichs III. ein Passus aufgenommen, dass die Akademie für die Erhaltung der deutschen Sprache „in ihrer anständigen reinigkeit“ Sorge tragen solle.

Staatsvertrag vom 21. Mai 1992

Mit ausdrücklicher Berufung auf die kurfürstliche Gründung des Jahres 1700 wurde die Einrichtung in ihrer gegenwärtigen Form mittels Staatsvertag zwischen den Bundesländern Berlin und Brandenburg am 21. Mai 1992 neu konstituiert, als „Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften“. Sie gehört mit der in München sitzenden Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, der in Mainz angesiedelten Akademie der Wissenschaften und der Literatur, der in Düsseldorf befindlichen Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste, der Sächsischen Akademie der Wissenschaften mit Sitz in Leipzig sowie der Akademie der Wissenschaften in Hamburg zu den derzeit acht größeren deutschen Wissenschaftsakademien, die in der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, kurz Akademieunion, zusammengeschlossen sind. Zwar eng verbunden, aber nicht zugehörig ist die „Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina“ in Halle, die seit 2008 als „Nationale Akademie der Wissenschaften“ fungiert. Bei der 1652 etablierten „Leopoldina“ handelt es sich um die weltweit älteste, durchgehend tätige naturwissenschaftliche Akademie.

Die Berliner Akademie – ab 1701 „Königlich Preußische Sozietät der Wissenschaften“, ab 1746 „Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres“, ab 1812 „Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften“ und ab 1918 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges „Preußische Akademie der Wissenschaften“ – durchlief seit ihren Anfängen ein ambivalentes Dasein. Einerseits entwickelte sie sich zur einflussreichsten deutschen Akademie mit herausragender internationaler Reputation und konnte zahlreiche renommierte Gelehrte zu ihren Mitgliedern zählen.

Zum anderen mangelte es stets an der materiellen Ausstattung, eigene Forschungseinrichtungen wie das Observatorium oder der Botanische Garten unterstanden ihr nur zeitweise. Die Finanzierung erfolgte zu Beginn aus den Erträgen eines Privilegs auf die Herstellung von Kalendern, Gelder aus dem Staatshaushalt flossen erst im Zuge der preußischen Reformen nach dem Zusammenbruch von 1806.

Gerade in den ersten Jahrzehnten waren die Rahmenbedingungen wenig vorteilhaft. So beförderte Friedrich Wilhelm I. 1718 Jacob Gundling zum Präsidenten der Akademie. Gundling war zwar ein Gelehrter, spielte für den Soldatenkönig aber vor allem die Rolle des Hofnarren – womit der Monarch demonstrierte, was er von der Wissenschaft hielt.

Friedrich der Große, der im Unterschied zu seinem Vater kulturell äußerst aufgeschlossen war, übertrug sich 1764 selbst die Geschäfte des Präsidenten. Das Recht zur Wahl ihrer Mitglieder wurde der Akademie entzogen. Wenige Jahre nach seinem Regierungsantritt schrieb er die französische Sprache vor. Unter ihm wurden die Preisaufgaben eingeführt, deren Diskussion vor allem im 18. Jahrhundert das intellektuelle Leben prägte.

Natur- und Geisteswissenschaften

Zu Beginn waren zahlreiche Hugenotten in der Akademie vertreten, wie der Jurist Charles Ancillon oder der Theologe Jacques Lenfant. Aufklärer wie Voltaire oder Denis Diderot wurden aufgenommen, der Mathematiker Leonhard Euler war ebenso Mitglied wie der Dichter Gotthold Ephraim Lessing.

Im Unterschied zu vergleichbaren Einrichtungen wurden in der Berliner Akademie von Anfang an sowohl Natur- als auch Geisteswissenschaften gepflegt. Impulse erhielt sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch die Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt, jeweils Exponenten der beiden Richtungen, und den Theologen Friedrich Schleiermacher. Einschränkend für die Ambitionen der Akademie wirkte sich die Eröffnung der Berliner Universität im Jahr 1810 aus, vor allem in Konkurrenz um Ressourcen. Die Statuten von 1881 definierten die Akademie als „eine Gesellschaft von Gelehrten, welche zur Förderung und Erweiterung der allgemeinen Wissenschaften, ohne einen bestimmten Lehrzweck, eingesetzt ist“.

Zahlreiche Akademiemitglieder waren auf mehreren Feldern tätig, etwa der Arzt, Physiologe und Physiker Hermann von Helmholtz oder Rudolf Virchow, ebenfalls Mediziner, aber auch Prähistoriker und Politiker. Theodor Mommsen, dessen Werke zur römischen Geschichte noch heute von Bedeutung sind, ist nur einer von 80 Nobelpreisträgern, welche die Berliner Akademie aufzuweisen hat. Zu ihnen gehört auch Albert Einstein, der in erster Linie mit der Relativitätstheorie verbunden wird.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte die Institution fort als „Akademie der Wissenschaften der DDR“, so der offizielle Name ab 1972. Nach wie vor handelte es sich um einen Zusammenschluss von Gelehrten, allerdings war die Akademie nun auch in einem bislang nicht praktizierten Ausmaß selbst Forschungseinrichtung.

Reichlich zwei Dutzend geisteswissenschaftlich orientierte „Akademievorhaben“, langfristige Forschungsprojekte, werden derzeit von der „Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften“ betrieben. Dazu zählen etwa das „Corpus Inscriptiones Latinarum“, eine von Theodor Mommsen begründete systematische Sammlung aller römischen Inschriften weltweit, oder die Erarbeitung eines umfangreichen „Goethe-Wörterbuchs“. Fortgeführt wird auch die „Marx-Engels-Gesamtausgabe“, die unter der für den geneigten Betrachter doppeldeutig zu lesenden Abkürzung MEGA bekannt ist und sämtliche Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels zugänglich machen soll. Weniger interessant war für die Akademie die Neubearbeitung des Deutschen Wörterbuches von Jacob und Wilhelm Grimm. Offiziell wird das Projekt als „abgeschlossen“ bezeichnet, allerdings wurden die Arbeiten mit dem Buchstaben F schlicht eingestellt.


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