Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
In wenigen Tagen stehen die Berliner wieder einmal vor der Wahl, wer ihre Stadt regieren soll. Ein Un-Sittenbild einer Stadt, die gern vorgibt, eine pulsierende Metropole zu sein – und doch im Alltag Tag für Tag eine graue Provinzialität offenbart
Eines muss man den Berlinern lassen: Es gibt Sachen, die macht ihnen so schnell keiner nach. Leidenschaftlich diskutieren sie über eine „Döner-Preisbremse“ und die Entfernung des Wortes „Preußen“ aus der altehrwürdigen Stiftung Preußischer Kul-turbesitz, sie wuchten sinnlos Sperrholz- und Blechkästen auf Durchgangsstraßen, um das Weltklima zu retten, und setzen schon mal eine ganze Landtagswahl in den Sand, was seit 1949 noch niemand sonst in Deutschland hingekriegt hat.
So dürfen die einst eingemauerten „Insulaner“ des Ostens in gut einer Woche, am Sonntag, dem 12. Februar, noch einmal zur Wahl des Abgeordnetenhauses schreiten, nachdem der Landesverfassungsgerichtshof festgestellt hat, dass im Herbst 2021 „nicht nur einzelne, sondern Tausende Wahlberechtigte am Wahltag in Berlin ihre Stimme nicht, nicht wirksam, nur unter unzumutbaren Bedingungen oder nicht unbeeinflusst abgeben konnten“. Daher seien „die in der Verfassung des Landes Berlin festgelegten Grundsätze der Freiheit, der Allgemeinheit und der Gleichheit der Wahl verletzt“ worden.
Ist der Ruf erst ruiniert ...
Es passt zu den Sitten und Gebräuchen des ungeschriebenen Berliner Landrechts, dass dafür niemand zur Verantwortung, gar zur Rechenschaft gezogen wurde. Es ging halt ein bisschen chaotisch zu, nichts Ungewöhnliches für Berlin, wo es gerne mal drunter und drüber geht, wie zuletzt in der Silvesternacht, als Feuerwehr und Polizei von randalierenden Jugendlichen attackiert wurden und in lebensgefährliche Situationen gerieten.
Weder der zuständige Innensenator noch die Regierende Bürgermeisterin Giffey sahen irgendeine Veranlassung, persönliche Konsequenzen zu ziehen. Im Gegenteil: Sie treten fröhlich wieder an. Diese Art regionaltypisch folkloristischer Wurschtigkeit legte Franziska Giffey schon an den Tag, als sie wegen der Aberkennung ihres Doktortitels aufgrund zahlloser Plagiate zwar als Bundesfamilienministerin zurücktrat, kurz darauf jedoch zur Spitzenkandidatin in Berlin gekürt wurde. Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's völlig ungeniert.
Die Berliner – die im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) nur „Berliner*innen“ heißen – wundert das nicht. Sie kennen es nicht anders. Diese Form moralischer Grobmotorik ist ihnen vertraut, und ganz ehrlich: Viele lassen selbst gerne fünfe gerade sein. Der über die ganze Hauptstadt verteilte Sperrmüll, oft mit dem Hinweis „Zu verschenken! Viel Spaß damit!“ versehen, ist nur ein Zeugnis dieser sizilianisch-mediterranen Lockerheit, in der man Regeln Regeln sein lässt, wenn sie einem selbst gerade nicht passen. Moral, Bekenntnis und Haltung – früher nannte man das „Gesinnung“ – zeigt man nur im globalen Maßstab der Weltrettung, also dort, wo es nichts kostet, das eigene „Gutsein“ zu demonstrieren.
Passabel leben ohne Arbeit
Apropos: In Berlin finden pro Jahr rund 6000 Demonstrationen statt, also Tag für Tag etwa 160 – von der selbstklebenden Kleingruppe der „Letzten Generation“ auf der Avus bis zur Großdemonstration am Reichstag. Nur ausgesprochen reaktionäre Kräfte, die wahrscheinlich ihren alten Kaiser Wilhelm wiederhaben wollen, fragen sich gelegentlich, woher all die Aktivisten ihre Zeit nehmen, vom Geld zu schweigen.
