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Östlich von Oder und Neiße

Handtäschchenprotest niedergeknüppelt

Der polnische Querdenker ist jung und erfährt Rückhalt aus der liberalen Opposition

Chris W. Wagner
17.04.2021

Allein am 11. April fanden im niederschlesischen Glogau [Głogów], in Krakau, im großpolnischen Gostyn [Gostyń], im hinterpommerschen Belgard [Białogard] und in Schneidemühl „spontane Spaziergänge“ von Corona-Maßnahmen-Gegnern statt. Hierzu rief die Aktion „Polaku dawaj z nami!“ (frei übersetzt: Pole, los mach mit!) auf. „Denkt daran, wir kämpfen für ein freies und unabhängiges Polen, wie es bereits unsere Vorfahren taten: Schulter an Schulter wie ein Bruder mit dem Bruder“, heißt es auf der Facebook-Seite, auf der auch zum Tragen von Nationalfarben und zur Vermeidung jeglicher Provokation aufgerufen wurde.

In Glogau ist es bereits die zweite Demonstration dieser Art in den letzten Wochen. Bereits am 28. März zeigten dort Menschen ihren Unmut ob der Lockdown-Maßnahmen der Regierung. „Wie kann es möglich sein, dass eine Versammlung auf der Straße illegal, aber die gleiche Menge an Versammelten in einer Kirche zulässig ist?“, fragten die Demonstranten. Sie wollten durch die Glogauer Straßen ziehen, doch Polizisten haben dies verhindert. Die Personalien der Demonstranten seien aufgenommen und Anzeigen angedroht worden. Die Protestler hätten jedoch nicht aufgegeben und sich Wege durch Hinterhöfe in die mittlerweile weitgehend rekonstruierte Altstadt gesucht, berichtet das Internetportal „My Glogow“.

Keine Corona-Leugner

„Wir sind unterwegs, weil wir vor allem die Freiheit schätzen. Sie ist das Recht jedes Menschen. Wir negieren nicht die Pandemie, sondern die Rationalität der Maßnahmen“, sagte einer der Demonstranten gegenüber „My Glogow“. Die Polizei setzte dennoch Gummiknüppel und Tränengas gegen sie ein. Unter den Protestteilnehmern waren nicht nur Glogauer. Auch Menschen aus anderen niederschlesischen Städten reisten an. Laut Pressestelle der niederschlesischen Polizei wurden die Personalien von mehr als 200 Personen aufgenommen und 120 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Gegenstand der Verfahren seien die Nichteinhaltung der verordneten Abstände und die damit einhergehende Gefahr der Ansteckung für sich und andere Demonstranten gewesen, hieß es seitens der Polizeipressestelle. Der Charakter dieser Protestbewegung unterscheidet sich etwas von dem der Querdenkerbewegung in der Bundesrepublik. In der Republik Polen sind unter den Protestteilnehmern hauptsächlich junge Menschen, insbesondere viele Fußballfans. Nicht der gut situierte Unternehmer oder Rentner dominiert hier den Protest, sondern junge Männer in Kapuzenpullovern mit kurz geschorenen Haaren und in Begleitung modischer junger Frauen mit Handtäschchen. Und dieses Altersklientel singt inbrünstig die Nationalhymne „Noch ist Polen nicht verloren“.

„Interia.pl“ berichtet, dass die rund 200 Demonstranten in Glogau am 11. April nicht nur auf gewöhnliche Polizisten, sondern auf Spezialeinheiten der Antiterrorbekämpfung gestoßen wären, die Tränengas eingesetzt hätten. Lokale Medien veröffentlichten ein Video, in dem zu sehen ist, wie ein Polizist auf eine protestierende junge Frau mit einem Gummiknüppel einschlägt. Er fasst sie am Hals und wirft sie zu Boden. „Interia.pl“ zitiert Marcin Szyszka, der dieses Video ins Netz stellte. „Der Protest wäre friedlich verlaufen, hätte die Polizei nicht eingegriffen. Die Polizisten waren aggressiv und schnappten sich einzelne Menschen aus der Menge“.

„TV24“ berichtet, dass die niederschlesische Polizei dieses Verhalten damit entschuldigt habe, dass die Frau aggressiv gegenüber der Polizei aufgetreten sei und ihr Verhalten auch nach Warnung nicht geändert habe. Seitens der Pressestelle der Polizei heißt es, die Frau hätte den schlagenden Polizisten zuvor an seiner Uniform gezerrt.

Insgesamt seien laut Polizei 32 Bußgeldverfahren eingeleitet und 101 Anzeigen erstattet, sechs Personen seien festgenommen und von 196 die Personalien festgestellt worden. Faktisch wurden damit die Teilnehmer des kompletten Protestzugs erfasst.

Vergleich mit Weißrussland

Politiker der Opposition vergleichen die Situation mit Weißrussland. „Ich finde den Namen des Polizisten-Banditen aus Glogau heraus. Informieren Sie mich privat. Ich garantiere Anonymität. Ich benachrichtige die Staatsanwaltschaft. In zwei Jahren wird er nicht mehr in dieser Mannschaft arbeiten. Er wird auf Arbeitsuche in die weißrussische OMON (A.d.R.: Mobile Einheit besonderer Bestimmung) gehen!“, twitterte Michał Szczerba, Abgeordneter der liberal-konservativen Bürgerkoalition (Koalicja Obywatelska).


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Kommentare

sitra achra am 17.04.21, 12:37 Uhr

Der Faschismus hat auch ein polnisches Antlitz.

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