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Werkwoche

Handarbeit mit Nadel, Schiffchen und Lupe

Zum 69. Mal veranstaltete die Landsmannschaft Ostpreußen ihr Seminar, in dem ostpreußische Handarbeitstechniken gelehrt werden

Christiane Rinser-Schrut
26.10.2023

Auch in diesem Jahr hat sich eine Gemeinschaft von ostpreußenaffinen Handarbeiterinnen in Helmstedt zur Werkwoche der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) unter dem Motto „Erhalten und Gestalten“ versammelt.

Tanzen, Singen, Mobilisierung, was hat das mit der Werkwoche zu tun? Eine ganze Menge. Die Werkwoche der LO ist nämlich nicht nur da, um zu stricken, nähen, sticken oder weben, sondern auch um einen Teil der ostpreußischen Kultur erlebbar zu machen. Dazu gehört neben der unglaublichen Liebenswürdigkeit der langjährigen Teilnehmerinnen und dem unschlagbaren Optimismus, bei Missgeschicken alles mit Humor zu nehmen, das Beste rauszuholen und sich gegenseitig zu unterstützen, auch das ostpreußische Lied- und Tanzgut. Damit man gut in die Arbeit starten kann, gibt es neben der guten Küche in der Politischen Bildungsstätte Helmstedt auch eine kleine morgendliche Mobilisierung, die an Qigong angelehnt ist, und zwischendurch eine bewegte Pause, damit die Knochen nicht steif werden. Auf den singenden Wecker wurde in diesem Jahr verzichtet, da das Hauptgebäude parallel auch von der Kriminalpolizei Berlin genutzt wurde – vermutlich hätten sie mitgesungen, haben sie sich doch auch für die mitgebrachten Bücher einer Teilnehmerin sehr interessiert.

Am Anreisetag kamen die Teilnehmerinnen am Nachmittag in Helmstedt an, außer die Allensteiner, die mussten auf ihre herzliche Begrüßung noch ein wenig länger warten, hatte doch der Bulli unterwegs einen Reifenwechsel nötig, und der Stau um Berlin hat auch die Ostpreußen nicht verschont. Ihr Fahrer Rafael Wróblewski hat in seiner gelassenen Art alle sicher zum Zielort gebracht.

Seit der letzten Werkwoche waren die Teilnehmerinnen fleißig. Viele haben angefangene Stücke mitgebracht, bei denen sie nicht mehr weiterkamen, viele hatten eigene Ideen, die sie verwirklichen wollten, viele kamen vor allem, um die „besondere Atmosphäre“, wie Uta Lüttich sagte, zu erleben. Jeder ist willkommen, Jung und Alt, Mann und Frau. Und das haben auch die Neuzugänge schon nach einem Tag bestätigen können.

Hannelore Mosbacher ist ihrer Aufgabe als Leiterin des Seminars vollauf gerecht geworden. Sie hat Probleme tatkräftig angepackt, hatte für alle ein offenes Ohr, dachte auch an die Teilnehmerinnen, die in diesem Jahr aus verschiedenen Gründen nicht teilnehmen konnten, und begrüßte alle mit einem freundlichen Wort sowie einem gebastelten Brief.

„Fangt an, fangt Euer Handwerk fröhlich an, dann wird's gar bald sein wohlgetan“, sind die Worte eines Kanons, der morgens vor dem Werken gesungen wird. Ganz mühelos lässt Dr. Marianne Kopp ihr umfangreiches Wissen zu Liedern und Tänzen einfließen, wie beispielsweise eine kurze Musikgeschichte zum „Ännchen von Tharau“. Dann geht es los. Die Weberinnen gehen zum Weben, die Strickerinnen hören schon das Klacken der Nadeln, die Stickerinnen freuen sich über das Tageslicht und die Schneiderinnen auf ein bald fertiges Stück, wobei „bald“ ein sehr relativer Begriff ist, dauert die Herstellung eines Ostpreußenkleides doch manchmal Jahre.

