13.12.2024

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Alt Keykuth

Im Dienste der CIA

Unter Druck wegen eines Foltergefängnisses – Die Republik Polen musste Schmerzensgeld zahlen

Wolfgang Kaufmann
23.04.2024

Alt Keykuth [Stare Kiejkuty], ein kleines ostpreußisches Dorf nördlich von Ortelsburg im Masurischen Seengebiet, existiert seit etwa 1400 und hatte niemals mehr als um die 400 Einwohner. 1945 wurde die Siedlung von der Roten Armee eingenommen und kam später zur Republik Polen.

In den Jahren 1971/72 entstand in dem verschlafenen Örtchen ein Schulungszentrum für Geheimdienstpersonal, das den Nachwuchs für die Geheimdienstabteilung des polnischen Innenministeriums ausbildete. Einer der Absolventen dieser Einrichtung war Gro­mos­ław Czempiński, der später zum Chef des Amts für Staatsschutz (UOP) aufstieg. Er zählte zu den Planern der Operation Samum, in deren Verlauf das UOP im Jahre 1990 mehrere in Gefahr befindliche US-amerikanische Geheimdienstler aus dem Irak herausschmuggelte.

Ab dieser Zeit bestand eine enge Beziehung zwischen der Central Intelligence Agency (CIA) und dem UOP, aus dem im Juni 2002 auch der polnische Auslandsgeheimdienst AW hervorging. Das hatte nach den Anschlägen vom 11. September 2001 Folgen.

Schulungszentrum für Geheimdienst
In ihrem „Krieg gegen den Terror“ starteten die USA etliche völkerrechtswidrige Operationen, wie die Einrichtung von CIA-Geheimgefängnissen, in denen möglicherweise bis zu 27.000 Terrorverdächtige festgehalten und gefoltert wurden. In zehn Staaten hab es 22 solcher sogenannten Black Sites. Dazu gehörten eine Reitschule in der Nähe der litauischen Hauptstadt Wilna, die versteckten CIA-Verliese inmitten der rumänischen Hauptstadt Bukarest und das nunmehr zum AW gehörende Ausbildungszentrum in Alt Keykuth.

Die entsprechende Vereinbarung zwischen dem polnischen Auslandsgeheimdienst, der damals unter der Leitung von Zbigniew Siemiątkowski stand, und der CIA datierte nach Angaben der „Washington Post“ auf Anfang 2003. Angeblich schickte die CIA 15 Millionen US-Dollar in bar an den stellvertretenden AW-Chef Andrzej Derlatka, um eine Villa auf dem Gelände der Agentenschule in Alt Keykuth zu mieten, die den Codenamen „Quartz“ erhielt. Dass Polen sich auf die Abmachung einließ, resultierte wohl daraus, dass es die USA nun als seinen wichtigsten Verbündeten ansah.

Die Insassen des geheimen Foltergefängnisses kamen mit Maschinen vom Typ Gulfstream G550 und Boeing 737 über den 20 Kilometer entfernten Flugplatz Groß Schiemanen (Olsztyn-Mazury) an, dessen beide Manager Jerzy Kos und Tomasz Starowieyski ebenfalls mit der CIA beziehungsweise dem Organisator der Flüge, dem privaten Militärdienstleister DynCorp International, kooperierten. Drei der Opfer der Misshandlungen in der polnischen Black Site des US-Auslandsgeheimdienstes sind später namentlich bekannt geworden: Abd al-Rahim al-Nashiri aus Saudi-Arabien, der mutmaßliche Drahtzieher des Attentates auf den US-Zerstörer „Cole“, Abu Subaida alias Zain al-Abidin Muhammad Husain, ein mehrfach terrorverdächtiger staatenloser Palästinenser, und Chalid Scheich Mohammed aus Pakistan, der zu den wichtigsten Planern der Anschläge vom 11. September zählt. Chalid soll dabei rund 180-mal von dem CIA-Spezialisten Deuce Martinez durch „Waterboarding“, also simuliertes Ertränken, gefoltert worden sein.

Die polnische Regierung bestritt zunächst die Existenz der Black Site in Masuren, die sowohl gegen die Verfassung des Landes als auch diverse internationale Konventionen verstieß. Dann allerdings sagte der damalige US-Präsident George W. Bush im September 2006 ganz öffentlich, dass es bei der CIA spezielle Programme zur Vernehmung hochrangiger Terroristen in Ländern wie Polen gegeben habe.

Folteropfer klagten vor dem EuGH
Daraufhin leitete die Bezirksstaatsanwaltschaft in Warschau im März 2008 ein Ermittlungsverfahren ein, das später vom Büro für Organisierte Kriminalität der Nationalen Staatsanwaltschaft weitergeführt wurde. Dieses endete 2012 mit einer Anklage gegen den früheren Geheimdienstchef Siemiątkowski wegen Verschwörung zum Verstoß gegen die Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen. Allerdings verschleppte die polnische Justiz den Fall bis zum November 2020 – und dann verfügte der zuständige Staatsanwalt Janusz Sliwa die Einstellung des Verfahrens.

Dennoch stand Polen wegen des CIA-Foltergefängnisses in Alt Keykuth am Pranger, weil al-Nashiri und Subaida 2011 und 2013 Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg einreichten, in deren Folge Warschau am 24. Juli 2014 zu Schmerzensgeldzahlungen in Höhe von 100.000 und 130.000 Euro verurteilt wurde. Die Reaktion der polnischen Regierung hierauf bestand in dem Eingeständnis, der CIA Räume in der AW-Schule zur Verfügung gestellt zu haben, wobei es aber zugleich hieß, die amerikanische Seite sei für das dortige Geschehen ganz allein verantwortlich. Außerdem habe Polen die CIA bereits Ende 2003 aus Alt Keykuth verbannt.


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