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Vergeudung von Lebensmitteln: Genießbare Produkte landen in der Mülltonne, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist
Foto: imago images/epdVergeudung von Lebensmitteln: Genießbare Produkte landen in der Mülltonne, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist

Lebensmittelverschwendung

Händler und Tafeln stehen gleichermaßen unter Druck

Nahrungsmittel werden auch in Folge des Ukrainekriegs teuer und teils knapp – Die Zahl der Bedürftigen in Deutschland hat sich aber verdoppelt

Manuela Rosenthal-Kappi
13.12.2022

Angesichts der durch hohe Energiekosten und die Inflation rasant gestiegenen Lebenshaltungskosten ist die Kauflaune der Deutschen verhalten. Wie sehr sich alles verteuert hat, spürt jeder beim wöchentlichen Einkauf an der Supermarktkasse oder auf dem Wochenmarkt. Obwohl nur der Boden des Einkaufwagens bedeckt ist, zahlt man genauso viel wie für einen vollen vor der Corona- und Energiekrise. Lieferengpässe wirken sich zusätzlich negativ auf die Preise aus. Die Einzelhändler verzeichnen vielerorts einen Umsatzrückgang, auf den sie mit verschiedenen Maßnahmen reagieren. Sie kaufen weniger ein, um die Lagerkosten gering zu halten, und verkürzen die Öffnungszeiten, um Energie zu sparen. In Rheinland-Pfalz gibt es Pläne, einen Tag in der Woche ganz zu schließen, beispielsweise montags.

Aus einer Umfrage des Ifo-Instituts ging laut der „Lebensmittel-Zeitung“ hervor, dass 77,5 Prozent der Teilnehmer Probleme mit Lieferengpässen haben. Jeder wird sich daran erinnern, dass in diesem Jahr monatelang die Regale mit Sonnenblumenöl, Mehl oder Nudeln leer waren. Auch für 2023 rechnen die Händler wieder mit Lieferengpässen. Da Sonnenblumenöl zum Großteil aus der Ukraine und aus Russland importiert wird und es zur Herstellung von Dips und Saucen dient, werden diese knapp. Auch bei Zucker, Fertiggerichten, Honig oder Jod-Salz kann es eng werden. Gründe für die Verknappung sind auch hier gestiegene Produktions- und Personalkosten sowie höhere Energie- und Beschaffungspreise.

Diese negative Entwicklung wirkt sich auch auf die 920 Tafeln in Deutschland aus. In den vergangenen Monaten geraten die Tafeln landesweit unter Druck. Sie beklagen, dass sie immer weniger Lebensmittelspenden von den Supermärkten erhalten, aber zunehmend Menschen auf die Unterstützung der Tafeln angewiesen sind.

Vor diesem Hintergrund wirkt die vor Kurzem mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke verabschiedete Beschlussempfehlung an den Petitionsausschuss, eine Eingabe für gesetzliche Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung zu unterstützten, anachronistisch und realitätsfern. So sah es offenbar auch der Petitionsausschuss, indem er zwar für Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung votierte, jedoch für eine gesetzliche Regelung keine Veranlassung sah, da der bewusste Umgang mit Lebensmitteln in Deutschland seit Jahren gefestigte Praxis sei. Gemeint ist damit, dass zahlreiche Supermärkte unverkaufte, aber noch genießbare Lebensmittel freiwillig an die Tafeln abgeben oder auch eigene Maßnahmen treffen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterhält zudem bereits ein „Dialogforum Handel“ mit Unternehmen des Groß- und Einzelhandels mit dem Ziel, die Weitergabe überschüssiger verzehrfähiger Lebensmittel zu verbessern.

Im Sommer dieses Jahres betreuten die etwa 60.000 Helfer der Tafeln mehr als zwei Millionen Kunden. Inzwischen geraten neben Geringverdienern, Arbeitslosen, Hartz-IV-Empfängern und Rentnern auch immer mehr Menschen der unteren Mittelschicht in Not. Ihr Verdienst reicht nicht mehr aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs und den damit einhergehenden Preissteigerungen verzeichnen 61 Prozent der Tafeln einen Zuwachs ihrer Kunden um bis zu 50 Prozent. 99 Prozent der Tafeln versorgen auch Flüchtlinge aus der Ukraine, die an sie verwiesen werden.

Aufnahmestopp bei Tafeln

Da aufgrund der angespannten Situation im Einzelhandel die Spenden knapper werden, müssen auch die Tafeln ihren Dienst reduzieren. 62 Prozent der Tafeln verteilen kleinere Mengen pro Haushalt, 32 Prozent mussten bereits einen Aufnahmestopp verhängen. Deutschlandweit spiegelt sich am Spendenaufkommen für die Tafeln auch die Wirtschaft der jeweiligen Region wider.

Die Tafeln können nicht die ganze Bandbreite von Lebensmitteln anbieten, da Waren wie Obst, Gemüse, Brot, Backwaren und Milchprodukte, die schnell verderben, häufiger gespendet werden als solche mit langer Haltbarkeit wie Nudeln, Reis, Konserven und Marmelade.

Laut BMEL ist das Statistische Bundesamt gezwungen, regelmäßig Berichte über Lebensmittelabfälle an die EU-Kommission in Brüssel zu übermitteln. 2020 gab es demnach zirka elf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle in Deutschland. Interessanterweise werden neben Speiseresten und nicht verkauften Lebensmitteln auch nicht essbare Bestandteile wie Nuss- und Obstschalen, Strünke und Blätter, Kaffeesatz oder Knochen mit eingerechnet, sodass die tatsächliche Lebensmittelabfallmenge deutlich geringer sein dürfte.

Laut Statistik entstehen im Handel lediglich sieben Prozent der Lebensmittelabfälle, 59 Prozent sollen in privaten Haushalten anfallen.


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Kommentare

sitra achra am 14.12.22, 12:21 Uhr

Bald werden Lebensmittelbezugsscheine und Suppenküchen wie nach dem verlorenen Krieg das neue Normal. Auch der Schwarzhandel wird wiederkommen. Alles schon mal dagewesen.

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