29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Rumänien

Hetze gegen den Fritz

„Dahergelaufene Ausländer“ – Nationalistische rumänische Politiker befeuern den Deutschenhass im Land

Bodo Bost
04.05.2022

Obwohl Rumänien seit fast acht Jahren einen Präsidenten hat, welcher der deutschen Minderheit der Siebenbürger Sachsen angehört, steigt die Deutschenfeindlichkeit in dem Land. So kam es jüngst zu verbalen Angriffen auf den deutschen Bürgermeister von Temeswar. Desgleichen hat im Februar der Parlamentarier Ciprian-Titi Stoica von der rechtsnationalistischen Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR) den Abgeordneten Ovidiu Ganț als „Nazi“ und dessen Partei, das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR), als „Nachfolger“ der Deutschen Volksgruppe aus der NS-Zeit verunglimpft.

Die Parlamentsgruppe Nationale Minderheiten hat die Anschuldigungen als „beleidigend“ und als Angriff auf das Recht auf die Würde betrachtet. Nach dem Vorfall forderte Ganț die Generalstaatsanwaltschaft auf, Maßnahmen zu ergreifen.

Ganț ist seit 17 Jahren Mitglied der Abgeordnetenkammer und hatte bisher nie wegen seiner Abstammung Probleme. Stoica war bereits im September 2021 aufgefallen, als er mit anderen AUR-Abgeordneten den Abgeordneten der Nationalliberalen Partei (PNL) Florin Roman quasi handgreiflich aus der Parlamentssitzung vertrieb. Stoica hat den Spitznamen „Titi Four Hands“, weil er bei einer Abstimmung über den Staatshaushalt doppelt abgestimmt hat.

Der 39-jährige Rechtspolitiker ist seit 2020 Abgeordneter, vorher hatte er in London als U-Bahn-Stationsleiter, Wachmann und Hilfskoch gearbeitet. Alle anderen Fraktionen des rumänischen Parlaments haben den gewaltsamen Angriff verurteilt, darunter auch die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei (PSD).

„Komm raus, du Drecksköter!“

Der Rechtsausschuss der Abgeordnetenkammer beschloss am 15. März, Stoica mit einer Verwarnung zu belegen. Der AUR gelang bei der Parlamentswahl 2020 der überraschende Einzug in die Abgeordnetenkammer als viertstärkste Kraft mit fast zehn Prozent der Stimmen. Zuvor hatten nur wenige Umfrageinstitute einen Einzug prognostiziert.

Die AUR setzt sich in ihrem Wahlprogramm als faktisch einzigen Punkt für eine Vereinigung der Republik Moldau mit Rumänien, ein. In der Republik Moldau erhielt sie 2021 jedoch nur 0,5 Prozent der Stimmen und keinen Abgeordnetensitz. Die Rhetorik der Partei richtete sich bislang vor allem gegen Rumäniens ungarische Minderheit.

Mitglieder der AUR hatten bereits von sich reden gemacht, als sie im Januar gewaltsam das Rathaus in der Banat-Metropole Temeswar, in der Dominic Fritz seit zwei Jahren Bürgermeister ist, stürmen wollten. Die Randalierer brüllten „Komm raus, du Drecksköter!“ und meinten damit den Bürgermeister. Nach einer Viertelstunde verbaler Aggressionen verließen sie das Gebäude schließlich.

An vorderster Front mit dabei war der AUR-Vorsitzende George Simion. Er hetzte schon früher gegen den aus Lörrach stammenden deutschen Bürgermeister, der im September vorletzten Jahres als erster Kommunalpolitiker mit ausländischer Staatsbürgerschaft zum Oberhaupt einer rumänischen Stadt gewählt worden war. Das Land brauche, so Simion, solche „dahergelaufenen Ausländer“ nicht. Die Versammelten skandierten: „Fritz, vergiss nicht, dies ist nicht deine Stadt!“

Solidarität von 23 Bürgermeistern

Die Aktion von Simion und seiner AUR stieß zwar in den Medien auf große Ablehnung, Bürgermeister von 23 rumänischen Städten unterzeichneten eine Solidaritätserklärung für ihren Kollegen und forderten vom rumänischen Staat, härter gegen derartige Randalierer vorzugehen. Aber es gibt viele Analysten, welche die Meinung vertreten, die Aktionen der AUR fänden mit „Erlaubnis und Unterstützung“ staatlicher Behörden statt.

