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Wenn die Jahreskaltmiete nur 88 Cent beträgt – Ausstellung zum Jahrestag der vor 500 Jahren gegründeten Fuggerei in Augsburg
Die „Fuggerei“ genannte älteste Sozialsiedlung der Welt steht in Augsburg. Ihre am 23. August 1521 von Jakob Fugger dem Reichen ausgestellte Stiftungsurkunde ist das zentrale Exponat der im Maximilianmuseum gezeigten Ausstellung „Stiften gehen! Wie man aus Not eine Tugend macht“. Ihr Thema ist das Augsburger Stiftungs- und Almosenwesen zur Fuggerzeit. Aufgeboten sind 96 aufschlussreiche Dokumente und erlesene Kunstwerke wie das von Pieter Brueghel dem Jüngeren gemalte Bild „Die Werke der Barmherzigkeit“ (1. Viertel 17. Jahrhundert) und das von Hans Burgkmair dem Älteren geschaffene „Hochzeitsbildnis“ (1498), auf dem sich Jakob Fugger und seine 21 Jahre jüngere Gattin Sibylle Artzt in luxuriöser Kleidung präsentieren.
Die von Heidrun Lange-Krach kuratierte Schau beschönigt nicht etwa die damaligen Verhältnisse, sondern weist auf die als gottgewollt hingestellte soziale Ungleichheit, gezielte Entwürdigung und Ausgrenzung vieler Menschen hin. Der Aufsteigerfamilie Fugger hingegen ging es dank ihres Handels mit Tuchen und exotischen Gewürzen, dem Abbau und Verkauf von Metallen sowie dem Geldverleih an Kaiser und Papst hervorragend.
Nach dem Tod seiner Brüder Ulrich und Georg lenkte Jakob Fugger (1459–1525) die Geschicke des Familienunternehmens. Die Stiftungsurkunde unterzeichnete und besiegelte er gemeinsam mit den Söhnen seiner Brüder. Sie gilt drei Stiftungen, die auf „ewig Zeiten“ Bestand haben sollten. An der Moritzkirche finanzierten die Fugger einen Prediger. Noch heute üben sie dort das Vorschlagsrecht bei der Besetzung der Pfarrstelle aus.
In der Kirche St. Anna befindet sich die Fuggerkapelle mit der Grablege Jakobs, seiner Brüder und zweier Neffen. Die Kapelle, zu der Dürer den Entwurf zweier Epitaphe beisteuerte, gilt als erstes sakrales Bauwerk der deutschen Renaissance. In der Schau ist es mit zwei Putten vertreten, denen der Bildhauer Hans Daucher eine pummelig-niedliche Gestalt verliehen hat.
Für den Bau und die Ausstattung der Fuggerkapelle wendete die Familie zehn Mal mehr Geld auf als für die Errichtung der Sozialsiedlung. In der Fuggerei betrug die Jahresmiete einen Rheinischen Gulden, was damals dem Wochenlohn eines Handwerkers entsprach. Heute ist die Jahreskaltmiete dank eigenwilliger Umrechnung des Guldens auf 88 Cent gefallen. Damals wie heute verpflichten sich die Bewohner, für die Familie Fugger täglich das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser und das Ave Maria zu beten. Letzteres sprechen nur die Katholiken – und bis heute werden nur sie aufgenommen.
Weitere 88 Cent für den Pfarrer
Übrigens wird in den Berichterstattungen über die älteste Sozialsiedlung der Welt gern „unterschlagen“, dass die Bewohner neben ihrer Jahreskaltmiete (und den Nebenkosten) weitere 88 Cent für den katholischen Pfarrer und den Unterhalt der dem heiligen Markus geweihten Fuggerei-Kirche zahlen müssen.
Wohnraumstiftungen waren zu Fuggers Zeiten keine Seltenheit. Die Ausstellung präsentiert die Pergamenturkunde (1445) mit der Hausordnung der St. Antonspfründe. Die zwölf ausgewählten armen Männer lebten in klosterähnlicher Gemeinschaft. Sie hatten umfangreiche Verhaltensvorschriften zu beherzigen, waren zu täglichen Gedenkmessen für die Stifterfamilie verpflichtet, mussten einheitliche Kleidung tragen und gemeinsam bei Prozessionen auftreten.