Eine ganz besonders fleißige Werkwöchlerin heißt Renata Śliwka, sie hat in Allenstein einen Webkurs angeboten. Die Fertigkeiten dazu hat sie bei Liesa Rudel während der vergangenen Werkwochen erlernt. Das Angebot wurde so gut angenommen, dass es eine große Nachfrage nach mehr gibt. „Allein die Webrahmen fehlen. Wenn man über das Internet einen kaufen möchte, fehlen Teile, aber mit unvollständigen Rahmen können wir nichts anfangen. Wenn wir einen neuen Rahmen kaufen, kostet der mehrere Hundert Euro. Das können wir uns nicht leisten. So hoffen wir auf Spenden“, teilt Śliwka mit. Sollte jemand also einen Webrahmen mit einer Webkarte besitzen und nicht mehr nutzen, so möge er sich bitte an die Landsmannschaft Ostpreußen, Hanna Frahm, wenden. Die Rahmen werden dort gesammelt und nach Allenstein verschickt.

Über die Ostpreußenkleidspenden haben sich die Schneiderinnen Daniela Graulich und Kopp ebenfalls sehr gefreut: „Es dürfen gerne mehr werden.“ Neben dem Dank an die großzügigen Spenderinnen erneut die Bitte: Sollte jemand sein Ostpreußenkleid oder seine Jacke nicht mehr nutzen, bitte an Hanna Frahm, LO, wenden. Die Stücke können umgenäht werden, sodass sie neue Träger finden.

Klaus Rudel hat am ersten Abend einen Film über den Durchstich der Kurischen Nehrung vorgeführt und sehr lebhaft über seine Familie erzählt, die aus dieser Region stammt und dort gewirkt hat. Außerdem sanierte – „renovierte“ wäre zu wenig – er die Webstühle für das Doppelweben. Wenn eine Werklehrerin oder -lehrer für diesen Bereich gefunden wird, kann auch diese Technik während der Werkwoche wieder angeboten werden.

Außer dem handwerklich begabten Herrn Rudel waren nur Handarbeiterinnen fleißig, denn Handarbeit ist (noch) rein weiblich. In den neuen Medien finden sich im Bereich DIY, also do it yourself (frei übersetzt: mach es selbst) viele junge Menschen, die ihre Werke anbieten und zeigen, wie sie herstellen, dabei finden sich auch Männer. Doch bei der Werkwoche in Helmstedt gibt es (derzeit) nur Frauen, die schon etwas älter als 18 Jahre sind. So liegt die Frage auf der Hand, wie es nicht nur mit der Werkwoche weitergeht, sondern auch, wie es in den Frauengruppen der LO ausschaut. Zum Glück ist die ehemalige Bundesvorsitzende der ostpreußischen Frauenkreise, die Jahrzehnte die Werkwoche geleitet hat und nun an ihr teilnimmt, mit dabei. Uta Lüttich ist eine engagierte und erfahrene Ostpreußin. Ihre Schwiegertochter, Franziska Lüttich, beschreibt im „Preußen Kurier“ (Ausgabe 2/2023) ihre Wohnung als ein Museum über Ostpreußen: „Dann kam ich zum ersten Mal in Utas Wohnung. Ich dachte nur: ,Ostpreußen, ick hör dir trapsen!' Elche als Figuren, Elche als Zeichnungen, Gemälde von masurischen Landschaften – Ostpreußenzeugs wohin ich sah. Und Bücher, Bücher, Bücher ...“ Leider, so Lüttich, sehe die Zukunft nicht so rosig aus. Es gibt nur noch wenige Gruppen, und deren Teilnehmerinnen werden weniger.

Frauenarbeit bei der LO beinhaltet: ostpreußisches Erbe weitertragen: Liedgut, Erinnerungen an ostpreußische Persönlichkeiten wie Charlotte Keyser, eine Schriftstellerin aus dem Landkreis Heydekrug, Landschaftsbeschreibungen, Natur und Leute, Trakehner-Zucht, Deutschlandtreffen Organisation der Busreisen mit Beiprogramm als Gesamtpaket mit Ostpreußenbezug oder zu anderen großen Veranstaltungen. Damit die wertvollen Beiträge nicht verloren gehen, hat sich Lüttich breiterklärt, ihre ausgearbeiteten Referate der Preußischen Allgemeinen Zeitung zur Verfügung zu stellen, damit sie an dieser Stelle veröffentlicht werden. So lebt die Frauenarbeit auch abseits der Gruppen, die es in der Bundesrepublik Deutschland noch gibt, weiter.

Gefördert wird die Werkwoche auch im nächsten Jahr, 7. bis zum 13. Oktober, wieder aus Mitteln der Stiftung „Zukunft für Ostpreußen“.


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