27.07.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Heimat

Historische Spuren in Stettin

Stück deutsche Geschichte – Unerwartete Entdeckungen auf einem Fußmarsch zu drei Museen in Stettin

Brigitte Klesczewski
25.11.2023

Auf altbekannten Wegen lässt sich bei jedem Besuch der Heimatstadt immer wieder etwas Neues entdecken oder Vergessenes in Erinnerungen bringen. Empfehlenswert ist die Aussichtsplattform des Jakobikirchturmes in Stettin. Hier entdeckte ich zum ersten Mal bewusst, wie kräftig sich im Osten der Höhenzug der Buchheide aus der Landschaft erhebt. Er ist sechs Kilometer breit bei einer Länge von 14,5 Kilometern und lädt förmlich die Großstädter im Sommer zum Wandern und im Winter zum Skilaufen ein. Mit der Bahn war dieses Kleinod früher leicht über Finkenwalde, Podejuch und Hökendorf zu erreichen.

In der Lindenstraße Ecke Kirchplatz [3. Maja/Plac Zawiszy Czarnego], nicht weit entfernt von meinem Hotel Viktoria, steht das Stadthaus der Dohrns, das Carl August Dohrn 1853 erbaute. Es war geräumig genug, um seine Käfersammlung aufzunehmen. Das Erdgeschoss hatte der Entomologe, Sänger und Weltreisende für sich reserviert. Seine Familie musste sich in den oberen Etagen einrichten. Er brauchte Raum, wie er sagte, zum Auf- und Abgehen beim Nachdenken.

Sein ältester Sohn war der spätere Stadtrat Dr. Heinrich Dohrn (1838–1913). Er war der Initiator für die Gründung eines pommerschen Museums. Dieses Museum wurde 1913 eröffnet und steht beherrschend auf der Höhe der Hakenterrasse über der Oder. Das Stadtpalais der Dohrns ist heute ein Grand-Fokus-Hotel.

Bekannte Namen
Nicht zu übersehen ist das Generallandschaftsgebäude am Paradeplatz [Aleja Niepodległości]. Der neobarocke Baukörper des Gebäudes wurde 1890 bis 1892 von Emil Draws als Sitz einer Pfandbriefbank entworfen. Seit 2016 ist das Generallandschaftsgebäude der Sitz der Akademie für Kunst und Musik. Es finden hier Veranstaltungen für Studenten statt. Zurzeit wird das stattliche Gebäude saniert. Nach den Sanierungsarbeiten soll es zu einem offenen Treffpunkt für Künstler und Wissenschaftler werden.

Auffallend in der Kleinen Ritterstraße [Rycerska] am Schloss ist die Reitbahn der Pommerschen Herzöge. Das Gebäude wurde Anfang des 17. Jahrhunderts errichtet und diente als herzoglicher Stall. Das Unterteil der Reitbahn ist gemauert. Das Oberteil, das Futterlager, dagegen ist ein Fachwerkbau. In der Giebelfassade sind das ursprüngliche Portal und der Schwenkkran erhalten geblieben. In der Zwischenkriegszeit war sie der Sitz der Schloss- und Mariengemeinde mit Kindergarten. Im Krieg wurde die Reitbahn zerstört und danach wieder aufgebaut. Heute beherbergt sie das Institut Germanistik von der Stettiner Universität.

Älteste Kirche in Pommern
Am Klosterhof steht die alte Peter-und-Paul-Kirche. Der Bau soll an der mutmaßlichen Stelle stehen, an der Bischof Otto von Bamberg 1124 den ersten Gottesdienst in Stettin gehalten hat. Sie ist damit die älteste Kirche in Pommern. Ihre heutige Form zur einschiffigen Kirche erhielt sie in den Jahren von 1677 bis 1683. Das Besondere an ihrer Nordseite ist ein Opferschlitz, eingerahmt von in Stein gehauenen Bildern der Apostel Peter und Paul. Im jetzigen Pfarramt erklärte man mir, dass dieser Schlitz eine „Sparkasse“ für Peter und Paul wäre.

