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Regierungskrise

Habecks Problem ist größer als „handwerkliche Fehler“

Neben der persönlichen Konzeptlosigkeit des Wirtschaftsministers offenbart die Strom- und Gaskrise auch die grundsätzlichen Fehler der Energiewende

René Nehring
01.09.2022

Robert Habeck steckt in der ersten großen Krise seiner Amtszeit als Bundeswirtschaftsminister. Neben den explodierenden Energiepreisen setzt dem Minister vor allem die von ihm vorgeschlagene Gasumlage zu. Mit dieser Umlage von 2,4 Cent je verbrauchter Kilowattstunde sollen die Folgen der aktuellen Marktumstände für in Not geratene Gasversorger wie Uniper abgefangen und diese vor dem Zusammenbruch bewahrt werden.

Die Kritik daran ist vielfältig. Während Ökonomen in dem Ansinnen einen unzulässigen Eingriff in den Markt sehen und darauf hinweisen, dass der Staat in anderen Krisen keine Umlage organisierte, sehen Wirtschaftsverbände durch die Maßnahme die Existenz vieler Unternehmen bedroht. Sozialverbände und Politiker bis in die SPD hinein beklagen hingegen die mit der Gasumlage verbundenen sozialen Härten für zahlreiche Bürger. Auf Unverständnis bei allen stößt, dass auch gesunde Unternehmen von der Umlage in ihrer jetzigen Gestaltung profitieren würden. Weshalb denn auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in seltener Klarheit seinem Koalitionspartner „handwerkliche Fehler“ vorwarf und eine schnelle Überarbeitung verlangte.

Doch so verständlich der Ärger über das Umlagen-Debakel auch sein mag, so sehr verdeckt die Debatte doch einige wichtige Umstände. Habecks Probleme – und die der Bundesregierung – sind nicht die Folge einiger „handwerklicher Fehler“, sondern eines energiepolitischen Irrwegs, der seit Jahren bedenkenlos ökonomische Notwendigkeiten und naturwissenschaftliche Fakten zugunsten ideologischer Lieblingsprojekte ignoriert (siehe Seite 3).

Die eigentlichen Probleme

Es ist die Folge eines Irrwegs, dessen Protagonisten nicht wahrhaben wollen, dass man eine ganzjährig rund um die Uhr laufende Hochleistungsindustrie auch mit noch so vielen Windrädern und Solaranlagen nicht versorgen kann, da diese nicht ganzjährig rund um die Uhr Energie liefern. Doch selbst jetzt noch fordern Grünen-Politiker und ihnen nahestehende Lobbyisten der Erneuerbaren Energien im Verbund mit geneigten Medien einen forcierten Ausbau der Erneuerbaren.

Dass auch Habeck zu jenen gehört, die klare Fakten missachten, wenn diese nicht dem eigenen Weltbild entsprechen, zeigte er vergangene Woche mit dem Abschluss einer Energiepartnerschaft mit Kanada. Deren Ziel ist die gesicherte Versorgung mit Flüssiggas (LNG) und Biowasserstoff, was Deutschland nicht zuletzt die Abkehr von seinem bisherigen Hauptgaslieferanten Russland ermöglichen soll.

Allein über die beiden bestehenden Leitungen der Pipeline Nord Stream 1 lieferte Russland im Jahr 2021 rund 58,8 Milliarden Kubikmeter Gas in Richtung EU. Mit der faktisch fertigen Pipeline Nord Stream 2 könnten weitere 55 Milliarden Kubikmeter Gas transportiert werden. Dagegen kommen die größten LNG-Tanker gerade einmal auf ein Ladevolumen von 266.000 Kubikmetern. Wollte man also allein das über Nord Stream 1 gelieferte Erdgas durch kanadisches LNG ersetzen, bräuchte man dazu rund 220.000 Schiffsfahrten. Da derzeit weltweit aber nur 320 derartige Tanker im Einsatz sind, müsste dafür jedes vorhandene LNG-Schiff rund 690 Mal im Jahr (also zweimal täglich!) zwischen Kanada und Europa hin und her fahren.

Zahlen wie diese zeigen, dass das Problem Robert Habecks und der deutschen Energiepolitik nicht nur ein paar „handwerkliche Fehler“ sind. Das Problem ist vielmehr der Irrglaube, dass Energie mühelos und beliebig erzeugbar ist und über sie wie in einem Katalog frei verfügt werden kann. Doch so ist es nicht.

Sollte Habeck seinen Irrweg fortsetzen und die ideologischen Motive seiner Partei über die Interessen unseres Landes und seiner Bürger stellen, dürfte er schon bald in Turbulenzen geraten, gegen die der bisherige Ärger ein laues Lüftchen ist.

In Konflikten zwischen Ideologie und realpolitischen Erfordernissen siegt auf mittlere und lange Sicht stets die Realpolitik.

Anmerkung der Redaktion:

Der Hinweis einiger Leser, dass in dem Artikel nicht berücksichtigt wurde, dass Flüssiggas für den Transport durch Herunterkühlung verdichtet wird, ist richtig. Dadurch sind die durch LNG zur Verfügung stehenden Kapazitäten natürlich um ein Vielfaches höher.

Andererseits hat die kurze Überschlagsrechnung in dem Artikel zugunsten von LNG-Schiffen ein Ladevolumen von 266.000 Kubikmetern zugrundegelegt, weil dies der Kapazität der größten Schiffe entspricht. Tatsächlich haben viele LNG-Tanker nur ein Ladevolumen von 125.000 bis 147.000 Kubikmetern.

Hinzu kommt, dass in der Rechnung als Vergleichsgröße für die bisherigen Erdgaslieferungen aus Russland lediglich das Volumen von Nord Stream 1 mit 58,8 Milliarden Kubikmetern (Stand: 2021) genannt wurde. Die gesamten alljährlichen Gaslieferungen von Russland in Richtung EU sind jedoch ungleich höher. Für etwa 2020 nennen mehrere gleichlautende Quellen eine Menge von rund 168 Milliarden Kubikmetern (verlässliche Zahlen für das Gesamtvolumen im Jahre 2021 konnten nicht recherchiert werden).

Insofern ändert sich an der Grundaussage des Artikels, dass LNG-Schiffe kaum in der Lage sind, die bisherigen Erdgaslieferungen zu ersetzen, wenig. Zumal die für einen Ersatz der bisherigen Erdgaslieferungen erforderlichen zusätzlichen LNG-Kapazitäten erst noch geschaffen, sprich weitere Schiffe gebaut werden müssen.

Außerdem werden von den Befürwortern der LNG-Technologie die mit den Schiffstransporten verbundenen CO2-Emissionen ausgeblendet, die zwingend in eine Gesamtbewertung hineingehören.


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Kommentare

sitra achra am 09.09.22, 10:59 Uhr

Der Zauberlehrling ist am Ende seiner dürftigen Fähigkeiten und ruft verzweifelt nach Meister Merz: Besen, Besen, seid's gewesen! ruft dieser zur Beendigung des angerichteten Chaos durch diesen grünen Jungen.

Bernhard Meier am 04.09.22, 05:59 Uhr

Nein, Habeck ist nicht unfähig, er ist nicht der Unwissende, er ist einer der Klügsten in der Regierungsmannschaft.

Warum meine Einschätzung? Beachten Sie bitte die Grundausrichtung der Grünen: Reduzierung der Industrie auf das Nötigste; Luxus, was immer man darunter versteht, ist zurückzudrängen. Mobilität nur mit Fahrrädern. Reisen können Sie vergessen. Das Leben unter Grün ist energiearm.

Das aber muss, das wissen Psychologen, dem Volk in unsichtbaren Happen beigebracht werden. Habeck hat nun die schwierige Aufgabe, den brutalen Wandel einer Industrienation hin zu einer Grünen Freiheit so zu bewältigen, dass kein Volksaufstand droht. Bis heute ist es ihm auch dank der Ablenkungsstrategie von Lauterbach bestens gelungen.

Dieter Hempel am 01.09.22, 20:36 Uhr

Neben der fehlenden Transportkapazität für LNG in ausreichendem Maß für alle Länder wird immer wieder vergessen, daß die Schiffstransporte auch sehr viel zur Umweltverschmutzung beitragen. Außerdem wird immer so getan, als wenn Nordstream 2 nur Deutschland mit russischem Erdgas versorgen soll. Nordstream 2 ist eine Erdgasleitung, an der auch andere Länder daranhängen, die auch durch die willkürliche Sperrung dieser Erdgasleitung durch Deutschland betroffen sind. Das war doch auch der Grund, weshalb insbesondere Polen gegen diese neue Gasleitung oponiert hat. Natürlich wäre es den Polen lieber, wenn diese Leitung durch ihr Lande gegangen wäre, denn dann könnten es Einfluß auf die Liefermengen aus Rußland nehmen und dazu noch eine hübschen Stange Geld verdienen.

Tom Schroeder am 01.09.22, 19:46 Uhr

Tja, so geht das - mit viel Elan angetreten, fast schon uebermuetig - nun mache wir Klima, mit Windmuehlen, Sonnenkollektoren und Gas. Ich erinenre mich an die Phoenix-Runde mit H.W. Sinn u. Franzi Brandtner - ich nenne den Herrn zuerst, in diesem Falle gebietet das die Hoeflichkeit.

Hr. Sinn rechnete dem Publikum und Franzi vor, das die Illusionen bezuegl. der Energieversorgung ohne das gute alte Fossil beileibe fuer gar nix ausreichen. Er erklaerte das gruene Paradoxon, fuer die Neulinge in dem Thema kurz erklaert: Wir sparen Oel, Gas usw. und die Weltmarktpreise fallen; Scheich Petrol, aehhhhh... Faisal muss auf Einnahmen verzichten, weil 1. der Preis faellt und 2. erst mal weniger angefragt wird - die bestechende Logik fuehrt dann dazu, dass 1. Faisal mehr foerdert, um seine Schaefchen bei sinkenden Preisen mit mehr Menge zu ernaehren (ihm fliegt sonst sein Scheichtum um die eigenen Ohren) und 2. Schi-Ping-Pong, die Modis in Indien und andere keinen Anreiz mehr haben Fossil zu sparen, denn es ist ja so billig, "weil die doofen Europaeer uns das Zeugs ueberlassen".

