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Als Kardinal und Papst war Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. Diener einer Weltkirche. Dennoch bewahrte er sich stets eine tiefe Liebe zu seiner bayerischen Heimat. Nicht zuletzt, weil hier das katholische Christentum bis heute fest im alltäglichen Leben verankert ist
„Bayern ist gut!“ Mit diesen frohen Worten begrüßte bei einer Audienz für die Mitarbeiter der Internationalen Katholischen Zeitschrift „Communio“ 1997 Papst Johannes Paul II. den Autor dieser Zeilen, den der ebenfalls anwesende Kardinal Ratzinger ihm vorstellte und dabei auf dessen bayerische Herkunft hinwies. Das päpstliche Lob ihres Heimatlandes entzückte die beiden Landsleute. Denn die Hymne der Bayern beginnt ja mit der in eine Bitte gefassten Gewissheit: Gott mit dir, du Land der Bayern, deren Farben Weiß und Blau droben am Himmel jedem versichern, einem guten Gott vertrauen zu dürfen, der ganz nahe ist.
Joseph Alois Ratzinger, der 2005 zum Papst gewählt den Namen Benedikt XVI. annahm, dankte in seinem Testament gleich am Anfang „dem Herrn für die schöne Heimat im bayerischen Voralpenland, in der ich immer wieder den Glanz des Schöpfers selbst durchscheinen sehen durfte“. Den Menschen dort dankte er, „dass ich bei ihnen immer wieder die Schönheit des Glaubens erleben durfte. Ich bete darum, dass unser Land ein Land des Glaubens bleiben möchte und bitte Euch, liebe Landsleute: Lasst Euch nicht vom Glauben abbringen!“
Obschon das alte Baiern zu den treuesten Provinzen der Kirche gehörte, deren Einwohner so selbstverständlich katholisch sind wie Bäume grün, kamen die meisten Erzbischöfe von München und Freising seit dem 19. Jahrhundert aus Franken oder aus der ehedem bayerischen Pfalz. Sie waren Staatsbayern des Königreichs und des späteren Freistaates, aber keine Baiern der Sprache und dem Brauchtum nach, die mit einer katholischen Freude der Welt verbunden waren, ohne sich an diese zu verlieren, weil stets dazu angehalten, auf der Hut vor Lug und Trug und allerlei verlockenden Täuschungen zu bleiben.
Katholischsein als Lebensform
Katholisch sein, das war noch bis vor Kurzem eine Lebensform. Gerade während der Advents- und Weihnachtszeit versetzten Bayern die Wunder und heiligen Geschichten mitten in ihren Alltag, auch auf Witz und Überraschungen bedacht, vor allem aber auf Anmut, Liebenswürdigkeit und Schönheit. Ludwig Thomas „Heilige Nacht“, im Kriegswinter 1916 geschrieben, war ein letztes Zeugnis dieses in der Welt, in der Heimat verwurzelten Glaubens, und sie war bald so unentbehrlich geworden wie das Lukasevangelium. Die Schönheit ist der Gefährte der pietas bavarica, der bairischen Frömmigkeit, weil der Glaube froh stimmt und jede Freude sich schön äußern muss, weil Gott und die Schönheit ein und das gleiche sind. Davon kündeten die Kirchen, Klöster, geistlichen Spiele und die liturgischen Formen zu Ehren der göttlichen Majestät.
Im gebildeten, aber bilderlosen Norddeutschland, wie Goethe spottet, wurde dieser Prunk der Prozessionen mit kostbaren Geräten und Gewändern, voller Licht, Farben und viel Musik, eingehüllt in Weihrauch, als abergläubische Ausschweifung empfunden. Freilich nicht ganz ohne Neid, weil sich dabei doch Wahrheit und Sinnlichkeit, Geist und Leben vereinten und einander steigerten.
In diesem Sinne wurden im Mai 1977 Ratzingers Bischofsweihe und somit die Inthronisation eines richtigen bairischen Erzbischofs in München zu einem mächtigen Volksfest, bei dem Feiern und Feierlichkeit ineinander verschmolzen: katholische Vereine, Fahnen, Trachtengruppen, Schützen, Mönche, Klosterfrauen, Priester, Studenten und Professoren, alle in den sie auszeichnenden Gewändern, sowie natürlich viel Gesang, alles umstrahlt von der Sonne unter einem weiß-blauen Himmel. Der neue Erzbischof versank für Minuten im stillen Gebet vor der Mariensäule – die Gottesmutter ist ja die Patronin Bayerns.
Um so größer war der Jubel, als anschließend voller vaterländischem Stolz das katholische Bayern wieder mit weltlicher Üppigkeit bekunden konnte, was für eine Gnade es ist, ein katholischer Bayer sein zu dürfen. Der Erzbischof und Kardinal sowie die Gläubigen bildeten eine wahrhafte Communio, eine geistig-seelische Gemeinschaft der vollständigen Übereinstimmung im Glauben und in der Hoffnung auf eine lange dauernde Zukunft gemeinsamen Wirkens.
Auch in Rom ein Bayer geblieben
Sehr bald allerdings, schon 1982, musste der Erzbischof den Wünschen des Papstes Johannes Paul II. nachgeben, der ihn nach Rom berief. Auch sein Abschied geriet trotz aller aufrichtigen Trauer zum Fest. Schließlich hatte der Baier und Seelsorger Joseph Ratzinger gut bairisch und katholisch in München dafür gesorgt, die zuweilen vernachlässigten liturgischen Formen wiederzubeleben, weil für ihn die katholische Kirche auf anschaulichen Wahrheiten beruhte und nicht auf Abstraktionen und theoretischen Systemen. Sein erzbischöfliches und späteres päpstliches Wappen veranschaulichte immer, trotz seiner Liebe zu seiner zweiten Heimat Italien und seiner zweiten, der italienischen Umgangssprache, ursprünglich ein Bayer zu sein und seinen Ursprüngen treu zu bleiben.
Die Treue ist eine der wichtigsten Tugenden, die Christen und Menschen allgemein verpflichtet. Wer die Treue bricht, bringt sich um seine Würde und berechtigte Anerkennung. Die Italiener liebten in dem bavarese einen der ihren, geprägt von der Latinität und deren geselligen Formen, die über die römische Kirche jeden ein wenig zum Römer, zu einem höflichen Römer machte.
Das Wappen des Erzbischofes Ratzinger und des Papstes Benedikt enthält symbolische Bilder, die ihm wie allen Christen Rat und Aufmunterung erteilen. Es zeigt unter anderem eine goldene Muschel, die auf das Leben als Wanderung, als Pilgerzug zum ewigen Heil verweist. Die Muschel erinnert aber auch an die Anekdote, die der Kirchenvater Augustinus erzählt, wie ein Kind hoffte, die unermessliche Fülle des Meereswassers mit einer Muschel zu erschöpfen und ein Loch am Ufer zu gießen. Es musste mit seinen Absichten scheitern, so wie jeder Mensch vor der Unendlichkeit Gottes in Demut verzagen muss. Diese Erkenntnis gilt auch für die Gottesgelehrten und Priester. Den heiligen Augustinus verehrte der Theologe Ratzinger besonders, und als Wissenschaftler wurde er zu einem der besten Kenner dieses Denkers und Heiligen.
Die Muschel spielt auch auf das ehrwürdige Kloster Sankt Jakob in Regensburg an. Dieses erst irischen, dann schottischen Mönchen übertragene Kloster, keine bairische, sondern eine extraterritoriale Institution, hervorragend unter vielen Klöstern wegen der dort geübten Wissenschaftlichkeit, veranschaulichte, wie göttliche und menschliche Vernunft harmonisch einander ergänzen und der Glaube wie die forschende Einbildungskraft nicht von Grenzen und anderen Einschränkungen aufgehalten werden. Mit Regensburg fühlte sich der Bayer Ratzinger auch deshalb eng verbunden, weil sein Bruder Georg dort die Domspatzen leitete, bemüht im Einklang mit den Traditionen dieses ganz besonderen Knabenchores zu bleiben, so wie sein Bruder Joseph dazu berufen war, in der Kirche darauf zu achten, nicht von ihrer lebendigen Tradition seit den Aposteln abzuweichen.
Einheit von Brauchtum und Glauben
Schon als Erzbischof rechnete sich Joseph Ratzinger zu den cooperatores veritatis, wie sein dauernder Wahlspruch lautete, zu den Mitarbeitern bei der Bemühung, sich der göttlichen Wahrheit anzunähern, um sie zu verstehen und verkündigen zu können. Als Bayer von Musik bei den Messen und Andachten umgeben, ohne die das Brauchtum im Beruf und bei fröhlichem Zeitvertreib leblos und freudlos geblieben wäre, achtete er stets in der Musik und deren großen Meister cooperatores veritatis. Christus ist zwar das Wort, aber die Musik vermag vieles auszudrücken, was erst das Wort in all seinem Reichtum verständlich macht. In den Werken eines Palestrina, eines Bachs, vor allem aber Mozarts und Bruckners vermutete er beziehungsreiche Offenbarungen der unerschöpflichen Schönheit Gottes.
Ratzinger war ein Schöngeist im besten Sinne, das Schöne und das Geistige als einen Zusammenhang begreifend und erlebend. Einen unverbindlichen Ästhetizismus verwarf er. Ihn ergriff vielmehr der splendor veritatis, der Glanz der Wahrheit. Die Wahrheit, um die Herzen zu gewinnen und zu erfüllen, braucht die Schönheit, um sich als mitreißende, bewegende und umgestaltende Kraft zu erweisen. Davon sprach eindringlich der von Ratzinger sehr geschätzte Theologe Hans-Urs von Balthasar, der die Schönheit vor den Zudringlichkeiten verspielter Ästheten retten wollte und damit den Ernst und die Bedeutung des verum gaudium, der einzigartigen Freude, die große Kunstwerke, vor allem musikalische, bewirken können. Die Katholische Kirche hat das Wort nie als bloße Verbindung von Buchstaben verstanden, sondern als einen biegsamen Körper, der mit seiner unmittelbaren Leibhaftigkeit die Geister aus Träumereien oder Ungewissheiten befreit.
Ehrfurcht vor dem Schönen
Bei dem Theologen und Seelsorger Ratzinger kam noch sein besonders bayerisches Erbe hinzu, wie es sich in den barocken Klöstern, und Kirchen, in Fresken und Altararchitektur, aber auch in kurfürstlichen Palästen und deren Festsälen manifestierte: die Einheit der Welt in ihrer Mannigfaltigkeit sowie in ihrer Beziehung zu Gott und zur Wahrheit in einem Weltbild zusammenzufassen und anschaulich zu machen.
Eine unsinnliche Religion schrumpft zur bloßen Weltanschauung, die weder anschaulich ist noch die Welt in ihrer Fülle enthält. Sie verliert darüber jede Beziehung zur Welt und ihre Bedeutung in der Welt. Gerade diese Entwicklung wollte der katholische Theologe, bayerische Menschen- und Kunstfreund und Papst Benedikt zumindest abschwächen. Er wuchs noch in einer Welt auf, die sich nicht als Umwelt begriff, sondern die Wirklichkeit als Schauplatz verstand für das Drama zwischen Gott und den Menschen, für eine Heilsgeschichte, wie sie der heilige Augustinus in großen Szenen entwarf, bairische Jesuiten mit ihren geistreichen Schauspielen vor alle Sinne stellten und von der die Deckengemälde in Kirchen und Schlössern handelten.
Davon will die Welt vorerst nichts mehr wissen, weil sie die Ehrfurcht vor dem Schönen verloren hat, von der dieser bayerische Papst erfüllt war.
sitra achra am 10.01.23, 15:03 Uhr
Lieber ein Operator sein als Co-Operator bei der Verkündigung des Beliebigen, schon gar nicht der Veritas, die ohnehin von den Menschlein äußerst schwer , einschließlich Papst, zu (be)greifen ist.
Es ist schon ein "Kreuz" mit dem wahren Glauben, den man in den Gemäuern des Vatikan wohl kaum antreffen wird.