Die Fuggerei hingegen bot sehr viel mehr Menschen Platz, gab den Bewohnern weit größeren Freiraum als andere Wohnstiftungen und reduzierte die zu verrichtenden religiösen Handlungen auf lediglich drei Gebete pro Tag.
Die Jenseitsorientierung prägte das Leben. Mit frommen Stiftungen zugunsten von Klöstern, Kirchen oder gemeinnützigen Einrichtungen wie der Fuggerei hoffte man, in Handelsgeschäfte mit Gott zum Erwerb des Seelenheils eingetreten zu sein. Zu Jakob Fuggers Zeit geriet diese Auffassung jedoch ins Wanken. So verkündete der damalige Augustinermönch und spätere Reformator Martin Luther in seiner 1520 zu Augsburg gedruckten „Großen Wucherpredigt“, fromme Stiftungen seien dem Seelenheil keineswegs nützlich, denn Gottes Gnade sei nicht käuflich. Aus Nächstenliebe Gutes zu tun, etwa in Form einer gemeinnützigen Stiftung, bleibe aber Pflicht jedes Christen.
Anno 1522 verbot die Stadt Augsburg das Betteln und übernahm die Fürsorge der Bedürftigen, wie der ausgestellte Druck der Almosenordnung und das Gemälde „Almosentafel der Reichsstadt Augsburg“ veranschaulichen. Die städtischen Almosenbeauftragten nahmen die Spenden der Bürger entgegen und verteilten sie an die Armen. „Rüstige Bettler“, wie man die arbeitsfähigen Nichtstuer nannte, gingen leer aus.
Bezugsberechtigte sind auf der „Almosentafel“ dargestellt: Zwei gut gekleidete Almosenbeauftragte geben Münzen an Alte, Körperbehinderte und einen Alleinerzieher aus. Deutlich ist das diskriminierende Almosenabzeichen sichtbar, das sich die Armen an ihre Kleidung heften mussten. In der 1541 überarbeiteten Almosenordnung legte der Rat fest, dass den Bedürftigen statt Geld nur noch Sachleistungen zustehen. Die Fuggerei blieb ihnen ohnehin verschlossen, denn die nahm satzungsgemäß keine Almosenempfänger auf, sondern nur schlecht bezahlte und daher bedürftige Tagelöhner und Handwerker mitsamt ihrer Familien.
• Bis 28. November im Maximilianmuseum, Fuggerplatz 1, Augsburg, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr. Eintritt 8 Euro. Telefon: (0821) 3244112,
www.kmaugsburg.de
Siegfried Hermann am 22.09.21, 06:57 Uhr
Moin!
Jetzt muss ich doch mal.. irgendwie... klugscheixxen.
Soweit, so gut. Gibt´s nix zu meckern.
Andererseits geht hier der damalige Zeitgeist, heute würde man guuudenschentum a la Billyboy Tor sagen, unter.
Damals war der Ablasshandel mit dem Klerus für eine Poleposition im Himmel gang und gäbe.
Und was sollte der reichste Mann Europas denn noch tun, wenn er schon Kirchen und Klöster "gespendet" hatte und alles hatte??? Eben, die "RTL_Benz-Baracken" heutigen Stils.
Und sooo un-eigenützlich war die Sache auch nicht. Schließlich galt es schon immer Arbeitskräfte-mangel bei Qualifizierten, Vertrauensstellung (Handel, Silber-bergbau) auch in weniger gut bezahlten Jobs.
Jakob Fugger war quasi der Urgroßvater der Idee von Henry Ford, Friedrich Krupp, oder den roten Baron Bosch für ihr Personal und ein paar dazu, Arbeiter-siedlungen, samt Garten für den Eigenanbau zu günstigen Konditionen zu bauen. So hält man sein Personal bei Stange.
Und den Klerus dankt man mit ein paar Gebete und Frühstücks- direktor a la Beauftragten für Antidiskriminierungsstelle für tiefgläubige Katholiken.
Frei nach Napoleon Bonparte:
Sieger werden von bezahlten Historikern gemacht.