10.10.2024

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Nord-Ostsee-Kanal

Hauptschlagader der Welt quer durch die holsteinische Idylle

Perfekte Planung einer Wasserstraße: Pünktlich fertig und keinen Pfennig teurer als zuvor berechnet. Vor 125 Jahren wurde der damalige Kaiser-Wilhelm-Kanal eingeweiht

Klaus J. Groth
13.06.2020

Der Nord-Ostsee-Kanal (NOK) war die erste künstliche Wasserstraße in Europa, die von großen Seeschiffen genutzt werden konnte. Am 21. Juni 1895, vor 125 Jahren, wurde er eröffnet. Der international „Kiel Canal“ genannte NOK gehört heute mit dem Sues- und dem Panamakanal zu den am meisten befahrenen Verbindungen zwischen zwei Meeren.

Bei der Einweihung in Kiel-Holtenau durch Kaiser Wilhelm II. demonstrierte das junge Kaiserreich seine ganze Macht und Pracht. Neben dem Leuchtturm waren zwei Tribünen für 5400 Ehrengäste aufgebaut. Das Volk konnte sich nebenan Plätze für zwölf Mark mieten. Als pompös geschmückter Festsaal diente der Neubau der Kreuzerkorvette „Niobe“, in dem Könige und Fürsten aus dem In- und Ausland Lendenbraten mit Trüffeln, Rehschnittchen mit Oliven und Hummer auf Gloucester Art speisten. Das „große Kaiserdiner“ kam aus Berlin und kostete 100.000 Mark. Auf der Kieler Förde lagen 53 bunt beflaggte ausländische und ebenso viele deutsche Kriegsschiffe.

Kein diplomatischer Fauxpas sollte die Stimmung auf dem viertägigen Fest trüben. Wilhelm II. setzte dem Jubel die Krone auf. Was vorher streng geheim gehalten wurde: Der Kaiser taufte den Nord-Ostsee-Kanal auf den Namen seines Großvaters, „Kaiser-Wilhelm-Kanal“. So hieß er bis 1948.

100 Kilometer Länge

Der eigentliche Vater der Verbindung zwischen der Elbmündung und der Kieler Förde war ein anderer. Der Hamburger Reeder Hermann Dahlström hatte in Berliner Regierungskreisen einen Spitznamen. Wegen seines unermüdlichen Werbens für den Bau eines Nord-Ostsee-Kanals in Denkschriften und Eingaben war er als „Kanalström“ bekannt. Der umtriebige Mann legte Otto von Bismarck sein Konzept vor und gewann in dem deutschen Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten einen mächtigen Verbündeten. Während bei Dahlström ökonomische Interessen überwogen, waren es bei Bismarck zunächst militärische.

Der Regierungschef beschäftigte sich schon seit dem Sieg im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 mit der Idee einer künstlichen Wasserstraße durch Holstein, „welche alle Kriegs-, Handels- und Dampfschiffe gut passieren können“. Die deutsche Flotte sollte „jederzeit von der Ostsee in die Nordsee gelangen, ohne unter dänischen Kanonen passieren zu müssen“.

Bismarck fand sich unversehens unter dem Beschuss des eigenen Militärs. Generalstabschef Helmuth von Moltke und Kriegsminister Albrecht von Roon torpedierten dessen Pläne. Die beiden Militärs wollten keine zivilen Schiffe in die Nähe des Kriegshafens Eckernförde lassen. Das benötigte Geld für den Kanaldurchstich sollte ihrer Ansicht nach für den Aufbau einer weiteren Flotte investiert werden. Moltkes „Rede gegen den Kanalbau“ im Reichstag hatte Erfolg. Die Abgeordneten lehnten das Projekt ab.

Dem Reichskanzler gelang es aber, Kaiser Wilhelm I. auf seine Seite zu ziehen. Der Bericht des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, der an der Eröffnung des Suezkanals 1869 in Port Said teilgenommen hatte, dürfte eine Rolle bei der Entscheidung des Monarchen gespielt haben. Beeindruckt schrieb der Kronprinz:

„17. November. Wir befinden uns nunmehr auf dem neuesten Wunderwerk unseres Zeitalters, weihen den Sueskanal ein und fühlen, daß wir Zeugen eines Ereignisses sind, das für den Weltverkehr von ganz außerordentlicher Bedeutung sein wird ... Gott gebe seinen Segen für die daraus erschlossenen Verkehrsquellen und für die neuen Unternehmungen, die sich notwendigerweise daran anschließen werden. Möchte doch Deutschland sich bald ähnlich großer Leistungen auf dem Gebiete der Verkehrswege rühmen können.“

