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80. Todestag

Heinersdorff und die Kirche in Behrenhoff

Mittelalterliche Wandmalereien und Glaskunst aus dem 20. Jahrhundert in einer der ältesten Kirchen Pommerns

Martin Stolzenau
31.10.2021

Behrenhoff in der Nähe der Kleinstadt Gützkow unweit von Greifswald in Vorpommern bekam ab dem 13. Jahrhundert in mehreren Bauschritten eine recht repräsentative Kirche. Sie gehörte damit einst zu den ersten 150 Sakralbauten in ganz Pommern, zählt heute zu den ältesten erhaltenen Kirchen in ganz Mecklenburg- Vorpommern und beeindruckt außer durch ihre äußere Gestalt auch durch ihre Innenausstattung.

Deren Besonderheiten reichen von ungewöhnlichen Chor-Wandgemälden, die für ganz Norddeutschland einmalig sind, über treffliche Glasmalereien von Gottfried Heinersdorff, eine Altarretabel, die Kanzel, den Taufstein aus dem 13. Jahrhundert und Schnitzfiguren bis zur Orgel auf der Westempore. Nach langer baulicher Vernachlässigung, die zu einem bedenklichen Zustand führte, kam es ab 2013 mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in mehreren Schritten zu einer umfassenden Restaurierung der kunsthistorisch besonders wertvollen Dorfkirche von Behrenhoff im Gützkower Kirchsprengel.

Im Inneren: Mittelalter trifft bedeutende Glaskunst

Am 10. Dezember 2017 erfolgte dann die Weihe des sanierten Baus. Er erstrahlt jetzt im neuen Glanz, ist wieder voll nutzbar und zieht mit seinen Besonderheiten auch Touristen an. Als besondere Attraktionen gelten dabei die mittelalterlichen Wandmalereien und die Werke der Glaskunst von Gottfried Heinersdorff, dem einst bekannten Reformer der deutschen Glasmalkunst, der am 24. Oktober seinen 80. Todestag hatte.

Am Anfang der Behrenhoffer Geschichte stand die Adelsfamilie von Behr, die aus dem Herrschaftsgebiet der Welfen um Braunschweig etwa 1230 eingewandert war und von den Pommernherzögen gefördert wurde. Sie bekam die Gützkower Grafen als Lehnsherren, konkurrierte bald mit ihnen und zeigten das auch beim Kirchenbau. Ihre Hauskirche in Behrenhoff sollte der fast parallel entstehenden Kirche in Gützkow nicht nachstehen. Zunächst entstand aus einem Granitmauerwerk der Chor.

Es folgte das Langhaus in der Form einer dreischiffigen Basilika. Jüngste dendrologische Untersuchungen des Daches lassen auf dessen Fertigstellung um 1415 schließen. Parallel wurde die Nord- und Südwand des Chores ausgemalt.

Im „Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler für Mecklenburg-Vorpommern“ ist die Wandmalerei auf Anfang des 14. Jahrhunderts datiert. Es gibt aber auch Kunstwissenschaftler, die diese Arbeiten auf die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts und auf die Zeit um 1300 legen. Sie waren aber über Jahrhunderte übermalt, wurden erst 1897 „fragmentarisch freigelegt“ und anschließend bis 1899 restauriert. Sie gelten inzwischen kunsthistorisch neben den vergleichbaren Wandmalereien in Ziesar als Bilderbuch des Glaubens und norddeutsche Einmaligkeit.

An der Nordwand des Chores werden die Höllenqualen dargestellt: „Ein Dämon zerrt eine Schar Verdammter durch ein zinnenbewehrtes Tor. Unter ihnen ein König, ein Bischof und zwei Mönche. Links davon Folterszenen: Ein kniend um Gnade Flehender wird von einem Teufel traktiert. Daneben muss ein Mann auf einem glühenden Amboss sitzen, auf der Schulter ein heißes Hufeisen. Eine Frau, die Wasser aus einem Fass schöpft, wird durch eine Hängevorrichtung am Trinken gehindert, während ein Teufel ihr siedende Flüssigkeit über den Kopf gießt. Ganz links ist der gewaltige Höllenrachen in Gestalt eines Mauls mit Reißzähnen, in den mehrere Sünder stürzen, raumgreifend in Szene gesetzt.“ So wurden die Gläubigen im Mittelalter auf die Höllenqualen nach Verfehlungen hingewiesen.