In Temeswar begann 1989 der Aufstand zum Sturz gegen die Ceaușescu-Diktatur, hier gab es besonders viele Tote. Angeführt hatte den Aufstand der evangelische Pfarrer László Tőkés, der ein Angehöriger der ungarischen Minderheit in Rumänien und mittlerweile EU-Abgeordneter der Demokratischen Union der Ungarn in Rumänien (UDMR) ist.

Die nationalistische AUR hatte während der Pandemie vor allem durch gewalttätige Anti-Corona-Proteste auf sich aufmerksam gemacht. Weil Widerstand gegen die Corona-Politik der Regierung bei vielen Bürgern populär ist, liegt die AUR derzeit in Umfragen bei 20 Prozent und ist nach den Sozialdemokraten bereits zweitstärkste Partei. Das gewaltsame Eindringen in das Temeswarer Rathaus hatte für Simion und die anderen Randalierer kaum Folgen, es wurden lediglich kleinere Geldstrafen verhängt – wegen Verstoßes gegen die Maskenpflicht und Störung der öffentlichen Ruhe.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

Karl P. Schlor Publizist am 24.05.22, 10:13 Uhr

Temeschburg ist die Hauptstadt des rumänischen Banats,
das jugoslawische Banat westwärts über der Donau. Es hat mit Siebenbürgen, das ca. 700km entfernt ist, nichts zu tun, außer daß die Banater Schwaben katholisch nach Wien orientiert waren, die Siebenbürger Sachsen als
Protestanten eher nach dem protestantischen Berlin Ausschau hielten, aber beide eben die Deutschen in Ö.-U.
bzw. nach dem Ersten Weltkrieg in Rumänien.
Beide Volksgruppen deshalb so unterschiedlich wie
Preußen und Bayern. Süddeutsche eben.
Die Stadt heißt auf deutsch Temeschburg schon immer,
auch schon vor Hitler, ungarisch heißt sie Temesvaros,
nicht Temeswar, dieser ist ein Kunstname für umerzogene Deutsche, auf rumänisch heißt sie
Timiosara, basta!

Jan Kerzel am 05.05.22, 14:16 Uhr

Der Geist von EUropa weht überall, mal so, mal so. Dass missliebige Personen und Politiker im Konkurrenzkampf als Nazi etc. bezeichnet werden, ist doch allgemeiner Standard. Dieses Modell wurde und wird in dem einen oder anderen Staat bereits bis hin zur Staatsräson verfeinert und entsprechend in die Praxis umgesetzt. Das scheint in Rumänien aber noch nicht der Fall zu sein. Ein Einzelfall. Damit kann man leben und ich hoffe, der engagierte Bürgermeister auch. Allgemeine Deutschfeindlichkeit als Ressentiment ist aber generell en vogue. Das hat viele Ursachen. Die ideologisierte gönnerhafte bundesdeutsche Politik trägt dazu sicherlich erheblich bei. Wer nimmt, nimmt gern, aber den Geber und Schenker liebt er nicht, das ist ein alter Hut. Das gilt für das Innen- und Außenverhältnis. Änderung ist aber nicht in Sicht.

sitra achra am 05.05.22, 07:58 Uhr

Die Russen haben alle Hände voll zu tun. Jetzt müssen sie auch noch Rumänien "entnazifizieren". Aber wenn die Blochen Moldawien einkassieren wollen, hat sowieso ihr letztes Stündlein geschlagen.

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS