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Der Wochenrückblick

Höchste Ansprüche

Warum wir wirtschaftlich abrutschen, und welche Haken ein Grüner schlagen kann

Hans Heckel
21.01.2023

Erst eine aufmerksame Leserin hat uns auf den Fauxpas aufmerksam gemacht: Im Wochenrückblick vergangener Woche habe ich im Überschwang Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius doch glatt zum „Ministerpräsidenten“ befördert. Vor dem Hintergrund, dass ich immerhin im Bundesland des Sozialdemokraten aufgewachsen und dem Land entsprechend verbunden bin, ein erstaunlicher Ausrutscher. Oder war es eine dunkle Ahnung, die mich unwissentlich trieb, dass aus dem Mann bald mehr werden könnte, als er zu dem Zeitpunkt war?

Nun jedenfalls steigt er ins Bundeskabinett auf und übernimmt dort die heruntergewirtschafteten Streitkräfte aus der Hand von Christine Lambrecht. Viel Glück dabei! Die Bundeswehr steht da wie ein Mahnmal vom Zustand der Republik: Eingeklemmt zwischen ideologischem Ballast, einer absurd ausgewucherten Bürokratie und stümpernden Politikern scheint irgendwie alles zum Stillstand gekommen zu sein. Schwungvolle Reden von der „Zeitenwende“ erinnern da an die großmäuligen Versprechungen von SED-Chargen, welch sagenhafter Aufschwung der DDR bevorstehe infolge des nächsten Fünfjahresplans – wonach das Siechtum im bleiernen, lähmenden Trott einfach weiterging.

Mit Pistorius soll nun alles besser werden, machen sich die erschöpften Kommentatoren Mut. Hoffen wir's. Doch tatsächlich besteht die Aussicht, dass der schon so oft widerlegte Seufzer „Schlimmer geht ja auch nicht mehr“ wenigstens dieses Mal nicht trügt – nach Lambrecht.

Was den Weg der Republik insgesamt angeht, suchen wir indes vergeblich nach Licht. Die Stiftung Familienunternehmen hat uns diese Woche mit ihrem „Länderindex 2022“ auf die Bretter geschickt. Unter den 21 untersuchten Industrieländern ist Deutschland auf den 18. Platz abgerutscht, vier Stellen schlechter als beim vorangegangenen Index von 2020. Und warum stehen wir so lausig da?

Hohe Steuern und Bürokratiekosten, eine verfallende Bildung und gigantische Energiepreise drücken den Wirtschaftsstandort ebenso in die Knie wie der zeitraubende bürokratische Aufwand, mit welchem der Staat die Unternehmen belastet. Auch die EU-Bürokratie mache der deutschen Wirtschaft das Leben schwer, heißt es in der Untersuchung. Das erklärt aber nicht, warum alle unsere direkten Nachbarn, die bis auf die Schweiz ja auch unter der Fuchtel von Brüssel laborieren, besser dastehen als wir, Polen beispielsweise auf Platz 10, Dänemark sogar auf Rang 5.

Was die sagenhafte deutsche Bürokratie angeht, machen Millionen Deutsche ja gerade eine eindrucksvolle Erfahrung mit ihrer Grundsteuer-Erklärung. Wer das Formular ausgefüllt hat, fragt sich, auf welcher Grundlage der Fiskus die Wohnung oder das Eigenheim eigentlich bislang besteuert hat, wenn er all diese Daten mutmaßlich gar nicht hatte. Haben die bislang etwa weder den Namen des Flurstücks noch den Umfang der Wohnfläche gekannt? Wenn doch, warum fragen die jetzt noch mal danach? Das sind die Mysterien, die sich wohl nur mit der inneren Logik einer freidrehenden Bürokratie beantworten lassen. Wir ahnen, wie wir dort gelandet sind, wo wir mittlerweile dahindümpeln.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Wie man's nimmt. Eine große Tageszeitung lässt den Chef eines Technologiekonzerns zu Wort kommen, der schnellere Genehmigungsverfahren fordert. Und zwar wo genau? Na klar, „beim Ausbau der erneuerbaren Energien“. Außerdem wünscht er „mehr Anreize für Investitionen“. Investitionen in was? „In grüne Technologien“, was sonst? Wer sich das Profil des Unternehmens anguckt, liest von „Nachhaltigkeit“ und „sauberem Strom aus dem Meer“ und fragt sich: Warum pickt sich die Zeitung aus der Unzahl möglicher Industriebetriebe ausgerechnet so einen heraus?