Aber auch das ist Berlin: Man kann hier selbst ohne Arbeit passabel durchkommen, jedenfalls eine Zeit lang. Der Mode-Begriff von der „Work-Life-Balance“ hat hier seit eh und je gegolten. Für die Balance sorgt ein ausuferndes Sozialsystem, das niemand mehr überblickt, dafür aber zu einem großen Teil von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen über den Länderfinanzausgleich bezahlt wird. Zum Dank führt Berlin dann jenes kostenlose Mittagessen für die ersten sechs Schulklassen ein, das man sich im wohlhabenden Süddeutschland nicht leisten mag. Leider hat sich herausgestellt, dass jedes vierte gelieferte Essen unangerührt im Müll landet. Die Lektion, dass das, was nichts kostet, auch nichts wert ist, kam an der Spree bis heute nicht wirklich an.
Zu alldem kommt die legendäre „Kiez-Kultur“, die frei nach Olaf Scholz („You'll never walk alone“) niemanden alleine lässt. Auch nachts nicht, wenn der Alkoholpegel die gewohnten Normwerte erreicht hat und die multikulturelle Lebensfreude in lautstarken, zugegeben: nicht immer wohlklingenden Gesang mündet. Wer um zwei Uhr früh darauf pochen will, seinen Schlaf für den morgigen Arbeitstag zu benötigen, stößt auf Unglauben und Unverständnis.
Politisch gewollte Provinzialität
So ist Berlin immer auch die Stadt der Parallelgesellschaften – von der offenen Drogenszene im Görlitzer Park mit 500 Dealern bis zu den großbürgerlichen Wohngebieten in Dahlem, Nikolassee und Grunewald, vom in die Jahre gekommenen Anarcho-Charme Kreuzberger Nächte zum angestammten Revier der Wilmersdorfer Witwen, die ihren Eierlikör immer noch auf der Eichenholzanrichte von Onkel Heinrich und Tante Anna griffbereit halten. Man weiß ja nie, wer hereinschneit.
Und eigentlich ist Berlin ja noch immer eine Stadt, deren aufregende, historisch gewachsene Vielfalt man gar nicht phrasenhaft beschwören muss, weil sie ganz real ist, unmittelbar erlebbar.
Es ist die Politik, es sind die politischen Zustände, die diese europäische Metropole, die im wilhelminischen Kaiserreich entstand, systematisch ins Provinziell-Dörfliche ziehen, in die spießerhaften Abgründe von rotrot-grünem Bullerbü-Kitsch, einer verlogenen Volksgemeinschaftsideologie, diesmal von links, also nachhaltig, bunt, diskriminierungssensibel, queer und gender-gerecht.
Großmäulig-illusionäres Pathos in Tateinheit mit Weltniveau-Geschwurbel wechselt sich mit Pippi-Langstrumpf-Phantasien ab, deren Kern in der Vorstellung besteht, eine Stadt mit annähernd vier Millionen Einwohnern könne die sommerliche Har-monieseligkeit eines rebenumrankten südpfälzischen Weinortes ausstrahlen, so schön, so friedlich, so idyllisch, „hygge“ eben.
Symbol Friedrichstraße
Gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Konflikte werden nicht nur bei den brisanten Themen Migration und Integration, Clankriminalität und islamistischem Terror, „Ehren“- und Messermorden ausgeblendet. Sie passen nicht ins naiv-regressive Schema der Straßenfest-Ästhetik aus den 80er Jahren, mit Gyros, Häkelkurs und Hüpfburg. Was moderne Urbanität bedeuten könnte, gar großstädtische Eleganz wie in Paris oder Barcelona, wird erst gar nicht diskutiert. Symptomatisch dafür ist der geschichtslose Dogmatismus, ja Fanatismus, mit dem die grüne Verkehrssenatorin Jarasch, die Regierende Bürgermeisterin werden will, um jeden Preis die dauerhafte Sperrung eines zentralen Teils der Friedrichstraße betreibt.