Beachtlich für damalige Verhältnisse war, dass auch der Adel und Klerus davon nicht ausgenommen wurden. In den Wandmalereien gibt es auch einen Bereich für die Darstellung der Apostel und einen Fries mit den Familienwappen der Herzöge von Pommern, der Grafen von Gützkow und der Familie von Behr, die das Patronat über Dorf und Kirche besaßen. Zwischen den Wandmalereien, deren Schöpfer unbekannt ist, bricht durch die bunten Glasfenster das Licht in den Raum. Die ebenfalls eindrucksvolle Glasmalkunst stammt von dem bereits erwähnten Heinersdorff.

Wenige seiner Kunstwerke in Deutschland erhalten

Dieser Künstler wurde am 9. März 1883 in Berlin geboren. Sein Vater unterhielt eine Hofbuchhandlung, einen Verlag und eine Glaskunstwerkstatt und war erfolgreich im Kunsthandel tätig. Sohn Gottfried wurde früh mit der Glaskunst vertraut und musste schon mit 17 Jahren nach dem Tod des Vaters dessen Geschäfte übernehmen. Er erschloss sich die Glasmaltechnik der Gotik, gehörte zu den Wegbereitern der Reformbewegung im Deutschen Werkbund und pflegte dabei engen Kontakt zu Gesinnungsfreunden wie Henry van de Velde, Bruno Taut und Karl Ernst Osthaus.

Heinersdorff sorgte nach einem Entwurf Max Pechsteins für die Glaskunstfenster im neuen Jugendstil-Rathaus im sächsischen Eibenstock, förderte expressionistische Künstler und galt vor und nach dem Ersten Weltkrieg als „einer der besten und innovativsten Glaskünstler Deutschlands“, dessen „Kunstanstalt für Glasmalerei, Bleiverglasungen und Glasmosaik“ Großaufträge aus allen deutschen Regionen erfüllte. Mittendrin der Auftrag aus Behrenhoff, wo er zwischen 1907 und 1909 seine Glaskunst installierte.

Heinersdorff schuf auch „Münchner Fenster“ für Kansas City

Die Darstellungen reichen vom Wappen der Familie von Behr über den „aus dem Grab steigenden Jesus Christus“ bis zur Geburt Jesu. 1913 folgte das bekannte „Münchner Fenster“ für Kansas City in den USA und 1931 die Darstellung der Taufe Jesu für die Stadtkirche in Neustrelitz. Seine Arbeit boomte, ermöglichte ihm ein umfangreiches Mäzenatentum und erlebte mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ein bitteres Ende.

Er wurde zum „Halbjuden“ erklärt, verlor alle Gewerbe-Zulassungen und konnte sich ins Exil nach Frankreich absetzen, wo er nach Einmarsch der Wehrmacht in die Dordogne flüchtete und dort am 24. Oktober 1941 an Krebs verstarb.

Fast allen Arbeiten der Glasmalkunst und die Glasmosaike von seiner Hand fielen dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Deshalb gelten heute die wenigen erhaltenen Glaskunstschöpfungen wie die in der Dorfkirche von Behrenhoff für Kunstfreunde als Attraktionen. Zusammen mit den mittelalterlichen Wandmalereien erhöhen sie nach der gründlichen Sanierung die Anziehungskraft der Dorfkirche in Vorpommern.

Heinersdorff wurden in den letzten Jahren zahlreiche Ausstellungen, Dissertationen und kunstwissenschaftliche Schriften gewidmet. Dazu wurde die Dorfkirche von Behrenhoff mit ihren Besonderheiten durch Christiane Schilling in der Zeitschrift „Monumente“ der DSD vorgestellt.


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