Das Resultat: Platz 18

Weil uns Deutschen „Wirtschaft“ als bloßer Wohlstandsproduzent ebenso verdächtig geworden ist wie beispielsweise Außenpolitik als Instrument zur Verfolgung nationaler Interessen. Wirtschaft kann vor unseren höchsten Ansprüchen nur noch bestehen, wenn sie dem „Guten“ dient, also „sozial“ und „ökologisch“ daherkommt, so wie die Außenpolitik ja neuerdings „feministisch“ zu sein hat. Geld und Interessen überlassen wir anderen.

Das Resultat manifestiert sich in Platz 18 bei der Wirtschaft und einer Außenpolitik, die zwischen moralischem Größenwahn und realem Versagen hin und her torkelt. Da nimmt es kaum Wunder, dass sie im Auswärtigen Amt das Bild von Bismarck abgehängt und das nach ihm benannte Sitzungszimmer umgetauft haben. Mir triebe der ruhige, strenge Blick des genialen Kanzlers auch die Schamröte ins Gesicht, wenn ich an der Irrlichterei des heute von einer Frau Baerbock geführten Ministeriums beteiligt wäre.

Neben „Feminismus“ geht es Baerbocks Partei immer wieder mit Hingabe darum, Schuldzuweisungen gegen das eigene Land zu konstruieren, aus denen sich eine Bringschuld basteln lässt. Dem fühlt sich auch der grüne Bundestagsabgeordnete Max Lucks verpflichtet, der in einem Gastbeitrag für die „Welt“ fordert: „Deutschland muss Verantwortung für seine IS-Kämpfer übernehmen.“

Da schluckt man erstmal: Deutschland hat eigene IS-Kämpfer am Start? Werden die von Berlin bezahlt? Oder aus einem Fonds besonders engagierter Bundesländer? Nein, so meint er das natürlich nicht. Es seien eben auch „deutsche“ IS-Kämpfer an Gräueln beteiligt gewesen, etwa gegen die Jesiden. Und daher trage Deutschland den gepeinigten Jesiden gegenüber eine besondere Verantwortung. An einer Stelle schreibt er „Deutsche Täter“ sogar groß, so fest sind „deutsch“ und „Täter“ in der Gedankenwelt dieses Politikers verschmolzen. Ob er die Großschreibung wohl auch bei „deutsch“ und „Kultur“ oder „Leistung“ oder anderen positiven Aspekten anwendet? Wir wollen nicht albern werden, aber fragen kann man ja mal.

Was die deutschen Versäumnisse angeht, teilt Lucks knallhart aus: „Auch unsere Sicherheitsbehörden haben die Gefahren der hier stattfindenden Radikalisierung unterschätzt, das Phänomen des Islamismus mit seinen grausamen Auswüchsen kleingeredet. Verantwortung übernehmen heißt, lückenlos Taten, Täterinnen und Täter hierzulande zu verfolgen und sich dem Islamismus entschieden entgegenzustellen.“

Da schluckt man nochmal. Waren es nicht gerade die Grünen, die allerorten „Islamfeindlichkeit“ erschnüffeln, wo es jemand wagt, die Auswüchse in jener Religionsgemeinschaft zu erwähnen? Wer ist es eigentlich, der ständig nach Abschiebestopps selbst bei den übelsten Halunken ruft, wenn denen in ihrer Heimat vielleicht ein höheres Strafmaß drohen könnte als hierzulande? Und wer will allenthalben unsere Grenzen für alles und jedermann maximal öffnen, womit er Deutschland offenen Auges auch zum ruhigen Rückzugsort für IS-Schergen macht? Verblüffend, welche Haken solche Leute schlagen können, wenn sie nur die Chance wittern, „deutsche Schuld“ herbeizuspinnen.


