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Zwischenruf

Hochschulschlacht am Kahlenberg

Der Kauf einer Wiener Privatuniversität durch eine ungarische Stiftung bewegt die Gemüter. Tatsächlich verrät die Kritik mehr über die Kritiker als über die kritisierte Stiftung

Paul Michaelis
07.06.2023

Die Reaktionen kamen prompt – und waren heftig. Nur wenige Tage, nachdem im Mai das ungarische Mathias Corvinus Collegium (MCC) 90 Prozent der Anteile an der Wiener Modul-Universität übernommen hatte, wetterten Medien in Österreich und in der Bundesrepublik Deutschland auch schon dagegen.

„Orbánismus am Kahlenberg: Wie eine Wiener Uni an das ungarische Regime gerät“, titelte etwa der Wiener „Standard“. Die Kollegen vom Boulevardblatt „Kurier“ assistierten mit: „Wiener Modul-Privatuni gehört jetzt einem Orbán-nahen Institut“. Die Österreich-Ausgabe der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ titelte: „Seine rechte Lehre. Eine Denkfabrik, die Viktor Orbán nahesteht, kauft sich in eine Wiener Privatuniversität ein“. Und der Berliner „Tagesspiegel“ schrieb gar: „Kaderschmiede des Illiberalismus: Orbáns Denkfabrik wächst Richtung Europa“. Um klarzustellen, dass es den selbsternannt-kritischen Geistern auch wirklich nicht um die Bildungseinrichtung oder das Wohl von deren Studenten geht, platzierten die meisten Medien neben ihre tendenziösen Überschriften auch kein Bild der Universität, sondern Aufnahmen des ungarischen Ministerpräsidenten, der für viele Linke und Linksliberale in der EU längst zum Gottseibeiuns der europäischen Politik geworden ist.

Fragen an einen angeblichen Skandal
Der unsachliche Ton muss nicht nur erschrecken – er wirft auch Fragen auf. Eine naheliegende ist, warum beim Kauf einer österreichischen Privatuniversität durch eine unabhängige in der Europäischen Union ansässige Stiftung wie dem MCC der Eindruck vermittelt wird, hier sei der ungarische Ministerpräsident persönlich dabei, eine angesehene Bildungseinrichtung in sein angebliches Reich propagandistischer Thinktanks zu integrieren.

Richtig ist, dass das 1996 gegründete Corvinus Collegium erst vor wenigen Jahren von der Budapester Regierung mit großzügigen Beteiligungen an Staatsunternehmen ausgestattet wurde, um unabhängig von den Konjunkturen des politischen Alltags (und dem Wohlwollen der jeweiligen Regierung) umfangreiche Bildungsprogramme für junge Ungarn vom zehnten Lebensjahr bis zum Ende des Studiums und auch darüber hinaus anbieten zu können. Richtig ist auch, dass das MCC in seiner Grundausrichtung durchaus konservativ ist – so ist etwa das Studenten-Café nach dem britischen konservativen Intellektuellen Roger Scruton benannt – doch ist es mitnichten ein Propagandawerkzeug der Regierenden auf dem Budaer Burgviertel. Allein schon das breite Lehrangebot und erst recht die Liste der prominenten Gastreferenten – zu denen unter anderem der US-Ökonom Jeffrey Sachs und der deutsche Sozialdemokrat Klaus von Dohnanyi gehören – zeigen, dass das MCC kein Propagandawerkzeug einer „illiberalen“ Polit-Clique ist.

Weshalb denn auch Zoltán Szalai, Generaldirektor des Corvinus Collegiums, die in den Medien gegen die Übernahme der Universität erhobenen Vorwürfe zurückweist. Für ihn ist die Beteiligung an der Modul-Universität „Teil der internationalen akademischen Netzwerkbildung“ seines Hauses. „Ziel“, so Szalai gegenüber der PAZ, „ist es, den begabtesten Studenten akademische Karrierewege auch im Ausland anzubieten. Im vergangenen Herbst eröffnete das MCC eine Ausbildungsstätte in Brüssel, an der Studierende die Arbeitsweise der Europäischen Union aus erster Hand kennenlernen können. Und vor wenigen Wochen ging das MCC eine Partnerschaft mit der European School of Management and Technology in Berlin ein, um mehr als 20 Studenten pro Jahr ein Stipendium an der renommiertesten deutschen Wirtschaftshochschule zu gewähren.“

Akademische Netzwerkbildung statt ideologischer Propaganda
Auf die Frage, welche Pläne das MCC mit der Universität habe und ob die Universität inhaltlich neu ausgerichtet werden soll, erwidert der Ungar: „Wir sind der Ansicht, dass es von Vorteil ist, wenn die Modul-Universität ihre Tätigkeit in der bisherigen Form, basierend auf den bisherigen Errungenschaften, weiterführt.“ Auch dies klingt nicht danach, als ob hier ein akademischer Kampfverband für Viktor Orbán entstünde.

Weshalb Szalai denn auch, trotz seines Ärgers über die unsachliche Berichterstattung, gelassen bleibt: „Wir sind gewohnt, dass Medien die Tätigkeit des MCC oft mit Skepsis und Kritik betrachten und diese auch fehlinterpretieren, oft nur aus dem einfachen Grund, weil sie ohne zu prüfen Meinungen von Politikern oder politischen Akteuren einfach übernehmen. Wer in unser Haus kommt, die Lernveranstaltungen besucht und mit den Studenten spricht, bekommt ein ganz anderes Bild, das mit politischen Losungen nichts zu tun hat.“

Tatsächliche Gründe der Aufregung
Bleibt die Frage, warum der Einstieg des MCC bei der Modul-Universität überhaupt solch große Wellen schlägt. Immerhin gibt es gemäß der Webseite „universityguideonline.org“ derzeit mehr als 4000 Hochschulen in der Europäischen Union, an denen Studenten vom Bachelor bis zur Promotion eine breite Palette an Abschlüssen erwerben können. Allein Österreich kommt laut Internetpräsenz des Wiener Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf 22 öffentliche Universitäten, 21 Fachhochschulen, 14 Pädagogische Hochschulen, zwei Privathochschulen und 17 Privatuniversitäten. Eine davon ist übrigens die von Orbáns größtem Gegenspieler George Soros initiierte Central European University, deren Wirken nicht hinterfragt wird.

Welcher „Schaden“ entsteht also, wenn eine einzelne Uni davon künftig einer ungarischen Stiftung gehört? Und was an diesem Vorgang rechtfertigt das – pardon! – Geschrei deutschsprachiger Medien dazu? Eine Antwort darauf werden die Kollegen wohl selbst kaum geben können. Zumindest steht in den eingangs erwähnten Artikeln kaum mehr als das übliche „Orbán“-Geraune.

Eine Erklärung könnte jedoch sein, dass hier ein Bildungsnetzwerk entsteht, das sich bewusst dem akademischen Zeitgeist entzieht, von dem der renommierte britische Historiker Niall Ferguson vor wenigen Jahren sagte, dass er zwar – linken Ideologien zufolge – ständig von Inklusion spreche, tatsächlich jedoch alle Andersdenkenden radikal ausgrenze. Nur traut sich das von den Kritikern der Übernahme niemand offen zu sagen.


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