16.01.2025

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Bild: p.a.

Realpolitik

Harte Lehrstunden für einen kriselnden Kontinent

Bereits vor seinem Amtsantritt offenbart der neue US-Präsident, dass die Europäer auf internationaler Bühne nur noch Zuschauer sind

René Nehring
16.01.2025

Selten wurde der Amtsantritt eines US-Präsidenten dermaßen mit Spannung erwartet wie die zweite Vereidigung von Donald Trump in wenigen Tagen. Seit seiner Wahl am 5. November 2024 verkündet der Republikaner fast täglich, mit welch radikalen Schritten er mal die innenpolitischen Verhältnisse in seinem Land zu verändern und mal außenpolitisch neue Realitäten zu schaffen gedenkt.

Aus europäischer Sicht bisher am gravierendsten war die Ansage Trumps, den Ukrainekrieg binnen Wochen beenden zu können, indem er die wichtigsten Akteure an den Verhandlungstisch bringt. Galt dies bei Kritikern eher als Maulheldentum, lassen sowohl jüngste Aktivitäten auf dem Schlachtfeld als auch Berichte aus Moskau, Kiew und Washington erahnen, dass sich sowohl die Ukraine als auch Russland auf baldige Verhandlungen vorbereiten.

Durfte Trump bis hierher noch mit Sympathien vieler Europäer rechnen, so sorgte er vor wenigen Tagen mit verstörenden geopolitischen Vorstellungen weltweit für Empörung. Konkret spielte Trump laut mit dem Gedanken, sowohl Kanada, das zweitgrößte Land der Erde, als auch Grönland, die größte Insel der Welt, in die USA einzugliedern. Wobei er militärischen Druck nicht ausschloss (siehe hierzu auch die Seite 2). Damit hat nach Russland (durch die Invasion der Ukraine) und China (mit seiner Erklärung, auf dem Weg zur Wiedervereinigung mit Taiwan keinesfalls auf den Einsatz von Waffen verzichten zu wollen) nun der Führer einer weiteren Großmacht die bestehende Weltordnung offen in Frage gestellt.

Was Trumps Attacke so besonders macht ist, dass hier erstmals ein Vertreter der westlichen Staatengemeinschaft, die sich eigentlich einer durch Werte und Verträge geleiteten Außen- und Sicherheitspolitik verschrieben hat, die bestehende Ordnung angreift. Hinzu kommt, dass der künftige US-Präsident nicht etwa verfeindete Staaten brüskiert, sondern mit den NATO-Gründungsmitgliedern Kanada und dem grönländischen „Mutterland“ Dänemark zwei der langjährigsten und engsten Bündnispartner der USA.

Was Trump mit der Provokation enger Alliierter bezweckt, darüber kann im Moment nur spekuliert werden. Fakt ist, dass er mit seinen Forderungen eine Weltordnung angreift, die maßgeblich von früheren US-Regierungen zum eigenen geopolitischen Vorteil geschaffen wurde.

Schwach nach außen, lautstark nach innen
Was der künftige US-Präsident in jedem Fall offenlegt, ist die Schwäche der Europäer, namentlich der EU. Seit Jahrzehnten lautete eine der wesentlichen Begründungen für die „immer engere Union“ ihrer Mitglieder, dass diese zusammen ein größeres Gewicht auf der Weltbühne hätten. Doch nun offenbart sich, dass der Präsident einer Weltmacht keine Sorgen davor hat, Ärger mit den Europäern zu riskieren, wenn er in aller Öffentlichkeit ankündigt, einem EU-Mitgliedstaat ein Schlüsselterritorium entreißen zu wollen. Damit zeigt sich erneut, was sich bereits im Ukrainekrieg andeutete: Beherrschten die Europäer vor hundert Jahren als Kolonialmächte noch weite Teile der Erde, so sind sie heute selbst bei Konflikten auf ihrem eigenen Kontinent nur Zuschauer.

Umso verstörender, wenn sich die EU stattdessen dort aufbläst, wo sie es eigentlich nicht dürfte – bei den inneren Angelegenheiten ihrer Mitglieder. Vor 25 Jahren, Anfang 2000, isolierten die damals übrigen 14 Staaten der Union Österreich, weil die dort aus einer demokratischen Wahl als Sieger hervorgegangenen Parteien ÖVP und FPÖ eine Regierung bildeten, die den seinerzeit überwiegend sozialdemokratisch geführten Partnerländern nicht genehm war. Auch wenn die Sanktionen bald wieder aufgegeben wurden, wurde hier ein gefährlicher Weg beschritten, von dem insbesondere die EU-Bürokratie in Brüssel nicht mehr abgewichen ist.

Welchen Anspruch die Europäische Union in Sachen Kontrolle ihrer – immer noch souveränen – Mitgliedstaaten inzwischen verfolgt, zeigte sich gerade erst wieder, als vergangene Woche das Nachrichtenportal „Politico“ meldete, dass 150 EU-Beamte das Gespräch zwischen dem US-Unternehmer Elon Musk und der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel auf der Plattform „X“ belauschten, um zu verfolgen, ob dabei gegen EU-Recht verstoßen wurde.

Dass es längst nicht nur darum geht, etwaige Rechtsverstöße zu ahnden, offenbarte derweil der ehemalige EU-Kommissar Thierry Breton. In einem TV-Interview zum Musk-Weidel-Gespräch brachte der Franzose ohne Scham eine Annullierung der kommenden Bundestagswahl ins Gespräch, falls diese die „falschen“ Ergebnisse brächte. In Anspielung auf die jüngst erfolgte Aufhebung der Präsidentenwahl in Rumänien durch das dortige Verfassungsgericht erklärte Breton, eine Annullierung der Wahlergebnisse sei auch in Deutschland nicht ausgeschlossen: „Wir haben es in Rumänien getan, und wir werden es offensichtlich, falls nötig, auch in Deutschland tun müssen.“

Dass die offensichtliche Diskrepanz aus außenpolitischer Schwäche und hartem Auftreten gegenüber unbotmäßigen Mitgliedern kein Zufall ist, zeigte sich im vergangenen Juli. Als der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán zu einer diplomatischen Mission nach Kiew, Moskau, Peking und Washington aufbrach, um Ansatzpunkte für Verhandlungen über einen Frieden in der Ukraine zu erörtern, wurde er von der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, dafür scharf attackiert. „Besser“ hätten die Spitzen der Brüsseler Verwaltung nicht darlegen können, warum die EU auf internationaler Bühne kaum eine Rolle spielt.

Dass eine solche Union nun auf einen US-Präsidenten trifft, der vor aller Augen zeigt, wie wenig er von den Verbündeten seines Landes auf dem „alten Kontinent“ als geopolitischem Machtfaktor hält, lässt für europäische Interessen in naher Zukunft nichts Gutes erahnen.


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