Nicht unerwähnt soll das Hinweisschild für die Synagoge an der Mauer neben dem alten Gebäude der Stadtbibliothek an der Grünen Schanze bleiben. Hier stand seit 1835 eine Synagoge. Das Ende der Entwicklung der Stettiner jüdischen Gemeinschaft erfolgte durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland im Jahr 1933. In der „Reichskristallnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938 wurde diese Synagoge von einer nationalsozialistischen Kampfgruppe in Brand gesteckt. Von 1812 bis 1940 gab es eine jüdische Gemeinde in Stettin. Die Ruine der Synagoge wurde 1940 nach zwei Sprengungen abgetragen.

Die Museen
Wurde der ausgedehnte Fußmarsch zu drei Museen ein Erlebnis, bildete ihr Besuch eine leichte Enttäuschung, da nicht alle ihrer Räume geöffnet waren.

Im Alten Rathaus, das zur deutschen Zeit seine ursprünglich gotischen Formen unter dickem Putz verborgen hatte, fiel mir die Büste von Hugo Lemcke (1835–1925) auf. Lemcke war ein unermüdlicher Forscher pommerscher Heimatgeschichte. Seit 1894 hatte er die Funktion eines Provinzialkonservators inne. Auf seine Initiative geht eine Vielzahl von Museumsgründungen in Pommern zurück. Sein Hauptwerk bestand in der Erfassung der Bau- und Kunstdenkmäler Pommerns. In Anerkennung seiner vielfältigen Forschungen verlieh ihm die philosophische Fakultät der Universität Greifswald die Ehrendoktorwürde.

Auch im ehemaligen Provinzial-Landesmuseum [Muzeum Narodowe] in der Luisenstraße waren nicht alle Ausstellungssäle zugänglich. Das Museum umfasst die Abteilungen Heimische Urgeschichte, Volks-, Siedlungs- und Wirtschaftskunde, Landesgeschichte, Stadtkultur, kirchliche Kunst, Kunst in Pommern vom 12. bis 17. Jahrhundert, besonders aus der Zeit der pommerschen Herzöge, Schmuck und Kleidungsstücke, Dokumente und Waffen. Hier entdeckte ich ein Goldarmband der Herzogin Klara von Braunschweig-Lüneburg (1574–1623), die in ihrer zweiten Ehe von 1607 bis 1623 mit Herzog August verheiratet war. Sie war eine Tochter des Herzogs Bogislaw XIII. von Pommern. Zwischen den Greifen-Herzögen und den Welfen kam es des Öfteren zu ehelichen Verbindungen.

Goldschmuck der Herzogin Klara
Im Museum der Stadt Stettin, das in beherrschender Lage über der Oder im Mittelpunkt der Hakenterrasse steht, waren die meisten Ausstellungsräume ebenfalls nicht zugänglich. Dieses Museum wurde erst 1913 eröffnet und war ursprünglich dazu bestimmt, sämtliche Stettiner Sammlungen aufzunehmen.

Die von Heinrich Dohrn begründete Kopiensammlung stellt eine Besonderheit dieses Museums dar. Die ausgewählte Zahl von Hauptwerken der griechischen Plastik wird hier in echtem Material, nicht in Gips, sondern in Bronze und Marmor gezeigt. Diese Sammlung konnte aufgesucht werden.

Es lohnt sich also immer wieder, eine Reise nach Stettin anzutreten. Die Natur und die Landschaft haben sich nicht verändert. Wenn auch die Menschen, die heute dort leben, die Vergangenheit unserer Heimat nicht kennen, so wurde sie ihnen ebenfalls zur Heimat. Doch das Erstaunliche ist, dass jeder, der seine Heimat liebt, auch Interesse für ihre Geschichte zeigt.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS