26.04.2024

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Entspannungspolitik

Humanitäre Erleichterungen statt grundsätzlicher Lösung

Vor 50 Jahren unterzeichneten die Botschafter der vier Sieger- und Besatzungsmächte das Viermächteabkommen über Berlin

Wolfgang Kaufmann
02.09.2021

Das nach dem Zweiten Weltkrieg geteilte Berlin war einer der Brennpunkte des Kalten Krieges. Sein umkämpfter Sonderstatus führte immer wieder zu Kontroversen zwischen der Sowjetunion und den westlichen Siegermächten USA, Großbritannien und Frankreich, die hier genauso präsent sein wollten wie der einstige Alliierte, in dessen Besatzungszone die Stadt nun lag. Daraus resultierten drei große Krisen: die durch die sowjetische Blockade der Westsektoren Berlins ausgelöste Erste Berlin-Krise, in der die Westalliierten mit einer großangelegten Luftbrücke reagierten, die Zweite Berlin-Krise aufgrund des Chruschtschow-Ultimatums, das den Rückzug der Westmächte aus ganz Berlin forderte, und die physische Teilung der Stadt durch den Mauerbau, die noch deutlicher machte, dass der Eiserne Vorhang mitten durch Berlin verlief. Parallel hierzu kam es zu ständigen Schikanen und Behinderungen auf den Transitwegen durch die DDR.

Bürgermeister Klaus Schütz' drei Z

Ende der 1960er Jahre war der Regierung in Moskau allerdings klar geworden, dass sie mit ihrer bisherigen auf Konfrontation angelegten Berlinpolitik keinen Fortschritt auf dem Gebiet der Entspannung bewirken konnte, von einer Anerkennung ihres deutschen Satellitenstaates DDR und der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze durch die Westmächte und die Bundesrepublik ganz zu schweigen. Daher zeigte sich der Kreml aufgeschlossen, als er 1969 mit dem Vorschlag konfrontiert wurde, über den künftigen Status von Berlin sowie die sogenannten drei Z, eine Begriffsschöpfung für die wesentlichsten Problemkomplexe durch den damaligen Berliner Regierenden Bürgermeister Klaus Schütz, zu verhandeln. Beim ersten Z ging es um die völkerrechtliche Zuordnung von West-Berlin zur Bundesrepublik, beim zweiten um den Zugang nach West-Berlin vom Territorium der Bundesrepublik aus und beim dritten um den Zutritt der Einwohner von West-Berlin zur DDR.

Bezüglich des ersten Z existierten bereits enge Bindungen zwischen den Berliner Westsektoren und der Bundesrepublik, aber aufgrund der alliierten Oberhoheit über die Stadt war völlig unklar beziehungsweise umstritten, was vor dem Hintergrund dieser Bindungen alles möglich sein könnte und was nicht. Und hinsichtlich der beiden anderen Z standen Erleichterungen im Transit zwischen dem Bundesgebiet und dem abgeriegelten „Schaufenster des Westens“ inmitten der DDR sowie im Alltagsleben der West-Berliner im Vordergrund.

Ergebnis von 152 Konferenzstunden

Die diesbezüglichen Verhandlungen begannen am 26. März 1970 im ehemaligen Gebäude des Alliierten Kontrollrates am Heinrich-von-Kleist-Park in Berlin-Schöneberg, in dem einst das Preußische Kammergericht getagt hatte und heute das Berliner Kammergericht sitzt. Die Gespräche verliefen zunächst eher stockend. Erst als die Bundesrepublik erklärte, dass sie den Moskauer Vertrag vom 12. August 1970 zwischen ihr und der UdSSR einschließlich der Zugeständnisse hinsichtlich der Oder-Neiße-Linie nur bei einer Lösung der Berlin-Problematik ratifizieren werde, kam schließlich Bewegung in die Gespräche. An deren Ende stand nach insgesamt 152 Konferenzstunden am 3. September 1971 die Unterzeichnung des Viermächteabkommens über Berlin durch die Botschafter Frankreichs, der Sowjetunion, Großbritanniens und der USA.

In ihm verpflichteten sich die vier Mächte, ihre Streitigkeiten rund um Berlin „ausschließlich mit friedlichen Mitteln beizulegen“ und die bestehende Situation „nicht einseitig“ zu verändern. Das schloss ein, „dass die Bindungen zwischen den Westsektoren Berlins und der Bundesrepublik Deutschland aufrechterhalten und entwickelt werden“. Dabei berücksichtigten die vertragsschließenden Seiten, „dass diese Sektoren so wie bisher kein Bestandteil (konstitutiver Teil) der Bundesrepublik Deutschland sind und auch weiterhin nicht von ihr regiert werden“. Deshalb waren beispielsweise Zusammenkünfte von Verfassungsorganen Westdeutschlands wie dem Bundestag oder dem Bundesrat in West-Berlin untersagt. Die Sowjetunion garantierte, „dass der Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen den Westsektoren Berlins und der Bundesrepublik Deutschland auf Straßen, Schienen- und Wasserwegen durch das Territorium der Deutschen Demokratischen Republik ohne Behinderungen sein wird“. „Personen mit ständigem Wohnsitz in den Westsektoren Berlins“ erhielten nun das verbriefte Recht, „aus humanitären, familiären, religiösen, kulturellen oder kommerziellen Gründen oder als Touristen“ nach Ost-Berlin und innerhalb der DDR zu reisen.

Modus vivendi bis zur Vereinigung

Mit dem Viermächteabkommen erreichte die UdSSR ihr Ziel der faktischen Anerkennung der DDR durch die anderen Siegermächte und die Bundesrepublik, was anschließend eine weitere Ausgestaltung der deutsch-deutschen Beziehungen ermöglichte. Dafür musste Moskau der anhaltenden Präsenz der Westalliierten im Westteil Berlins zustimmen.

Die im August 1971 getroffenen Abmachungen traten am 3. Juni 1972 mit der Unterzeichnung des Viermächte-Schlussprotokolls durch die Außenminister der Besatzungsmächte in Kraft. Sie galten danach trotz immer wieder aufkommender Differenzen über ihre konkrete Auslegung bis zur Beendigung von Teilung und Besatzungsherrschaft in Deutschland am 3. Oktober 1990.
Das Viermächteabkommen über Berlin diente 1971 als Testfall, ob eine allgemeine Entspannungspolitik zwischen Ost und West auch unter den Bedingungen des Kalten Krieges möglich war. Das konnte bejaht werden, obwohl in der eigentlichen Kernfrage des endgültigen Status von Berlin keine Einigung zustande kam.


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