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Bündnis Sahra Wagenknecht

Gute Werte für die neue Partei

Ministerpräsident Bodo Ramelow wittert ernsthafte Gefahr für seine Linke

Peter Entinger
23.05.2024

Eine Parteineugründung bringt auch immer Kurioses mit sich. In Sachsen-Anhalt beispielsweise besteht noch kein Landesverband des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW), doch es gibt Mitglieder, die zur Kommunalwahl am 9. Juni antreten. Das nennt sich dann beispielsweise Wahlbündnis Soziale Gerechtigkeit. Man könne sich immer noch umbenennen, heißt es vor Ort.

Ein paar Monate ist die neue Partei alt, von der man bis heute nicht weiß, ob sie nun rechts oder links oder von allem ein bisschen ist. 600 Mitglieder hat sie bisher aufgenommen, eine Interessenten-Liste soll 18.000 Unterstützer umfassen. Diese werde bis Jahresende abgearbeitet, sagt Generalsekretär Christian Leye. „Wir wollen keine Menschen mit extremistischem Hintergrund in der Partei“, so Leye, der darauf verweist, dass man Gespräche mit den Interessenten führe und auch im Internet nach ihnen recherchiere.

Die Partei solle nicht von Menschen mit ganz anderen Ansichten übernommen werden. Auch wenn es weder die prominente Parteigründerin noch einer ihrer Organisatoren eingesteht: Die Vorgehensweise hat auch mit den Erfahrungen der AfD zu tun. Die nahm nach der Parteigründung 2013 gefühlt jeden auf, hatte so schnell mehr als 10.000 Mitglieder. Doch unter ihnen sammelten sich Querulanten, Postenjäger, Glücksritter. Es gab vor allem in den ersten Jahren kaum einen Landesverband, der sich nicht zersplitterte, häutete, zerfiel. Listenaufstellungen gerieten zu Mammutveranstaltungen, Einsprüche und Anfechtungen vor öffentlichen Gerichten inklusive.

Das BSW blieb davon bislang verschont, auch weil es sich bei den bisher aufgenommenen Mitgliedern ausschließlich um politikerfahrene Personen handelt. Leye war zuvor Landessprecher der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen und gehört seit Jahren zu den Gefolgsleuten Wagenknechts. Die Situation ist durchaus skurril. Bundesweit wollen derzeit rund fünf Prozent der Befragten das BSW wählen. Und in Thüringen, wo im Herbst Landtagswahlen anstehen, ist der Zuspruch besonders groß. Alle Demoskopen sagen der Partei zweistellige Ergebnisse voraus.

Dies würde bedeuten, dass sie mit rund 20 Abgeordneten in den Erfurter Landtag einziehen könnte. Im Freistaat hat das BSW derzeit 50 Mitglieder. Das macht die Konkurrenz nervös. Allen voran Bodo Ramelow, der einzige Ministerpräsident der Linkspartei. „40 Mitglieder entscheiden, bestimmen und wählen. Und alle anderen aus dem Wartestand können später dann mal ihre Mitgliedsrechte ausüben, wenn es nichts mehr zu verteilen gibt“, ätzte der Ministerpräsident und spottete: „Hier öffnet sich eine Organisation, die das Parteien-Privileg in Anspruch nimmt, gezielt nicht für ihre Anhänger. Entschieden wird wie früher zentral in Berlin. Ist das eine Oligarchie oder gar ein Kalifat?“

Der Zuspruch in Thüringen ist groß
Leye ficht das nicht an. Ramelow sei hochgradig nervös, die Interessentenschar hingegen geduldig. „Wir versuchen ein Optimum zu erreichen zwischen dem Schutz der Partei und der Zufriedenheit unserer Leute. Wir wissen aber auch: Man kann es nicht allen recht machen im Leben. Die allermeisten Unterstützer verstehen es sehr gut, dass sie nicht schnell ein Parteibuch kriegen“, sagt Leye. Doch die junge Partei steht unter Erfolgsdruck. Ein Großteil der Arbeit wird wohl über die Abgeordnetenbüros im Bundestag abgewickelt, munkeln Hauptstadtmedien. Erlaubt ist das nicht. Andererseits braucht das BSW jeden Euro für die Europawahl-Kampagne, die fast ausschließlich über die sozialen Medien geführt wird. Ein Ergebnis von fünf Prozent würde Millionen in die Kasse spülen und die Möglichkeit schaffen, hauptamtliches Personal einzustellen.

„Wir brauchen eigentlich überall Personal, vor Ort wie in der Parteizentrale. Für diejenigen Leute, die wir haben, ist es eine große Herausforderung“, so Leye. Klar ist: Das BSW ist eine Funktionärs- und keine Mitmachpartei. Gerüchte, man habe eine Mitgliederobergrenze von 2000 bis zur Bundestagswahl beschlossen, mag Leye nicht kommentieren. Denn er weiß, dass es ein schmaler Grat ist. Für einen bundesweiten Antrag braucht es eine bundesweite Struktur.

Dass man Unterstützungsunterschriften sammeln muss, glaubt man in der Zentrale nicht. Bis dahin werde man in mindestens einem Landtag sitzen. Unberechtigt ist die Hoffnung nicht. In Brandenburg kommt das BSW derzeit aus dem Stand auf rund 15 Prozent – und verfügt noch nicht einmal über einen Landesverband. Statt auf eine Basis setzt Wagenknecht auf prominente Überläufer. In Thüringen soll Katja Wolf den ersten Erfolg bei einer Landtagswahl einfahren. Seit 2012 ist die frühere Linken-Politikerin Oberbürgermeisterin von Eisenach. Bei den Kommunalwahlen tritt sie nicht mehr an. Sie möchte sich auf ihre neue Aufgabe konzentrieren.


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