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Kommentare

Victoria Schulz am 24.01.23, 09:00 Uhr

Sehr gut kommentiert, Herr Heckel. Was ich aber nicht verstehe: Wie konnte es "gelingen", dass de facto eine ganze Politiker- und Medienkaste sowie fast ein ganzes Volk mehr als ein dreiviertel Jahrhundert nach Ende des letzten Krieges so voller Selbsthass, so frei von nationalem Selbstbewusstsein und gesundem Patriotismus sind, dass sich das Land nicht nur im freien Flug nach unten, sondern kurz vor dem knallharten Aufschlag befindet, von dem es wohl kein Auferstehen mehr geben wird? (Wie sagte doch Willy Brand? Wo ein großes Ganzes zerbricht, zerbersten die Splitter!) Als Antwort auf die Frage fällt mir nur die wie ein Tsunami über uns gekommene "Umerziehung", ausgehend von den USA, ein, die nicht nur ihre Früchte trägt, sondern in perfektionierter Weise immer noch weiter betrieben wird. Oder hat jemand eine andere Idee?

sitra achra am 23.01.23, 16:28 Uhr

Die Anglos sind nicht so wehleidig wie die Deutschen, die Preußen übrigens auch nicht (In den Staub mit allen Feinden Brandenburgs!).
Bei denen heißt es lapidar: right or wrong, my country!
Einen "Holocaust" wird es bei denen per definitionem niemals geben. Schuld ist nur der gullible Fritz, derjenige Esel, dem man jegliche Schuld aufbürden kann, der Sündenbock oder "Butschemann" für buchstäblich jegliche Gelegenheit.

Michael Kallies am 22.01.23, 16:54 Uhr

Guten Morgen an der Verfasser!
Ein sehr guter und lesenswerter Artikel! Aber ein kleiner bittersüßer Beigeschmack ist da. Als gelernter DDR Bürger und heutiger Polizeibeamter muss ich widersprechen. Schlimmer geht leider immer, das ist meine bittere Erfahrung, immer wenn ich dachte jetzt wäre der Tiefpunkt erreicht, kam jemand aus der Führung, holte eine Schaufel heraus und grub. Was unseren 18 Platz angeht, nun ja da geht noch was, in drei bis vier Jahren wird uns Somalia mitleidig einen Soli anbieten, ich erinnere nur an das Angebot aus Namibia.
Mit freundlichen Grüßen Ihr
Michael Kallies

Ulrich Bohl am 21.01.23, 13:17 Uhr

Wir sollen für alles Unheil der Welt Verantwortung über-
nehmen egal ob wir daran beteiligt sind oder waren.
Nofalls werden Konstrukte aufgebaut um immer ein
Schuldwußtsein zu erzeugen. Damit lässt sich jede noch
so absurde Politik begründen. Da die meisten Menschen
sich nicht informieren funktioniert es sogar, bis sie
die Realität erleben. Diesem Land wäre schon
viel geholfen hätten wir nicht zuviele Versager in der Politik.
Verantwortung für Fehlleistungen zu übernehmen ist in
der deutschen Politik dringend erforderlich und nicht nach Verantwortung in der Welt zu suchen die wir über-
nehmen können. Eine junge Frau die die Nazizeit überhaupt nicht erlebt haben kann sagte mir, wir mit unserer Vergangenheit müssen Schuld abtragen. Ich fragte Sie was Sie denn in der Vergangenheit schlimmes getan hat um Schuld abtragen zu müssen. Die Antwort:
NICHTS.

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