Franzi wurde dann patzig gegeueber Hr. Sinn und meinte fast woertlich "Ich kann das rechnen" - hmmmm, kann Sie das? Sie hat das ganze nicht verstanden und sitzt heute, statt im beschaulichen Heidelberg den Pegelstand des Neckar pedantisch jeden Tag zu kontrollieren, nun im Bundesministerium fuer Wirtschaft, haette ich fast vergessen, "und Klimaschutz", ja was denn nun, offenbar geht beides nicht so gut zusammen, zumindest nicht so bald. Im Grunde haben die ja sogar Recht, die Menschheit muesste deutlich abspecken, insbesondere die Nachwuchsproduktion muesste dringend um xx% heruntergefahren werden - 11 Kinder in Somalia, 2,2 in Deutschland oder so geht eben nicht mehr, hoert man aber nicht von denen, immer nur einsparen, verbieten und Strom ist die Loesung - haha. Dass es ueberall kracht und knallt, wenn die Leute im Klimadauerlockdown ohne Freude und Konsum leben sollen, halten die nicht fuer moeglich - ist ja zu ueberzeugend deren Argumentation, nein geht den meisten am (|) vorbei.

Hr. Sinn sagte auch sinngemaess, dass die konventionelle Energieinfrastruktur komplett parallel aufrecht erhalten werden muss, um ueberhaupt eine gleichmaessige Versorgung mit Strom zu gewaehrleiten, vom elektischen Autoverkehr war da noch gar nicht die Rede, dann ist voellig zappenduster. Man weiss doch, dass unser Stromnetz immer zwischen 49,xx und 50,xx Hz Spannung haben muss. Ist fuer Franzi und ihre Freunde aber zu technisch.

Ach ja - H - der gute alte Wasserstoff, H, wie Heilsbringer, symbolisiert den klimapolitischen Endsieg - als Nachkriegsdeutscher tue ich mich mit dem Buchstaben "H" als Symbol aus historischen Gruenden ohnehin schwer. Also, H ist auch nicht die Loesung, denn der verkauft sich inkognito als "Koenig der Energie", ist aber im Alterego lediglich ein Wechselbalg, mal Traeger, also ein Kuli (jeder Kuli ist mir lieber als die Franzi, verzeiht bitte den Missbrauch) und mal Speicher, wobei mangels Effektivitaet wohl ein Grossteil der zu speichernden Energie von den Maeusen gefressen wird, wie das Getreide in indischen Speichern. Die schlauen Inder lassen wie wir auch Katzen zwischen den Getreidehaufen und Saecken patroullieren, auch Kobras erfuellen diesen Zweck - soviel zur Giftigkeit der Franzi in der Diskussion mit Herrn Sinn.

Nun kommen gleich die wirklichen Herausforderungen nicht kleckerweise, sondern Putins Gang hat sich entschieden uns gleich mit der ganzen Ladung zu konfrontieren - bitte nicht NS2 oder sowas, die drehen im Winter sowieso ab, sich in deren Allerwertesten zu begeben ist dabei keine gute Idee, dann verachten die uns noch mehr! Gas als Brueckentechnologie und, verschaemt im Hintergrund, in irgendwelchen Regierungspapieren, der Rueckgriff auf franzoesischen Atomstrom, wenn es mal eng wird (war glaube ich in der WiWo).

Wie immer: Ideologen sind verbohrt und unverschaemt verlogen wenn die Realitaet sich nicht der geltenden Lehre anpasst. Hatten wir mit den Pickelhauben, den Hs, den SEDlern und nun Pickelhauben reloaded in gruen. Wenn die werden wie die Hs, dann were auch ich radikal, aber sowas von der anderen Seite - fast alle meine Freunde und Bekannten sind dann auch nicht mehr nett.

Schoenen Aben noch und Prost!

Ekhard Mielke am 01.09.22, 12:31 Uhr

Die Verdichtung des Gases hat der Autor korrekt berücksichtigt. Und der Autor hat zur Abschätzung die größten Tanker berücksichtigt. Wie sagte Frau von der Leyen so schön: bis zum Hebst ist die Gasversorgung gesichert. Nun ist es Herbst und die Grille wird ohne die Ameise verhungern. Das Zauberwort für den Winters heißt: Druschba.

s. Braun am 01.09.22, 10:28 Uhr

Von handwerklichen Fehlern spricht man bei Handwerkern. Herr Habeck ist Kinderbuchschreiber, der hat von Tuten und Blasen überhaupt keine Ahnung ! Der Mann ist unfähig !

A. Enne am 01.09.22, 08:25 Uhr

Der Autor hat bei seiner Abschätzung nicht berücksichtigt, dass bei LNG das Gas auf ca. minus 160 Grad heruntergekühlt wird und dadurch um den Faktor 600 verdichtet wird.

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