Wie in einer Nussschale ist hier die rotrot-grüne Symbolpolitik zu studieren. Gut 500 Meter der einst quirligen Straße, die vor hundert Jahren, in den „Roaring Twenties“, zahlreiche Cabaret-Theater, Restaurants und Unterhaltungslokale beherbergte, sind nun wieder dem Autoverkehr entzogen. Hässliche „Straßenmöbel“ mit Sperrholz-Charme sollen zum Ausruhen und Flanieren einladen, doch in Wahrheit gibt es, anders als auf dem Kurfürstendamm und dem Tauentzien, gar nichts zu sehen. Selbst die Fußgängerzone in Bielefeld hat mehr zu bieten.
Die protestierenden Anrainer und Geschäftsleute werden so wenig gefragt wie der Rest der Bevölkerung, und weder dem Klima noch der Verkehrssicherheit ist mit diesem städtebaulichen Murks geholfen. Doch die Richtung ist klar: Abbau, Rückbau, Schrumpfung. So entstehen urbane Todeszonen voller Poller, Fahrradbügel und Sitzmöbel, die alsbald, rundum beschmiert und zugesprüht, ihrem bestimmungsgerechten biodynamischen Verfallsprozess entgegengehen. Hier triumphiert der ideologische Bullerbü-Stalinismus schlicht um seiner selbst willen – Kopfgeburt einer akademisch-woken Pseudo-Elite, die gar nicht ahnt, in welch fataler deutscher Tradition von Rechthaberei und gnadenloser Vollstreckungslust sie sich bewegt. Der Weg von der grünen „Basisdemokratie“ zur amtsgrauen Bürokratie war kurz.
Wahlkampf mit leeren Phrasen
Kein Wunder, dass der Wahlkampf merkwürdig blass bleibt in diesen Winterwochen mit ihrem oft bleiernen Himmel, der die Stimmung unten durchaus spiegelt. Manch einer fragt sich: Wo bitte geht's zur Front? Wann wird einmal Tacheles geredet über die wahren Probleme der Stadt? Die politische Auseinandersetzung leidet allerdings auch darunter, dass der rot-rot-grüne Block aus SPD, Grünen und Linkspartei trotz aller Differenzen eine schier betonharte strukturelle Mehrheit hat, auch wenn sie diesmal knapper ausfallen könnte als sonst.
So läuft man achselzuckend an den unsäglich schlecht gemachten Wahlplakaten der Parteien mit ihren notorischen Leerformen und Worthülsen vorbei. Ein Lächeln zaubert allein die „Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung“ auf das Gesicht von Passanten, verspricht sie doch ein „unbegrenzt langes Leben für alle“. Vorläufig werden allerdings nur „tausend Jahre gesund leben“ versprochen, wobei unklar bleibt, ob diese Zeit komplett in Berlin abgesessen werden muss, womöglich unter einer dann mehr als tausend Jahre alten Bettina Jarasch.
Wie auch immer: Es gibt ihn also noch, den Spirit eines Optimismus, der Berlin nach der Euphorie des Mauerfalls und den Jahren der schwierigen, aber hoffnungsfrohen Wiedervereinigung abhandengekommen ist. Eine „degenerative Entwicklung“ habe vor allem das politische Spitzenpersonal erfasst – so sagt es ein altgedienter ehemaliger Spitzen-Grüner und nimmt die eigene Partei dabei nicht aus.
Doch die Schmerztoleranz der Berliner ist legendär, und so wählt man immer wieder diejenigen, die traditionell für Verwaltungschaos, Inkompetenz wie den Hang zu Enteignung und Planwirtschaft à la DDR 2.0 stehen. Die bürgerlich-liberale Opposition aus CDU und FDP kommt zusammen kaum über 30 Prozent und verfügt auch nicht über charismatische Kandidaten.
Chance für einen Wandel?
Dabei liegt für die Opposition der Ball seit Monaten auf dem Elfmeterpunkt: Der Berliner Senat ist die unbeliebteste Landesregierung in der Bundesrepublik – über sechzig Prozent sind mit ihr unzufrieden –, und allein das Wahldesaster vom September 2021 hätte überall sonst dazu geführt, dass es zu einem politischen Wechsel kommt. Nicht so zwischen Spree und Havel.