1886 stimmte das Parlament dem Bau des Nord-Ostsee-Kanals zu. Das gewaltige Vorhaben sollte allerdings nicht, wie Dahlström vorschlug, von einer Aktiengesellschaft wie beim Suezkanal realisiert werden, sondern in Regie des Deutschen Reichs auf Reichskosten. Der geplante knapp 100 Kilometer lange Durchstich durch Wiesen und Felder verkürzte den Weg von der Nord- zur Ostsee und umgekehrt um rund 250 Seemeilen, etwa 460 Kilometer.

Am 3. Juni 1887 begann der Bau nach Dahlströms Konzept mit der Grundsteinlegung für die Schleuse in Holtenau. Obwohl der Kanal auf seiner ganzen Länge spiegelgleich war, also kein Höhenunterschied zwischen Kieler Förde und Elbmündung bestand, mussten Schleusen bei Holtenau, Rendsburg und Brunsbüttel errichtet werden, um Gezeiten und Windstau auszugleichen. Hinzu kamen zwei weitere Großprojekte, die Hochbrücken in Grünental und Levensau, sechs bewegliche Brücken und 16 Schöpfwerke. Die heimischen Arbeitskräfte reichten nicht. Fachleute und Arbeiter wurden vor allem in Ostdeutschland und in Italien angeworben.

Die „Palatia“ passierte als Erste

Die Kaiserliche Canal Commission unterteilte die Kanaltrasse in fünf Abschnitte und vergab sie an Baufirmen unter anderem in Hannover, Hamburg und Frankfurt. Die bis zu 9000 Beschäftigten lebten entlang der Baustellen in Baracken mit Vollpension. Für das neun Meter tiefe und 67 Meter breite Kanalbett mussten 80 Millionen Kubikmeter Schlick und Sand ausgehoben werden. Elevatoren beförderten den Aushub nach oben.

Die Arbeiten gingen oft auch nachts im Licht von Fackeln weiter. Der Einsatz von 60 Baggern, 2750 Erdtransportwagen, gezogen von 90 Lokomotiven, 270 schwimmenden Geräten wie Rammen, Kränen und Betonmischmaschinen erforderte eine Meisterleistung der Logistik.

Nach achtjähriger Bauzeit war das Mammutwerk vollendet. Vor der offiziellen Eröffnung absolvierte der 7131 Bruttoregistertonnen große Passagierdampfer „Palatia“ der Hamburg-Amerika-Linie zwei Testfahrten. Alles lief wie geplant. Der Kaiserlichen Canal Commission gelang noch ein Kunststück. Der Kanalbau kostete genau so viel wie vor Beginn kalkuliert: 156 Millionen Mark, keinen Pfennig mehr. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Kanal auf 102 Meter Breite und elf Meter Tiefe ausgebaut, damit ihn die Großkampfschiffe der Kaiserlichen Marine passieren konnten.


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Kommentare

Lutz Gerke am 16.06.20, 06:54 Uhr

Daß Privat besser wirtschaften könne als der Staat, ist durchsichtige Reklame der Privaten. Die Strompreise schießen in die Höhe seit der Privatisierung der Energieversorger. Und die nehmen auf die Natur keine Rücksicht.
Die Privaten schalten sich zwischen Strom und Verbraucher und saugen da ihre Gewinne ab. Natürlich gibt es immer die passende Floskel für notwendige Preiserhöhungen, während man sich im Hinterzimmer die Hände reibt über satte Aktiengewinne.
Der Staat darf keine Gewinne machen. Deshalb gehören Grundversorger wie Post, Telekommunikation, Bahn, Energie in staatliche Hände.
Im Privathand sind Zugausfäller und mehrere Stunden-Verspätungen Normalität.
Heute sind angeblich alte weisse Männer an allem schuld. Man schaue Bilder und Reportagen aus den 70er Jahren und dann die Arte-Dokumentation

"Plastik überall"

Das ist die Folge antifaschistischer-antirassistischer grüner Clan- und Globalisierungspolitik.

Immer dickere Pötte aus China sollen unsere Häfen anlaufen. Was landen die in ihrem Bauch eigentlich bei uns an?

Chris Benthe am 13.06.20, 09:27 Uhr

Einfach wunderbar. Größe, Stolz, Pracht. Deutsches Vaterland.

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