Aber wer weiß: Wenn Rot-Rot-Grün nur eine ganz knappe Mehrheit erreicht oder sie gar hauchdünn verfehlen sollte, könnte es zum Beispiel zu einer „Deutschland-Koalition“ unter Führung des CDU-Kandidaten Kai Wegner mit SPD und FDP kommen. Es wäre eine Sensation – und ein veritabler Neuanfang. Freilich müsste sich die SPD, deren Regierende Bürgermeister einst Ernst Reuter und Willy Brandt hießen, erst einmal aus der rot-rot-grünen Gefangenschaft lösen.
Aber warum sollte nicht auch in Berlin einmal eine Zeitenwende stattfinden?
• Reinhard Mohr war bis 2004 Redakteur des „Spiegel“ und bis 2010 Autor von „Spiegel Online“. Er schreibt heute unter anderem für „Die Welt“ und „Neue Zürcher Zeitung“. 2021 erschien „Deutschland zwischen Größenwahn und Selbstverleugnung. Warum es keine Mitte mehr gibt“ (Europa Verlag).
www.europa-verlag.com
H. Schinkel am 08.02.23, 18:05 Uhr
Das Wahlplakat der FDP sehe ich als Aufforderung zur Wahl der AfD. Denn die FDP ist und war doch immer ein Teil des Problems, also warum sollte man die wieder wählen?
Aber leider sind die Berliner so Links das sie Rechts wieder heraus kommen. Ich verstehe diese Mentalität auch nicht und komme damit auch nicht klar. Wir werden aber sehen das die Berliner gut jammern können, aber nicht gewillt sind an den Problemen etwas zu ändern. Die politische Zusammensetzung wird sich nach der Wahl, meiner Meinung nach, nicht verändern.
Michael Holz am 07.02.23, 14:42 Uhr
Ich bin, wie man früher so sagte, ein waschechter Rucksackberliner. 1969 kam ich als Neunundzwanzigjähriger zum Studium in die damalige Hauptstadt der DDR Berlin an die Spree. Mir gefiel diese Stadt, was kein Wunder war, denn ich kam aus der tiefsten Provinz, der Insel der Unglücksseeligen welche den Rügendamm hochklappen wollten, damit Rügen nach Schweden abtreibt und wieder zu Südschweden gehören sollte. Das war unser Traum.
Die Berliner Klappe, Zille und die preußischen Überreste gefielen mir, die roten SED-Bonzen weniger.
Über Umwege, politische Haft und Freikauf durch die Wessis, landete ich 1975 wieder in Berlin, diesmal in der „Selbständigen politischen Einheit Westberlin“. Dieser Stadtteil gefiel mir auch. Noch besser als Ostberlin. Was mich schon damals störte, waren die linken Chaoten, die Bundeswehrdrückeberger und die vielen Türken in Kreuzberg. Mit den Türken kam ich zurecht, weil diese überwiegend fleißig und anständig waren, nur mit den verkappten und offenen Kommunisten, überwiegend an der Freien Universität, in der ich wieder studierte, hatte ich meine Probleme. Dann habe ich fasst zwanzig Jahre in Westberlin und ab 1990 im vereinten Berlin gelebt. Mit der Widervereinigung (kein Schreibfehler!) kamen die roten Wessis die sich mit den roten Ossis verbündeten und das Bild der Stadt veränderte sich sukzessive zum negativen. Obwohl ich diese Stadt liebte, kehrt ich ihr 1998 den Rücken, indem ich von der inneren Emigration in die äußere wechselte.
Aus der Ferne habe ich die Entwicklung in Berlin beobachtet und mir blutete oftmals das Herz, zu sehen, was aus meiner geliebten Stadt wurde. Mit dem Umzug der Negativelite aus Bonn nach Berlin kam neben der ideologischen Linken auch der moralische und politische Verfall. Der derzeitige Zustand der Stadt ist meiner Meinung nach katastrophal und es wird wahrscheinlich noch schlimmer werden.
Ich frage meine ehemaligen Mitbürger: Wollt ihr so weiterleben, in Verfall und Agonie? Nein? Dann ändert es verdammt noch mal! Ihr habt noch die Kraft!